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Ein Übungsraum gegen die Einsamkeit

„landunter“ ist die evangelische Mailseelsorge von jungen Leuten für junge Leute.

Die Theologin Julia Piretzis (29) leitet „landunter“ – die Mailseelsorge von und für junge Menschen. |
Die Theologin Julia Piretzis (29) leitet „landunter“ – die Mailseelsorge von und für junge Menschen. | Bild: Susanne Schmidt-Lüer

Land unter – den Begriff kennen alle. Auch wenn Jugendliche das heute nicht mehr so sagen würden, wissen sie genau, was gemeint ist. Land unter das heißt, „ich weiß nicht wie es weitergehen soll“, „mir ist alles zu viel“, „ich habe niemanden, mit dem ich reden kann“. „landunter“, so heißt die Mailseelsorge der evangelischen jugend-kultur-kirche sankt peter von jungen Menschen für junge Menschen. 100 Prozent anonym, kostenlos, vertraulich, datengeschützt. Leiterin ist die 29-jährige Theologin Julia Piretzis. Sie kann sich gut in die 14-25-Jährigen hineinversetzen, die an das Seelsorgeportal eine Nachricht senden. Viele schreiben, wie einsam sie sich manchmal fühlen, auch in einer Gruppe. „landunter“, so ist das Versprechen, antwortet ihnen binnen 48 Stunden.

1000 Follower:innen, aber niemand zum Reden
Julia Piretzis wählt dann unter den ehrenamtlichen Seelsorgenden, die selbst zwischen 20 und 26 Jahre alt sind, eine Person, die antwortet und Ansprechpartner:in bleibt. Die Seelsorgenden sind mit ihrer Lebensrealität nah an den Schreibenden, kennen die Gefühle und Erlebnisse aus eigener Erfahrung. „In ihren Antworten vermitteln sie, dass niemand allein ist, weil auch andere so empfinden, dass alles, was jemand fühlt, normal ist, und dass sie das Problem verstehen.“ Julia Piretzis sagt, bei „landunter“ melden sich junge Menschen, die vor allem auf Social Media gut vernetzt sind, aber trotz vieler Freunde und Follower niemanden zum Reden haben. Keiner will wissen, wie es ihnen wirklich geht. Das führt dazu, dass viele sich sogar in einer Gruppe einsam fühlen, während sie gleichzeitig das Gefühl haben, dass es Gleichaltrigen leichtfällt, sich in Gruppen zu bewegen. Vor allem nach dem Lockdown tun sich junge Menschen oft schwer, soziale Kontakte verbindlich zu halten.

Wieder Worte für die eigenen Gefühle finden
„Nicht nur die Kontakte auf Social Media sind sehr oberflächlich, auch der emotionale Wortschatz ist ziemlich klein geworden“, sagt die Theologin. Sie begleitet die Ausbildungskurse für junge Leute in sankt peter, die Seelsorger*innen bei „landunter“ werden wollen: „Wer sich bei uns für eine Ausbildung meldet, bringt oft schon ein eigenes Päckchen mit und verfügt damit über ein Empathie-Gefühl und soziale Intelligenz. Trotzdem ist das konkrete in Wortefassen, was sie fühlen, ein Lernprozess, der sie anfangs irritiert.“ Und wie halten die jungen Seelsorger*innen trotz40 Stunden Ausbildungskurs die eingehenden Nachrichten aus? Manche können abschalten, manche nehmen das Erfahrene mit ins Bett. Piretzis achtet darauf, dass möglichst niemand ein Thema übernimmt, das die Person triggert. Alle sechs Wochen gibt es Supervision, zur Selbstfürsorge.

Hier kann ich mich öffnen, keiner lacht über mich
„landunter“ bietet den jungen Ratsuchenden die Möglichkeit, lange mit einer zuständigen Vertrauensperson im Kontakt zu sein. Manche melden sich mehrere Jahre immer wieder und üben dadurch auch, „eine Beziehung in einem schamfreien Raum aufzubauen. Wir sind ein Übungsraum für funktionierende Kommunikation.“ Was die 29-jährige Piretzis selbst unter Einsamkeit versteht? „Ein schmerzhaftes Gefühl der Leere und Überforderung.“ In der Mailseelsorge lernen junge Menschen, „wieder zu vertrauen. Erstmal nur der einen Person ohne Namen und Gesicht. Aber sie wissen, es ist 100 Prozent Verlass darauf, dass eine Antwort kommt und keiner über sie lacht. Sie werden ernst genommen und begleitet.“ Wer die Erfahrung machen konnte, ‚es hat mir etwas gebracht, mich zu öffnen‘ wird so ermutigt, auch im Alltag vertrauensvolle Beziehungen neu zu knüpfen und sich über Ängste und Nöte auszutauschen.
www.landunter.org

Mailseelsorge
Schon seit mehreren Jahren bietet die jugend-kultur-kirche sankt peter Seelsorge von jungen Menschen für junge Menschen an. Das Konzept startete vor gut zehn Jahren zunächst mit der Idee eines persönlichen Kontakts zu festen Zeiten in sankt peter. Es wandelte sich jedoch schnell zu einem Onlineseelsorgeangebot, das junge Menschen jederzeit nutzen können.

Seit Oktober 2024 fungiert es unter dem Namen „landunter“. 20 gut ausgebildete ehrenamtliche Seelsorger*innen werfen seitdem Rettungsringe von jungen Menschen zu jungen Menschen, die sich bei „landunter“ melden. Es ist deutschlandweit eines der wenigen Formate, die auf diese Weise auf Augenhöhe junge Menschen ansprechen

Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“
Die bundesweite Aktionswoche vom 26. Mai bis 1. Juni 2025 möchte für das Thema Einsamkeit sensibilisieren und auf Angebote vor Ort hinweisen. Sie ist Teil der Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit und richtet sich an Menschen aller Altersklassen.


Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.