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„Es ist Zeit, laut zu werden“

Ein breites evangelisches Bündnis beteiligt sich an der CSD-Kundgebung am 19. Juli in Frankfurt. Mit dabei sind unter anderem Anastasia Gettikh vom Evangelischen Frauenbegegnungszentrum EVA, Frankfurt, und Roman Richter vom Bunten Büro der Regionalen Diakonie Bergstraße.

Anastasia Gettikh, Bildungsreferentin im EVA I Foto: Stella Musshafen
Anastasia Gettikh, Bildungsreferentin im EVA I Foto: Stella Musshafen

Anastasia Gettikh ist es als Bildungsreferentin des EVA ein Anliegen, „Safer Spaces“ zu schaffen. Räume, in denen alle Teilnehmenden „die Möglichkeit haben, sich ohne Angst vor Diskriminierung oder anderen Formen von Gewalt und Ausgrenzung auszudrücken, wo Menschen sich sicher und wohl fühlen können. Wo sie miteinander respekt- und verständnisvoll über ihre Identität und Erfahrung sprechen". Zudem tritt sie vernehmlich öffentlich für Diversität und Respekt auf, zum Beispiel bei der Kundgebung zum Christopher Street Day (CSD) am Samstag, 19. Juli, in der Frankfurter Innenstadt. Im Juni war Gettikh beim Dyke*March Frankfurt unterwegs. Die Kundgebung geht auf eine in den achtziger Jahren im kanadischen Vancouver entstandene Initiative zurück, sie steht ebenfalls für Diversität .

Für Vielfalt, für Queerness durch die Straßen zu ziehen, war in Anastasia Gettikhs Jugend schwer denkbar und angstbelastet. Seit 2018 lebt die 32-Jährige in Frankfurt, aufgewachsen ist sie in Russland. In Moskau oder Petersburg gab es in ihrer Jugend Pride Paraden, aber „das war für mich zu gefährlich“. Als „Spätaussiedlerin“ kam Gettikh nach Deutschland, mit Abschlüssen in Tourismus und Sozialkulturellem Service in der Tasche.

Wichtig ist es ihr, intersektional zu arbeiten, Bereiche übergreifend. Es gebe das Klischee, das Frauenbegegnungszentrum sei für „weiße deutsche Frauen da“, die Wirklichkeit des EVA ist eine andere. Anastasia Gettikh nennt die Angebote für FLINTA – für Frauen, Lesben, Inter-, nichtbinäre, trans- und agender Personen. Am Herzen liegen ihr die afrodiasporischen Angebote, Rückzugsräume, sowohl Safer Spaces als auch inklusive Veranstaltungen, in denen Vielfalt keine Worthülse, sondern Realität ist. Anastasia Gettikh hat die Erfahrung gemacht, dass russischsprachige Offerten, etwa für geflüchtete Ukrainerinnen, die in der Sprache in der Regel firm sind, für Selbstbewusstsein und Teilhabe sorgen. Nachdem sie das EVA bei muttersprachlichen Angeboten kennenlernten, „kommen sie im nächsten Schritt zu den Veranstaltungen für alle“.

Roman Richter vom Bunten Büro der Diakonie Bergstraße I Foto: privat
Roman Richter vom Bunten Büro der Diakonie Bergstraße I Foto: privat

Das Motto des CSD Frankfurt „Nie wieder still, Frankfurt ist laut“ greift auch der evangelische Truck auf. „Glaube.Liebe.Laut.“ steht auf dem >> Banner des Lastwagens. Das Vorbereitungsteam aus Evangelischem Stadtdekanat und Evangelischem Regionalverband Frankfurt und Offenbach, Evangelischem Verein für Innere Mission Frankfurt am Main, Diakonie Hessen, Regionaler Diakonie Hessen-Nassau und Agaplesion Frankfurter Diakonie Kliniken war sich einig, es ist Zeit, das Motto aufzugreifen. „In diesem Jahr ist noch mal deutlicher geworden, der Druck wächst, wir müssen laut sein“, sagt Roman Richter vom Bunten Büro der Regionalen Diakonie Bergstraße. Um „rote Linien“ gehe es inzwischen, meint der 31 Jahre alte Pädagoge und Bildungswissenschaftler. „Nie wieder still“, sei angebracht. Arbeitsschwerpunkte des in Lampertheim ansässigen Bunten Büros sind: Beratung und Vernetzung für Ratsuchende, Know-how für Multiplikator:innen, Kooperationen mit regionalen Akteur:innen in privaten und öffentlichen Räumen, Interessenvertretung und Sichtbarkeit von queeren Themen im ländlichen Raum, Antidiskriminierungsarbeit. Einzelberatungen, Infoveranstaltungen in Schulen, Fortbildungen für Lehrkräfte, Social-Media-Aktivtitäten setzt das Bunte Büro beispielsweise ein, um einzelne zu ermutigen, Wissen über Entwicklungen und Diversität zu verbreiten. Richter ist unter anderem Koordinator eines stetig wachsenden Arbeitskreises von 70 Personen aus dem schulisch, pädagogischen Bereich. „Ich bin stolz auf diese Stelle“, sagt Richter, „und dass Kirche sich was traut“. Bundesweit könnte es noch mehr solcher Einrichtungen geben.

Für den Verantwortlichen des Bunten Büros ist es wichtig, dass die Regenbogenfahne vielerorten weht, „sie gibt uns Sicherheit“ – und Sichtbarkeit, so wie der CSD.


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Bettina Behler 370 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach