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Seit 20 Jahren telefonische Hilfe bei Mobbing

Am Donnerstag 5. Juni, 18 Uhr, feiert die Mobbingkontaktstelle von katholischer und evangelischer Kirche, Deutschem Gewerkschaftsbund und Frankfurter Einzelgewerkschaften ihr Jubiläum im Haus am Dom.

Rauskommen aus der Mobbingfalle - Kirchen und Gewerkschaften helfen dabei seit 20 Jahren. I Foto: Jonas Leupe/Unsplash
Rauskommen aus der Mobbingfalle - Kirchen und Gewerkschaften helfen dabei seit 20 Jahren. I Foto: Jonas Leupe/Unsplash

Mal klingelt das Telefon den ganzen Abend nicht, mal so oft, dass die Beraterinnen und Berater kaum einen Schluck Wasser zwischen den Gesprächen trinken können. „Warum zu manchen Zeiten besonders viel los ist und zu anderen nicht, ist für uns Träger der Mobbingkontaktstelle Frankfurt-Rhein Main dabei nicht ganz leicht zu durchschauen“, sagt Gunter Volz, Pfarrer für Gesellschaftliche Verantwortung bei der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach, der seit dem Start der Mobbing-Hotline 2005 einer der Hauptverantwortlichen des Projekts ist. Nur eins ist definitiv nicht der Grund: „Wenn wenig los ist, liegt das leider nicht daran, dass es plötzlich kein Mobbing mehr gibt – auch wenn wir uns das wünschen würden.“

Seit 20 Jahren gibt es die Mobbingkontaktstelle. Am Donnerstag 5. Juni, 18 Uhr, feiert das Projekt, das eine Kooperation der beiden großen Kirchen, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Frankfurter Einzelgewerkschaften ist, das Jubiläum mit einer Veranstaltung im Haus am DomZur Feier werden die Kirchen-Leitungen und Leiter des DGB sprechen. Als Highlight präsentieren die Veranstalter den im April erschienen Mobbing-Reports des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Mitautorin Dr. Franziska Welzel wird den Gästen einen Einblick in dieses spannende Arbeitsfeld geben. Gäste sind herzlich willkommen. Anmeldung unter: anmeldung@stadtkirche-ffm.de, Stichwort „20-Jahr-Feier“.

Wie funktioniert die Mobbingkontaktstelle? Speziell ausgebildete ehrenamtliche Beraterinnen und Berater sind zu festen Zeiten telefonisch erreichbar, hören zu, helfen bei einer Ersteinschätzung und stellen weiterführende Kontaktinformationen bereit. Erreichbar ist sie unter den Telefonnummern (069) 83 00 77 12 8 und (069) 83 00 77 12 9, die jeden Dienstag und Donnerstag von 17 bis 19 Uhr besetzt sind. Einmal im Monat, an jedem zweiten Mittwoch von 18 bis 20 Uhr, gibt es einen Gesprächskreis für Betroffene.

Die Angebote finden sich auch auf der  Webseite www.mobbing-frankfurt.de. „Das ist sehr wichtig, denn wer sich aus einem Impuls heraus dazu entscheidet, Kontakt zu uns aufzunehmen, muss sofort alle Infos finden – und nicht erst Stunden später zuhause am PC“, so der Theologe Jörg Heuser, der von katholischer Seite das Projekt betreut. Begleitend dazu startete die Mobbingkontaktstelle kürzlich eine Social-Media-Aktion auf Instagram, Facebook und LinkedIn unter dem Hashtag #gegenmobbing, bei der verschiedene Fallbeispiele aus der Beratungsarbeit – natürlich anonymisiert –  vorgestellt werden. Und auch einen Flyer mit einer auffälligen Grafik, bei der freigestellte Münder einen Menschen anbrüllen, der sich die Hände vors Gesicht schlägt, gibt es. Alles, um das Angebot möglichst niedrigschwellig und möglichst breitgestreut weiter bekannt zu machen.

Oft fließen Tränen

Viele Menschen seien enorm aufgewühlt, oft fließen Tränen, wenn die Anrufer:innen ihre Geschichten erzählen. Diese Erfahrung macht auch Birgit Steinhilber, die seit 2022 zum Team der gut ausgebildeten Ehrenamtlichen gehört. „Viele Menschen wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen, wenn sie gemobbt werden“, erzählt Steinhilber, die zwar als Ehrenamtlerin dabei ist, doch als ausgebildete Sozialarbeiterin auch professionelle Erfahrung mitbringt. „Letztens fragte mich eine Frau, ob ein Betriebsrat denn der Schweigepflicht unterliege. Natürlich ist das so, aber viele kennen sich einfach nicht aus bei solchen Fragen, sind deshalb verunsichert, was sie tun sollen, und fühlen sich machtlos.“ Dabei gibt es viele Möglichkeiten, Mobbing aktiv zu begegnen – bis hin zur Anzeige gegen die Mobber, wenn ein Straftatbestand vorliegt, und natürlich auch einem Jobwechsel.

Pfarrer Gunter Volz entwickelte die Kontaktstelle Anfang der 2000er-Jahre gemeinsam mit Thomas Wagner vom Bistum Limburg, Barbara Schindler-Bäcker von der katholischen Stadtkirche Frankfurt und Ralf Wilde von ver.di Bildung und Beratung. Die Trägerstruktur mit den beiden großen Kirchen und dem DGB hat sich über 20 Jahre bewährt. Neben Jörg Heuser und Gunter Volz war Alexander Wagner vom DGB Frankfurt-Rhein-Main im Steuerungskreis, der vor kurzem leider verstarb.

„Seit den 90ern gibt es Mobbing‘ als Bezeichnung für anhaltende und systematische Schikanierung und Verdrängung vom Arbeitsplatz – ein Phänomen, das erstmals von dem Arbeitspsychologen Heinz Leymann beschrieben und erforscht wurde“, so Volz. Natürlich habe es die Problematik auch schon vorher gegeben; „vermutlich, seit es Menschen gibt.“

Annähernd 140 Menschen haben 2024 bei der Beratungsstelle angerufen, gut 80 Prozent davon sind weiblich, viele arbeiten im Dienstleistungssektor oder in sozialen Berufen. Kita, Altenpflege, Flughafen, Finanzen, Service, kirchliche Einrichtungen – das sind klassische Bereiche, in denen die Hierarchien oft flach sind und die persönlichen Grenzen ebenfalls. Auch Anfragen zu Mobbing in der Schule kommen häufiger vor, in dem Fall verweisen die Berater:innen ans staatliche Schulamt.

Gründe haben sich verändert

Der Beratungsbedarf hat sich seit Beginn nicht geändert, wohl aber die Art, wie gemobbt wird. Denn natürlich spielen das Internet allgemein und die sozialen Medien im Speziellen heute eine große Rolle. Jörg Heuser beobachtet: „Social Media, auch WhatsApp, ist beim Mobbing wie eine Echokammer für richtig niederträchtige Dinge.“ Immerhin, wird schriftlich gemobbt, gibt es wenigstens Beweise. Anders ist es beim sogenannten „kalten Mobbing“, das oft weniger sichtbar ist als das „heiße“, leidenschaftliche, aktive Mobbing. „Unter kaltem Mobbing verstehen wir zum Beispiel, wenn nicht mehr gegrüßt wird, Informationen nicht weitergegeben werden und ähnliches“, erklärt Jörg Heuser. Dementsprechend war auch der Titel einer vielbeachteten Ausstellung vor einigen Jahren im Zollamtssaal des Hauses am Dom gewählt, an der auch die Kontaktstelle beteiligt war: „Wenn keiner grüßt und alle schweigen“.

Die Gründe für Mobbing haben sich über die Jahre verändert und wandeln sich weiter: „Der massive Stellenabbau in vielen Berufsbereichen, hat großen Druck auf Mitarbeitende und Führungspersonen ausgeübt,“ sagt Pfarrer Volz In der Pandemie ging die Nachfrage merklich zurück, vielleicht, weil die Menschen sich weniger begegneten, vielleicht, weil sie andere Sorgen hatten. Zukünftig kann die technische Entwicklung, Stichwort Künstliche Intelligenz (KI), für weiteren Stellenabbau sorgen und den Druck erhöhen, was mehr Mobbing zur Folge haben könnte.

Anne Zegelman, Öffentlichkeitsarbeit, Katholische Stadtkirche


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