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"Gott steht bei denen, die ausgegrenzt, niedergedrückt, vom Leben überwältigt werden"

Die Osterbotschaft von Stadtdekan Holger Kamlah von der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach.

Stadtdekan Holger Kamlah
Stadtdekan Holger Kamlah

Liebe Leserin, lieber Leser,
wir leben in "ver-rückten" Zeiten. Wer seine Nachrichten-App öffnet, die Zeitung liest oder die Nachrichten schaut, reibt sich nicht selten verwundert die Augen. Vieles scheint nicht mehr an dem Platz zu sein, an dem wir gewohnt waren, es vorzufinden. Aus langjährigen Partnern werden plötzlich Gegner, eine Kultur der Kompromisssuche wird ersetzt durch das Recht des Stärkeren, und denen, die anders denken wird, gerne alles Mögliche an den Hals gewünscht. Vielleicht geht es Ihnen wie mir. Ich habe meinen Medienkonsum eingeschränkt, weil ich Mühe habe, mir von diesen ganzen Nachrichten nicht den Tag verderben zu lassen.

Und jetzt feiern wir Ostern. Ein Fest der Freude und der Hoffnung. Das geht natürlich auch, indem man das Weltgeschehen erstmal außen vorlässt, mit der Familie zusammenkommt, für Kinder und Enkelkinder allerlei Süßigkeiten versteckt und sich daran erfreut, wie sich Kinder und Enkel mit Schokoschnuten durch den Ostersonntag naschen. Das macht allen Freude und stärkt wieder für den Alltag. Vielleicht beginnt der Ostersonntag für manche ja auch mit einem feierlichen Osterfrühgottesdienst, bei dem Kerzen in die dunkle Kirche getragen werden.

Ostern beginnt aber nicht mit Ostern, sondern mit Gründonnerstag und Karfreitag, dem Gedenken an Leiden und Sterben Jesu Christi. Im Blick auf die aktuelle Weltlage scheinen mir diese Tage gerade mehr zu sagen: Jesu Leidensweg hält uns Menschen einen Spiegel vor. Und was wir da sehen, ist nicht nur schön. Es zeigt uns, wozu wir als Menschen auch in der Lage sind. Die Nachrichten geben davon ein beredtes Beispiel. Und Jesu Leidensweg macht deutlich, auf welcher Seite Gott selbst steht: bei denen, die ausgegrenzt, niedergedrückt, vom Leben überwältigt werden. Ostern in seinem Spannungsbogen von Gründonnerstag bis Ostermontag ist auch eine Einladung zur Solidarität mit allen, die unter Räder gekommen sind.

Ich bin dankbar in einer Organisation zu arbeiten, die an so vielen Stellen genau diese Solidarität mit Leben füllt und Menschen zur Seite steht, die Unterstützung brauchen. Wir blenden alles, was einem gelungenen Leben im Wege steht, gerade nicht aus. Und an Karfreitag steht es im Zentrum. Aber dann bleiben wir da nicht stehen. Und die große Hoffnung vom Ostermorgen, dass der Stein vom Grab weggerollt worden ist, übersetzen wir in „kleinere Münze“ und helfen Menschen, ihre eigenen Steine, die sie am Leben hindern, aus dem Weg zu rollen. So lassen wir es Ostern werden, immer wieder für viele Menschen.

Ein gesegnetes Osterfest
wünscht Ihnen
Stadtdekan Holger Kamlah