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Erinnerndes sichtbar machen

Das Gedenken zur Pogromnacht vom November 1938 findet in diesem Jahr großteils virtuell statt. Eine christlich-jüdische Filmproduktion zeigt fünf Orte des Erinnerns in Frankfurt. Auch die Jüdische Gemeinde setzt am 9. November aufs Netz.

Susanna Faust-Kallenberg, Pfarrerin für Interreligiösen Dialog im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach, erinnert am Börneplatz an die Synagoge, die hier stand.
Susanna Faust-Kallenberg, Pfarrerin für Interreligiösen Dialog im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach, erinnert am Börneplatz an die Synagoge, die hier stand.

2018, in dem Jahr als sich die Pogromnacht zum 70. Mal jährte, haben christliche und jüdische Gemeinden in der Frankfurter Innenstadt gemeinsam einen Gedenkgang unternommen. Daraus wurde so etwas wie eine Tradition. Auch für dieses Jahr war eine solche Form des Erinnerns an die Opfer der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 und den folgenden Holocausts geplant worden. Von der Gedenkstätte am Börneplatz zur Paulskirche sollte der Weg am Sonntag, 8. November, ab 15 Uhr führen.

„Doch Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagt Pfarrerin Susanna Faust Kallenberg, zuständig für interreligiösen Dialog im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach. Sie sieht durchaus aber auch eine Chance darin, dass stattdessen auf Youtube ein Film hochgeladen wird, der fünf Orte des Gedenkens in Frankfurt zeigt: Die 23 Basalt-Stelen vor dem Gebäude der Henry und Emma Budge-Stiftung, die an die Ermordeten der ersten Einrichtung der Stiftung erinnern, werden vorgestellt. Rabbiner Andrew Steiman aus dem jüdisch-christlichen Altenheim erläutert sie. Petra Kunik, jüdische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit Frankfurt, erzählt in dem von Leon Spanier gedrehten Film die Geschichte der ursprünglich für die Familie von Weinberg geschaffenen Fenster, die heute in die Alte Nikolaikirche auf dem Römerberg eingefügt sind. Majer Szanckower, der Leiter der Jüdischen Friedhöfe in Frankfurt, berichtet in einer Sequenz über die Gräber der Menschen, die selber angesichts der Schrecken ihrem Leben ein Ende gesetzt haben. Tobias Freimüller, stellvertretender Direktor des Fritz Bauer Institutes, erläutert vor dem Oberlandesgericht das hier dem Initiator der Auschwitz-Prozesse, Fritz Bauer, gesetzte Denkmal. Über die Synagoge am Hochbunker an der Friedberger Anlage spricht Gabriela Schlick-Bamberger, Dozentin der Jüdischen Volkshochschule. Rund 20 Minuten dauert das Betrachten des gesamten Films. Die Initiatoren laden dazu ein, statt gemeinsam um 15 Uhr am Sonntag den Gedenkgang zu beginnen, den Film, auf den auch von der Seite der Frankfurter Sektion der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit verlinkt wird, anzuschauen (hier). Faust Kallenberg findet es wichtig der Menschen und der Zeiten zu gedenken und fügt hinzu: „Es gibt viel Erinnerungskultur, wir müssen sie nur sichtbar machen.“

Die Entscheidung ins Netz zu wechseln, fiel auch in Abstimmung mit der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Sie streamt am 9. November ab 18 Uhr eine Ansprache ihres Vorstandsvorsitzenden Salomon Korn sowie eine Rede von Oberbürgermeister Peter Feldmann. Beteiligen wird die Jüdische Gemeinde sich zudem an der Aktion „Let there be light“, die von der Organisation „March of the living“ getragen wird. Dabei handelt es sich um einen jährlich stattfindenden Gedenkmarsch vom Konzentrationslager Auschwitz zum Vernichtungslager Birkenau. Um weltweit zeichenhaft am Gedenkmarsch teilzunehmen, werden Institutionen, Gotteshäuser und Privathäuser als Symbol der Solidarität und des Engagements gegen Hass und Antisemitismus beleuchtet. In Frankfurt wird dafür die Westend-Synagoge beleuchtet. (Infos)

Hinweis: Unser Terminkalender enthält am 8. und 9. November weitere Anregungen zu Gedenken.

Hier geht es direkt zum Video.


Autorin

Bettina Behler 297 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach