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Trauer um Ursula Trautwein

Engagierte Aktivistin, Frauenrechtlerin und Wegbegleiterin der Kirche verstorben

2021 kehrte Ursula Trautwein noch einmal ins Stadtparlament zurück, um für eine Würdigung Oskar Schindlers im Straßenbild zu werben. I Foto: Rolf Oeser
2021 kehrte Ursula Trautwein noch einmal ins Stadtparlament zurück, um für eine Würdigung Oskar Schindlers im Straßenbild zu werben. I Foto: Rolf Oeser

Die Evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach trauert wie viele andere um Ursula Trautwein, die am 27. September im Alter von 92 Jahren verstorben ist. Jahrzehntelang hat sie sich in Kirche, Politik und Gesellschaft eingesetzt – für Gerechtigkeit, für Frauenrechte, gegen Apartheid und für die Erinnerung an die Opfer der Shoah. „Die Kirche war und ist zu allen Zeiten angewiesen auf Menschen, die klar, öffentlich und glaubwürdig sagen, dass der Glaube an Jesus Christus hier und heute Konsequenzen hat – im Einsatz für Menschen, die unter Unrecht und Gewalt leiden. Ursula Trautwein hat uns das glaubwürdig vorgelebt. Wir trauern um eine außergewöhnliche Frau", würdigt der evangelische Stadtdekan von Frankfurt und Offenbach Holger Kamlah die Verstorbene.

Geboren wurde Trautwein in Mangaluru als Tochter eines für die Basler Mission in Indien tätigen Theologen. Auch sie schlug eine kirchliche Laufbahn ein, absolvierte nicht nur eine Ausbildung als Krankenschwester, sondern auch im Burckhardthaus eine als Gemeindehelferin. Gemeinsames Engagement prägte sie und ihren Mann, den Theologen und Liederdichter, Propst Dieter Trautwein (1928–2002).

Gemeinsam sorgte das Ehepaar Trautwein dafür, dass Oskar Schindler und seine Rettung jüdischen Lebens in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Regelmäßig saß der unbeachtet im Bahnhofsviertel Lebende am Esstisch der Familie, zu der drei Kinder gehörten, darunter Ulrike Trautwein, später Pfarrerin in Frankfurt-Bockenheim, anschließend Generalsuperintendentin mit Sitz in Berlin. Ursula Trautwein, in den neunziger Jahren SPD-Stadtverordnete, setzte sich gegenüber der Stadt dafür ein, dass Oskar Schindler und seiner Frau Emilie auf dem Bahnhofsvorplatz ein Straßenschild gewidmet wird, 2025 wurde es aufgehängt.

Im Kreis der Evangelischen Frauen in Hessen und Nassau, im Stadtparlament, aber auch auf bundesweiter kirchlicher Ebene protestierte Ursula Trautwein gegen die in Südafrika herrschende Apartheid. Mit der Südafrika-Projektgruppe der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland engagierte sie sich für den Boykott südafrikanischer Fruchtimporte und forderte, dass der Kirchentag keine Konten bei Banken unterhält, die mit Südafrika Geschäfte machen. Auf dem Höhepunkt des Protests zog Trautwein 1987 auf dem Frankfurter Kirchentag mit 40.000 Menschen durch das Bankenviertel.

Die Liste von Ursula Trautweins Engagements ist lang: Für Mädchenpfadfinderinnen und die Ökumene setzte sie sich ein. Sie war Mitglied im Verwaltungsrat des Deutschen Entwicklungsdienstes, Abgeordnete im Landeswohlfahrtsverband Hessen (1990/91–2001). Als stellvertretende, ehrenamtliche Vorsitzende war sie bei der Organisation "Frauenrecht ist Menschenrecht" tätig. Ursula Trautwein war Mitgründerin und Mitglied im Beirat der Jugendbegegnungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main. Als Referentin des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt berichtete sie über das Leben und Wirken Oskar Schindlers.

Die Frankfurter Bibelgesellschaft e.V. zählt zu den Institutionen, die ihr Beileid bekundeten und die Verstorbene würdigten: „Als Zeitzeugin konnte sie wie kaum eine andere von ihren Tagen als Aktivistin erzählen, insbesondere in der Frauenbewegung. Wir trauern um eine auf vielen Ebenen engagierte Persönlichkeit im Einsatz für Entrechtete“, schreibt der Direktor des Museums, Veit Dinkelaker, in seinem Nachruf. In der aktuellen Ausstellung des Museums zu protestantischen Ikonen, Bibel und Widerstand, ist eine Bibel zu sehen, die Winnie Mandela 1987 den Trautweins zusendete. Ausgeschnitten in das Buch ist der Umriss einer Pistole: So hatte Winnie Mandela die Bibel in ihrem geplünderten Haus nach Rückkehr aus dem Gefängnis vorgefunden – sie deutete das als Todesdrohung.

Die Mandelas vertrauten dieses erschreckende Dokument den Trautweins an, die ihnen zur Seite gestanden hatten in der schweren Zeit der Apartheid, über die Kontinente hinweg. Ursula Trautwein war eine, die sich vor Ort einsetzte, aber eben auch weit darüber hinaus christliche Solidarität zeigte.


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Bettina Behler 380 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach

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