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Kirchentag: „Heute sind die Menschen sehr divers in ihren Interessen“

Vom 19. bis 23. Juni ist der Evangelische Kirchentag in Dortmund, 2021 gibt es einen Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt. Die Frankfurterin Renate Ehlers (64), Journalistin und Mathematikerin, gehört den beiden Präsidien an, die diese Groß-Events vorbereiten. In ihrer Gemeinde in Bockenheim ist sie im Kirchenvorstand und unter anderem in der Flüchtlingshilfe aktiv.

Die Frankfurterin Renate Ehlers bereitet als Präsidiumsmitglied die Kirchentage in Dortmund (19. bis 23. Juni 2019) und Frankfurt (12. bis 16. Mai 2021)  mit vor. | Foto: Rolf Oeser
Die Frankfurterin Renate Ehlers bereitet als Präsidiumsmitglied die Kirchentage in Dortmund (19. bis 23. Juni 2019) und Frankfurt (12. bis 16. Mai 2021) mit vor. | Foto: Rolf Oeser

Frau Ehlers, wer geht denn eigentlich heutzutage zum Kirchentag?

Ganz viele unterschiedliche Menschen. Eine große Gruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene, daran hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wenig geändert. Gerne kommen auch ältere Menschen. Ein kleines Problem haben wir mit dem mittleren Alter: Wer zwischen 35 und 50 Jahre alt ist, hat wenig Zeit, um zum Kirchentag zu reisen, ist beruflich oft stark eingespannt. Auch politisch decken die Besucherinnen und Besucher ein breites Spektrum ab. Mitglieder evangelikaler Gemeinden sind ebenso vertreten wie linke Gruppen.

Was ist denn in diesem Jahr das große Thema?

Das ist etwas, was die Kirchentage heute von denen früherer Jahrzehnte unterscheidet. Es gibt nicht mehr das eine große Thema. Diese überwältigend großen Themen gab es in den 1970ern und 1980ern. Da standen zum Beispiel Abrüstung und die Anti-Apartheid-Bewegung sehr im Zentrum der Kirchentage. Heute sind die Menschen sehr divers in ihren Interessen. Ich finde das aber gut.

Die Losung für Dortmund lautet „Was für ein Vertrauen“. Das lässt Raum für eine Vielzahl von Themen. Welche zum Beispiel?

Die Losung greift das Gefühl vieler Menschen auf, heute nicht mehr richtig vertrauen zu können. Das Vertrauen in die Demokratie sinkt, genau wie das Vertrauen in die großen Institutionen. Und über allem hängt das große Damoklesschwert Klimawandel. Es wird viel um Rechtspopulismus in aller Welt gehen – und es wird ein großes Zentrum „Stadt und Umwelt“ geben. Natürlich werden wir auch deutsche Vertreterinnen und Vertreter der Fridays-for-Future-Bewegung einladen. Migration wird ein roter Faden sein. Eine Veranstaltung heißt „Antisemitismus – hört das denn nie auf?“ Es wird wieder ein Regenbogenzentrum und ein Barcamp mit dem Titel „Das soll doch noch gesagt werden dürfen!“ geben, dabei geht es um all die Dinge, die laut AfD-Anhängern angeblich nicht gesagt werden dürfen.

Ein Barcamp auf dem Kirchentag?

Genau. Wir experimentieren viel mit neuen Partizipations-Formaten. Ein Barcamp ist eine Tagung mit offenen Workshops, deren Inhalte und Ablauf von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu Beginn der Tagung selbst entwickelt und im weiteren Verlauf gestaltet werden. Auch große Planspiele werden wir anbieten, zum Beispiel zur Seenotrettung Geflüchteter im Mittelmeer. Dabei ist für die digitale Generation das Beisammensein so vieler echter Menschen ja schon ein Event an sich.

Das müssen Sie erklären.

Es ist nicht so einfach wie im Internet, eine Hasstirade loszulassen, wenn man mit Menschen von Angesicht zu Angesicht spricht. Und genau darum geht es bei einem Kirchentag. Es wird bei den mehr als 2000 Veranstaltungen und Podien wohl wie immer sehr hart, aber zivilisiert diskutiert werden. Das ist der Unterschied zum virtuellen Raum. Wir schließen niemanden aus, haben aber beschlossen, keine Funktionsträger der AfD auf Podien zuzulassen. Das hat mit dem erneuten Rechtsruck der Partei zu tun. Menschen, die mit bestimmten Positionen der AfD sympathisieren, sind natürlich eingeladen, dabei zu sein und mit uns zu diskutieren.

Der Kirchentag in Frankfurt wird der dritte ökumenische sein. Was ist da anders?

Es treffen schon bei der Vorbereitung Kulturen aufeinander. Das fängt bei der Losung an. Bei den Katholikentagen heißt sie „Leitwort“. Da haben wir uns letztlich für den Begriff des Leitworts entschieden. Kirchen- und Katholikentage unterscheiden sich in einigen Punkten sehr. Bei den Katholiken sind etwa kirchliche Amtsträger viel stärker präsent. Die Stimmung dagegen ist ähnlich. Es gibt Bibelarbeiten, Konzerte, Partys und kontroverse Podiumsdiskussionen. Wir wollen uns aber nicht auf das Trennende konzentrieren. Sondern auf die Gemeinsamkeiten.

Zum Beispiel?

Schon im gemeinsamen Grundlagenpapier haben wir geschrieben, dass wir uns danach sehnen, gemeinsam Abendmahl zu feiern. Unsere Hoffnung ist, dass evangelische und katholische Christinnen und Christen in Zukunft nicht begründen müssen, warum sie etwas zusammen machen – sondern im Gegenteil, warum etwas getrennt stattfinden soll.


Autorin

Anne Lemhöfer 139 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de

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