Nachbarschaftsräume: Evangelische Kirche setzt sich neu zusammen
Auf der jüngsten Versammlung des Kirchenparlaments am 10. September im Dominikanerkloster wurde deutlich: Der Umbau der Frankfurter und Offenbacher Kirchengemeinden zu zehn Nachbarschaftsräumen (NBR) eröffnet Chancen, wirft aber auch viele Fragen auf. In Kleingruppen diskutierten die Delegierten, wie Haupt- und Ehrenamtliche künftig besser zusammenarbeiten können.
Viele berichteten von guten Erfahrungen – etwa in der Konfi-Arbeit oder bei den „Sommerkirchen“, wo Gemeinden gemeinsam Gottesdienste feiern oder Radtouren zu verschiedenen Kirchen organisieren. Gleichzeitig wurde klar, dass es erhebliche Reibungen gibt: Ehrenamtliche fühlen sich bei Entscheidungen oft übergangen, Zuständigkeiten sind unklar, es fehlt an Transparenz. „Zusammenarbeit auf Augenhöhe funktioniert nur, wenn Rückkopplung und Transparenz stimmen“, hieß es in einer Arbeitsgruppe. Auch fehlende digitale Werkzeuge wurden kritisiert: Ohne gemeinsame Portale sei verlässliche Zusammenarbeit kaum möglich.
Die Frage lautet also: Wie können Haupt- und Ehrenamtliche so verzahnt werden, dass es für beide Seiten verbindlich und entlastend wirkt? Diskutiert wurden klare Aufgabenteilungen nach Begabungen, gemeinsame Ausschüsse, Dienstordnungen für Verkündigungsteams und regelmäßige Treffen zwischen Kirchenvorständen und Hauptamtlichen. Vertrauen könne nur entstehen, wenn Pfarrer:innen in den KVs präsent seien, auch wenn es keine Pflicht gebe, und wenn eine Kultur der Wertschätzung gelebt werde.
Vom Großen zum Konkreten
Sichtbar werden die Herausforderungen zum Beispiel im Nachbarschaftsraum 6 im Frankfurter Nordosten beim Thema Öffentlichkeitsarbeit. Acht Gemeinden, acht Gemeindebriefe – und rund 40 Ehrenamtliche, die sich um Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Was bisher nebeneinander lief, soll künftig gemeinsame Strukturen bekommen.
Achim Hubert, Kirchenvorsteher der neuen Hanna-Gemeinde und Mitglied im Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit des NBR 6, sieht darin eine Schlüsselaufgabe:
Ein erster Schritt ist bereits gelungen: Ein gemeinsames Gemeindesekretariat sorgt für Verlässlichkeit und entlastet die Gemeinden. „Daran zeigt sich, dass gemeinsames Handeln stärker macht – und dass wir neue Wege gehen müssen, wenn wir nicht jede Gemeinde für sich ausbluten lassen wollen“, sagt Hubert.
Um einen Überblick zu gewinnen, hat die AG Öffentlichkeitsarbeit im Sommer eine Umfrage gestartet. Ergebnis: Gedruckte Medien bleiben wichtig, binden aber enorme Ressourcen. Webseiten werden gepflegt, Social Media ist stark personenabhängig. Einzelne Gemeindebriefe kosten bis zu 15.000 Euro im Jahr, die Reichweiten im Internet variieren zwischen 1.000 und 12.000 Klicks pro Monat. Knackpunkte sind die Terminverwaltung – viele Kalender, kein Gesamtüberblick – und die Verteilung der Gemeindebriefe, die oft zu spät in den Briefkästen landen. Gleichzeitig zeigen Umfragen: 94 Prozent der Menschen besitzen ein Smartphone. Öffentlichkeitsarbeit muss also digitaler und schneller werden. Allerdings bleibt die Frage: Erreicht Kirche auch so ihre Zielgruppen?
Widerstände gibt es trotzdem: Viele Gemeinden wollen ihr „eigenes Blatt“ oder ihre Website behalten. Hubert ist überzeugt: Spätestens wenn die Mittel ab 2027 sinken, wird ein Umdenken nötig. Schon jetzt helfe aber, dass Gemeinden miteinander ins Gespräch kommen – ob durch Umfragen oder gemeinsame Redaktionssitzungen.
Ausblick
Prodekanin Stefanie Brauer-Noss betont: „‚Tue Gutes und erzähl davon!‘ – in einer Gesellschaft, in der kirchliches Leben nicht mehr selbstverständlich ist, ist Öffentlichkeitsarbeit keine Nebensache. Sie zeigt, wie vielfältig Kirche sein kann und öffnet neue Anknüpfungspunkte – für unsere Gemeinden und für die Menschen, die uns neu kennenlernen.“
Noch ist der Weg zu einer gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit im NBR 6 nicht abgeschlossen. Aber der Prozess läuft – und er zeigt, wie zentral Kommunikation für den Umbau der Kirche ist. Oder wie Hubert sagt: „Wir dürfen uns nicht in Details verlieren. Entscheidend ist, dass wir sichtbar bleiben – als Kirche, die den Menschen in dieser Stadt etwas zu sagen hat.“
Nachbarschaftsraum 6 – die Fakten:
- 8 Gemeinden im Frankfurter Norden
- ca. 13.400 Gemeindeglieder
- 8 Gemeindebriefe, rund 20.000 Exemplare insgesamt
- rund 40 Ehrenamtliche insgesamt tätig für Öffentlichkeitsarbeit
- Kosten einzelner Gemeindebriefe: bis 15.000 Euro pro Jahr
- Reichweiten über Webseiten: 1000 – 12 000 Klicks pro Monat
Kontakt/Service
Wer sich für die Ergebnisse der Umfrage interessiert oder im eigenen Nachbarschaftsraum eine ähnliche Aktion starten möchte, kann sich direkt an Achim Hubert wenden.
info@ev-hanna-gemeinde-ffm.de