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Unterm Kaffeewärmer lässt es sich reimen

Seit den achtziger Jahren hält der Theologe Jürgen Reichel-Odié Büttenpredigten. Die am 23. Februar in der Friedenskirche im Gallus soll die letzte sein.

Jürgen Reichel-Odié: Macht einmal im Jahr die Kanzel zur Bütt I Foto: privat
Jürgen Reichel-Odié: Macht einmal im Jahr die Kanzel zur Bütt I Foto: privat

Am 23. Februar verwandelt Jürgen Reichel-Odié noch einmal die Kanzel zur Bütt und hält in der Friedenskirche eine „Fastnachtspredigt“. Allen Ernstes – zumindest was die Perikopenordnung angeht, die die Bibelstellen für diesen Sonntag regelt. In diesem Jahr geht es in dem Gottesdienst im Gallus um Lukas 18,31 – 43: Zum einen wird in dem Abschnitt Jesu Leiden und Auferstehung angekündigt, zum anderen die Heilung des Blinden in Jericho geschildert. Reichel-Odié wird dazu gewiss Überraschendes reimen.

„Der letzte Sonntag vor der Passionszeit“ sagen die einen zu „Estomihi“, Fastnachtssonntag die anderen. Das klingt auf Anhieb mehr nach Narretei, tatsächlich erinnert es an die Wurzeln dessen, was an Fasching, Fastnacht, Karneval gefeiert wird. Von der „Fünften Jahreszeit“ war dem früheren Dekan von Frankfurt-Süd nicht an der Wiege gesungen worden. „Ich bin ein richtiges Nordlicht,“ erzählt der demnächst 75-Jährige, er kommt aus Bremerhaven.

In den Achtzigern arbeitete Reichel-Odié an einer beruflichen Schule in Offenbach. An Rosenmontag und Fastnachtsdienstag, „da kann man mit den Schülern nichts anfangen“. Ihm kam die Idee, die Jugendlichen zu beauftragen, eine Büttenrede zu schreiben. Da der Theologe derweil nicht Däumchen drehen wollte, habe er sich auch ans Reimen gemacht. Die Knittelverse, „das ging mir ganz gut von der Hand“. Außerdem: In Versform lasse sich manches sagen, was einem Lehrer, Pfarrer oder auch Dekan nicht so einfach durchgelassen werde.

Nach seinem Wechsel in die Sachsenhäuser Ostergemeinde 1987, heute Maria-Magdalena, blieb es beim karnevalistischen Reimen. Das Hohe Lied der Liebe hat Jürgen Reichel-Odié zur Predigt in Versform angeregt, den Propheten Amos fand er wiederholt ergiebig. 2018 zuletzt: „Dem will ich nachsinnen und dann versuchen, so kräftig wie er, nicht kastriert wie Eunuchen, sein‘ Worte in bissige Reime zu fassen, die nicht so schnell eure Herzen loslassen“, so sprach der Büttenprediger vor zwei Jahren eingangs mit Bezug auf Amos – und setzte seine traditionelle Narrenkappe auf, ein als Kaffeewärmer produzierter Elefant mit reichlich Glitter, erworben während eines Studienurlaubs in Indien. Eine blinkende Fliege gehört an Estomihi auch zum Talar.

Die Kirchengemeinde Frieden und Versöhnung hat einen legendären Ruf, was das Fastnachtfeiern angeht. 2007/2008 habe es zur Karnevalszeit zwischen Sachsenhausen und Gallus Besuch und Gegenbesuch gegeben, erzählt der frühere Dekan von Frankfurt-Süd. Nach seinem Gang in den Ruhestand, wechselte er als Büttenprediger in die Friedenskirche. Bis heute kommt aber auch der eine und die andere vom südlichen Mainufer, um Reichel-Odiés gereimten Predigten zu lauschen.

Bei den Gebeten greift der Theologe gerne auf den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch zurück, im Jahr des Reformationsjubiläums wählte er Luther pur. Bei der Liturgie wird nicht gereimt. Im Gesangbuch sucht Pfarrer Jürgen Reichel-Odié die Lieder aus, „Liebster Jesu, wir sind hier“, nimmt er zum Beispiel dieses Jahr daraus: „Das hat eine beschwingte Melodie.“ Bei allem Respekt: „Wenn der Organist beim Vor- oder Nachspiel, den Narhallamarsch anklingen lässt, das finde ich schon sehr nett.“


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Bettina Behler 297 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach

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