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Maria aus Syrien freut sich auf die Kalbacher Grundschulzeit

Familien hoffen auf verlängerten Verbleib der Flüchtlingsunterkunft in Bonames, damit ihre Kinder Kontinutität im Klassenzimmer erleben.

Die Schwestern Maria (re.) und Mariam besuchen jetzt gemeinsam die Grundschule  |  Foto: Bettina Behler
Die Schwestern Maria (re.) und Mariam besuchen jetzt gemeinsam die Grundschule | Foto: Bettina Behler

Rosa schimmert die Schultüte, übersät ist sie von Glitzerpunkten in Pink. Sorgsam holt die acht Jahre alte Mariam sie herunter, klebt schnell fürs Foto noch die Hello Kitty Figur auf die Tüte, schließlich soll ihre kleine Schwester Maria gut aussehen für das Foto anlässlich ihres ersten Schultags. Mariam hätte Grund, eifersüchtig zu sein. Für sie gab es keine Schultüte. Alles musste schnell gehen, als sie im Dezember 2016 im Zuge der Familienzusammenführung nach Frankfurt kam. Inzwischen ist sie Drittklässlerin, gerne geht die älteste der drei Moradkinder von der Flüchtlingsunterkunft in Bonames aus zur Schule. Auf Herrn Ritter, ihren Lehrer, lässt sie nichts kommen.

Im Juni 2016 übernahm das Diakonische Werk des Evangelischen Regionalverbandes im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main die neue Flüchtlingsunterkunft unweit des Alten Flugplatzes. Skepsis wurde im Vorfeld laut: Was wird aus dem Naturschutzgebiet? Wie wirkt sich die Ansiedlung auf die Bewirtschaftung des Tower Cafés aus? In informellen Runden, aber auch in den Ortsbeiräten gab es kritische Stimmen. Nun haben der Ortsbeirat 12 (Kalbach, Riedberg) und der Ortsbeirat 10 (Berkersheim, Bonames, Eckenheim, Frankfurter Berg, Preungesheim) den Verbleib der Unterkunft über den 31. Dezember 2018 hinaus befürwortet. Sabine Kalinock, Leiterin des Arbeitsbereichs Flüchtlingsbetreuung der Diakonie, hofft, dass die 64 Familien, die auf dem Areal leben, bis Ende 2021 bleiben können. So könnte Mariam hier auch ihre Grundschulzeit beenden: „Gute Voraussetzungen für ihre weitere schulische Laufbahn“, sagt Kalinock.

Mehr als eine Unterkunft auf Zeit
Sicher wird es bei einer Verlängerung in den nächsten zwei, drei Jahren Wechsel in der Unterkunft geben. Aber Wohnraum ist knapp und teuer in Frankfurt. Den vor allem aus Syrien und Afghanistan kommenden Geflüchteten, die auf dem Gelände des Alten Flughafens leben, fällt es schwer, auf dem freien Markt etwas zu finden. Viele der Familien haben sich in den Wohnungen, die in Containerbauweise errichtet wurden, eingerichtet. Ein großes Ledersofa dominiert den Wohnraum der Morads, zwischen Eltern- und Kinderschlafzimmer hängt der Familienkalender, eine kleine Küchenecke muss reichen. In Damaskus hatte Vater Morad einen florierenden Frisiersalon, eine lange Fluchtgeschichte, anderthalb Jahre im Irak, drei Jahre in der Türkei, liegen hinter der Familie. Khaled Morad deutet auf seine Beine, zu Fuß machte er sich auf 2015, die Familie kam nach.

Ein Plausch mit den Nachbarn gehört zum Alltag zwischen den zweistöckigen Häusern auf Zeit. Vor allem die Jungen seien in umliegenden Sportvereinen aktiv, erzählt Sabine Kalinock, aber auch einige der Mädchen. Besuche bei Verwandten oder Bekannten in anderen Stadtteilen seien üblich. Die Familien machten viel gemeinsam, aber getaktete Freizeitaktivitäten nach Kindergusto, „das ist typisch Deutsch“, sagt Unterkunftsleiterin Kirsten Langmaack. 

Eng vernetzt mit der Schule
Die Schule in Kalbach hat sich auf die Nachbarschaft eingerichtet. Deutschförderung gehört jeden Tag dazu. Die erweiterte schulische Betreuung, die von 11.30 Uhr bis 16.30 Uhr angeboten wird, wurde zum neuen Schuljahr noch einmal ausgebaut, „die haben zwanzig zusätzliche Plätze genehmigt bekommen, auch für unsere Kinder“, erzählt Langmaack. Inzwischen läuft das in geregelten Bahnen, aber vor zwei Jahren habe die Schule ganz spontan alle Kinder aus der Unterkunft in das Nachmittagsprogramm aufgenommen, so Kalinock.

Die Unterkunft stellt seit Längerem einzelne Mitarbeitende ab zur Unterstützung der erweiterten schulischen Betreuung, Kirsten Langmaack nimmt regelmäßig an der Schulkonferenz in Kalbach teil, sie besucht auch die Fachkonferenz Deutsch: „Ich will von jedem Kind wissen, was es für einen Unterstützungsbedarf hat.“ Dann kann sie überlegen, ob es im Kreis der Ehrenamtlichen Leute gibt, die hier Hilfestellung leisten können. Lesepaten unterstützen in Bonames beim schulischen Einstieg, andere Ehrenamtliche halten es mehr mit Mathe. Auch ältere Schüler bekommen Förderung, wenn es zum Beispiel darum geht, einen Schulabschluss zu schaffen.

Insgesamt zehn Kinder wurden heute eingeschult, sechs davon in Kalbach, zwei besuchen die Riedberggrundschule, zwei kamen in die gleichfalls in dem Neubauquartier gelegene Marie-Curie-Schule. „Das hängt auch davon ab, ob schon Geschwisterkinder da sind“, erläutert Sabine Kalinock. So war es für Maria Morad schon seit langem klar, dass sie im Anschluss an ihre Kindergartenzeit zur großen Schwester nach Kalbach kommen wird.

Den neuen Scoutranzen, er stammt aus einer Spendenaktion der Arbeiterwohlfahrt, zeigt sie stolz. Mäppchen, Turnbeutel, alles ist vorhanden. „Klar gibt es Modelle in Rosa und Hellblau“, sagt Langmaack und lacht. Maria hat sich für ein pink, blaues Modell entschieden. Pferde stürmen vor blauem Himmel hinaus.


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Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach

1 Kommentar

7. September 2018 14:46 Stefan Müller

Die Liegenschaft am Alten Flugplatz hat sich für die Unterbringung geflüchteter Menschen bewährt. Erwartete negative Auswirkungen auf Flora und Fauna sowie die Vermutung der Isolation der Geflüchteten haben sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: unter der Trägerschaft der Diakonie Frankfurt am Main und mit einer Vielzahl begleitender Maßnahmen ist die Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden und eine gute Nachbarschaft entstanden. Die Geflüchteten erfahren hier soziale, gesellschaftliche sowie umwelt- und naturschutzthematische Teilhabe und Sensibilisierung. Deshalb haben wir den Magistrat gebeten, zu prüfen und zu berichten, ob die bestehende Liegenschaft am Alten Flugplatz Bonames/Kalbach auch über den 1. Januar 2019 hinaus, Aufrecht erhalten werden kann. Stefan Müller, Ortsbeirat 12 (Kalbach-Riedberg)

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