Die wahre Gefahr trägt keinen fremden Namen
Wenn Friedrich Merz von „Stadtbild“ und der Angst um Töchter spricht, dann meint er nicht etwa den Mangel an Frauenhäusern, der unsere Städte und Kommunen prägt – und der einem tatsächlich große Sorgen bereiten könnte. Er meint migrantisch gelesene Männer, die in ihren Stadtvierteln von A nach B laufen oder sich auch mal (Gott bewahre!) an Straßenecken unterhalten.
Es ist ein altbekanntes Spiel der konservativen Rechten: Gesellschaftliche Probleme werden nach außen verlagert, an den Rand projiziert – auf „die anderen“, die „Fremden“. Doch die Statistiken sagen etwas anderes. Sie zeigen klar: Die größte Gefahr für Frauen lauert nicht nachts im Park und auch nicht tagsüber rund um Shisha-Bars, sondern hinter der eigenen Wohnungstür.
Weihnachten im Kreise der Familie feiern? Für manche ist das ein Wunschtraum. Ihre Realität ist brutaler, Tannenbaum und Plätzchen ändern daran nichts. Die überwältigende Mehrheit der Täter (und auch der Täterinnen, denn die gibt es ebenfalls) stammt aus dem engsten Umfeld: Partner, Ex-Partner, Familienmitglieder.
Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Hunderttausende erleben physische, psychische oder sexuelle Gewalt in den eigenen vier Wänden, die doch eigentlich ein Safe Space sein sollten.
Diese Verlagerung der Debatte ist allerdings nicht zufällig, sondern politisch kalkuliert. Wer über häusliche Gewalt spricht, muss über patriarchale Machtverhältnisse reden, über Abhängigkeiten, über Armut, über den Rückzug des Sozialstaats. Wer aber den Fokus auf „fremde Täter“ lenkt, kann sich selbst als Beschützer inszenieren – ohne an den Strukturen etwas ändern zu müssen.
Während also Politiker:innen und Kommentator:innen die häusliche Idylle der heteronormativen Kleinfamilie beschwören, sitzen Frauen aus ebensolchen Familien mit gebrochenen Rippen in überfüllten Frauenhäusern, über die Feiertage sogar häufiger als sonst.
Wer den Wert der Familie so hochhält, sollte sich fragen, warum der Staat die Frauen dann im Stich lässt.
0 Kommentare
Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.