Konsequenzen aus der ForuM-Studie zum Thema „sexualisierte Gewalt“ und das Reformprogramm „ekhn2030“
Auf ihrer Tagung am 12. Februar 2025 im Frankfurter Dominikanerkloster hat die Stadtsynode der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach ein Maßnahmenpaket zum Thema „sexualisierte Gewalt“ beschlossen. Diese basieren auf dem Abschlussbericht einer Arbeitsgruppe von Mitarbeitenden aus Regionalverband und Stadtdekanat, der den Delegierten auf der Tagung von Pfarrer Gunter Volz, Evangelisches Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach, Monika Heil, Qualitätsmanagementbeauftragte im Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach (ERV), Marko Schäfer, Präventionsbeauftragter und Referent im Stadtjugendpfarramt, sowie Markus Eisele, Theologischer Geschäftsführer des ERV und Diakoniepfarrer, vorgestellt wurde. In dem 73 Seiten umfassenden Bericht empfiehlt die Arbeitsgruppe gezielte Maßnahmen, um das „Unsagbare sagbar zu machen“ und eine umfassende Sensibilisierung für (sexualisierte) Gewalt, Macht- und Abhängigkeitsstrukturen auf allen Ebenen verpflichtend und regelmäßig zu thematisieren. Ebenso müsse die Auseinandersetzung mit Täterstrategien ein fester Bestandteil der Schulung von Mitarbeitenden werden. Dazu gehören unter anderem das Erkennen von Manipulation, Machtmissbrauch, das Einfordern von Gehorsam, das Schaffen von Geheimnissen, Einschmeicheln, Sonderbehandlungen, schrittweise Grenzüberschreitungen, Drohungen, Schuldzuweisungen, Verschleierung und Vertuschung, sowie das Diffamieren und Bloßstellen von Opfern. Ebenso wichtig sei es, die Glaubwürdigkeit der Betroffenen nicht in Frage zu stellen und die Verharmlosung von Taten zu verhindern. Dazu schlägt die Arbeitsgruppe in ihrem Bericht den Aufbau eines systematischen Wissens- und Kompetenzmanagements vor, die Einrichtung einer Fach- und Koordinierungsstelle zum Gewaltschutz, sowie die flächendeckende Einführung eines Qualitätsmanagements. Die größten Herausforderungen für den Evangelischen Regionalverband und das Stadtdekanat seien, flächendeckend Wissen und Schutzstrukturen zu etablieren und die Gefährdungspotenziale klar zu benennen. Der Vorstand von Stadtdekanat und Regionalverband wurde in dem Beschluss beauftragt, „dafür Sorge zu tragen, dass die Empfehlungen des Berichts in enger Abstimmung mit Betroffenenvertreter:innen und den beauftragten Stellen in Kirche und Diakonie umgesetzt werden“.
Auslöser für die Bildung der Arbeitsgruppe waren die Ergebnisse der so genannten „ForuM-Studie“ zur sexualisierten Gewalt in Kirche und Diakonie aus dem vergangenen Jahr. Diese hatte ein jahrzehntelanges Versagen der evangelischen Kirche und der Diakonie auf allen Ebenen und in allen Landeskirchen offengelegt. Betroffene Personen seien nicht gehört worden, Taten nicht aufgearbeitet, Täter geschützt und Verantwortung nicht übernommen worden. Sexualisierte Gewalt gehöre zur Realität der evangelischen Kirche und der Diakonie, hieß es in der Studie.
Als Reaktion darauf hatten der Evangelische Regionalverband und das Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach eine Projektgruppe unter externer Moderation beauftragt, die Ergebnisse der ForuM-Studie zu analysieren und mit der Situation im Evangelischen Regionalverband und Stadtdekanat abzugleichen. Das Ergebnis zeige, dass sexualisierte Gewalt in vielen Kirchengemeinden und Einrichtungen noch nicht ausreichend thematisiert werde. Besonders im Bereich der Evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder, wo umfassende Gewaltschutzkonzepte bereits vorhanden sind, seien Fortschritte erzielt worden. In vielen anderen Bereichen herrsche noch die Vorstellung, dass „das bei uns nicht passiert“. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass der Handlungsbedarf häufig erst als akut wahrgenommen wird, wenn ein konkreter Vorfall auftritt. Doch es brauche in allen Kirchengemeinden und Einrichtungen eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt, um eine Kulturänderung einzuleiten.
Prodekanin Stefanie Brauer-Noss zu den Herausforderungen des Reformprozesses „ekhn2030“
In ihrem Jahresbericht dankte Prodekanin Stefanie Brauer-Noss den Vertreterinnen und Vertretern der Kirchengemeinden in Frankfurt und Offenbach für ihr Engagement und die Verantwortung, die diese übernehmen in schwierigen Zeiten. Besonders der Reformprozess „ekhn2030“ stelle die Kirchengemeinden vor viele Herausforderungen: Die Stellenpläne, die Bildung von Nachbarschaftsräumen und Verkündigungsteams und die Reduzierung des Gebäudebestands. „Die große Herausforderung in all den Entscheidungen des letzten Jahres und auch der kommenden Jahre ist: wir leben in einem ,Noch nicht, aber dann‘“, so brachte es die Prodekanin auf den Punkt. „Jetzt sind unsere Häuser voll“, so beschrieben viele Gemeinden den gegenwärtigen Zustand. „Aber wieviel wird da noch sein in 10 bis 15 Jahren? Das ist die Frage, die wir uns heute mit Blick auf den Gebäudeentwicklungsplan stellen müssen. Was wird dann sein? Was brauchen wir dann noch? Wofür reicht das Geld und auch wofür werden unsere ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräfte reichen?“, fragte Stefanie Brauer-Noss. Zu erwarten sei, dass auch in Zukunft nicht nur die Zahl der Kirchenmitglieder, sondern auch die der Ehrenamtlichen weiter sinken werde. „Deshalb ist es so wichtig, die Strukturen diesen neuen Gegebenheiten anzupassen“, appellierte die Prodekanin. Da es jetzt noch Kapazitäten gebe, sei es zum Beispiel wichtig, Gottesdienstprogramme gemeinsam und mit echten Konzepten in den Nachbarschaftsräumen zu entwickeln, Konfirmand:innen-Arbeit gemeinsam zu gestalten, oder Chöre zusammenzulegen. „Unsere Kräfte zusammentun, zusammen feiern, zusammen singen, zusammen unsere Ideen in den Raum geben und dann nicht nur die Dinge bewahren, sondern Raum schaffen, um Neues auszuprobieren“, sei entscheidend.