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Solidarität. Was die Spaltung überwindet

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Die Kundgebungen und der ökumenische Gottesdienst zum Tag der Arbeit entfallen in diesem Jahr. Themen gibt es jedoch - die beiden Stadtdekane nehmen sie zum Anlass für einen Gruß.

Gemeinsamer Gruß der Stadtdekane: der evangelische Achim Knecht (li.), der katholische Johannes zu Eltz (re.) I Foto: Rolf Oeser
Gemeinsamer Gruß der Stadtdekane: der evangelische Achim Knecht (li.), der katholische Johannes zu Eltz (re.) I Foto: Rolf Oeser

In diesem Jahr ist am 1. Mai vieles anders auf Grund der Schutzmaßnahmen angesichts der Corona-Pandemie. Achim Knecht, evangelischer Stadtdekan von Frankfurt und Offenbach, und Johannes zu Eltz, der katholische Stadtdekan Frankfurts, haben zum Tag der Arbeit einen gemeinsamen Gruß verfasst:

Corona betrifft alle Lebensbereiche, auch den diesjährigen „Tag der Arbeit“. Dieser Tag fällt nicht aus, er wird nur anders. In Frankfurt wird krisenbedingt keine Kundgebung auf dem Römerberg stattfinden. Auch das „Mahl der Arbeit“, mit dem die Stadt Frankfurt am Main die Arbeit der Gewerkschaften sowie von Personal- und Betriebsräten würdigt, wird entfallen und mit ihm der ökumenische „Gottesdienst zum Tag der Arbeit“. Er sollte in diesem Jahr unter dem Motto „Solidarität. Was die Spaltung überwindet“ stehen.

Dieses Motto bleibt auch unter den Bedingungen der Pandemie aktuell. Zuerst denken wir an alle, die erkrankt sind und sich in häuslicher Quarantäne oder im Krankenhaus befinden. Ihnen gelten unsere Sorge und unsere Fürbitte. Wir schauen ebenfalls auf die vielen Millionen Menschen weltweit, die im Zuge der Krise ihren Job verloren haben. Sie ringen um ihr wirtschaftliches Überleben. Dies ist besonders hart in Ländern, in denen es keinen oder nur einen schwach ausgebauten Sozialstaat gibt. Auch in Deutschland hat sich die Arbeitswelt in den vergangenen Wochen gravierend verändert. Eine große Zahl von Menschen ist jetzt von Kurzarbeit betroffen. Trotz staatlicher Unterstützung kämpfen Unternehmer*innen, Künstler*innen, Restaurantbetreiber*innen und viele andere in unserem Land um die nackte Existenz.

In Zeiten der Krise ist eine wirksame Verschränkung staatlicher Förderung und zivilgesellschaftlicher Unterstützung nötig, damit vor allem die Selbständigen und die von der Krise schwer betroffenen kleinen und mittleren Unternehmen eine Zukunft haben. Wir begrüßen Aktionen der Unterstützung und Solidarität, wie zum Beispiel den Kauf von Gutscheinen für Kino- und Theaterbesuche, Bestellungen bei ansonsten geschlossenen Lokalen, Teilnahme an „Sofakonzerten“ und anderen Angeboten im Netz und fordern die Bürger*innen dazu auf, rege davon Gebrauch zu machen. Ziel staatlichen Handelns muss es sein, dass aus der Corona-Krise kein Zusammenbruch des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft wird. Dies würde die Risse und Spaltungen in unserer Gesellschaft gefährlich vertiefen.

„Systemrelevanz“ ist zu einem der entscheidenden Begriffe in der Bewältigung der Corona- Krise geworden. In der Finanzkrise 2008 galt das anscheinend nur für die Großbanken. Systemrelevanz im Zuge der Corona-Krise weitet die Fragestellung: Welche wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten sind in einer Gesellschaft unverzichtbar, damit das Leben in seinen Grundfunktionen gesichert werden kann?

Heute erfahren bestimmte Berufe und Tätigkeiten eine Aufwertung. Das ist erfreulich. Pflegende erhalten jetzt endlich mehr Anerkennung; ebenso Einzelhandelskaufleute, Kassierer*innen im Supermarkt und Aushilfskräfte, die täglich die Regale auffüllen. Zu nennen sind auch die Paketboten*innen; ebenso die Landwirte*innen und Erntehelfer*innen aus Osteuropa. Die neue Wertschätzung und gesteigerte Anerkennung für diese Berufe sollte auch für die Zeit nach der Krise gelten. Sie sollte sich nicht nur in einmaligen Bonuszahlungen, sondern auch in tarifvertraglich geregelter Bezahlung für menschenwürdige Pflege und existenzsichernden Löhnen für Paket- und Zustelldienste ausdrücken. Außerdem bedarf es angemessener Preise für Nahrungsmittel, von denen die in der Landwirtschaft Tätigen auskömmlich leben können.

Das Motto des DGB für den „Tag der Arbeit“ im Jahr 2020 lautet: „Solidarisch ist man nicht alleine“. Die beiden Kirchen machen sich dieses Wort zu eigen. Denn auch wir wissen: keine/-r lebt für sich selbst. Für Christ*innen ist Solidarität die Praxis der Nächstenliebe. Das biblische Gleichnis vom barmherzigen Samariter ist für uns eine Verpflichtung, denen zu helfen, die plötzlich und unerwartet in existentielle Not geraten sind. Verantwortung füreinander, ein verlässlicher Sozialstaat sowie das Eintreten für gerechte Arbeits- und Lebensverhältnisse weltweit sind wichtig, um gut aus der Krise herauszukommen. Deshalb kommt es jetzt darauf an, dass Solidarität gestärkt wird. In diesem Sinne wünschen wir dem DGB für seine Aktivitäten „in neuer und ungewohnter Form“ gutes Gelingen und Gottes Segen.

Dr. Achim Knecht

Dr. Johannes zu Eltz


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