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Ursula Trautwein: Oskar Schindler saß häufig bei ihr am Tisch

Oskar Schindler, dem Hollywood-Regisseur Steven Spielberg ein filmisches Denkmal setzte, lebte in seinen letzten Lebensjahren verarmt und wenig beachtet in Frankfurt. Der frühere Propst Dieter Trautwein und seine Frau Ursula setzten sich dafür ein, das Wirken des Retters Tausender Juden und Jüdinnen bekannt zu machen.

Schindlers Fabrik in Brnenec - aufgenommen 2004  I Foto: Wikimedia Commons
Schindlers Fabrik in Brnenec - aufgenommen 2004 I Foto: Wikimedia Commons

Anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocausts wird am Sonntag, 27. Januar, um 13 Uhr, in den E-Kinos (Zeil 125) der Film „Schindlers Liste“ gezeigt. Die Kinos laden zusammen mit der Evangelischen Medienzentrale Frankfurt zu der Vorführung ein, die verbunden ist mit einem Zeitzeuginnengespräch. Ursula Trautwein, die den Retter Tausender Juden und Jüdinnen in dessen letzten Lebensjahren regelmäßig zu Gast hatte, wird über die Freundschaft berichten, die sie und ihr verstorbener Mann, der frühere Propst Dieter Trautwein, zu Oskar Schindler pflegten.

Durch den Film „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg aus dem Jahr 1993 wurde Oskar Schindler, der als Industrieller während des Zweiten Weltkriegs unter Einsatz seines Lebens und seines gesamten Vermögens zahlreiche jüdische Menschen vor dem sicheren Tod im Vernichtungslager Auschwitz rettete, weltberühmt. Weit weniger bekannt ist das Schicksal Oskar Schindlers nach dem Krieg. Von 1957 bis zu seinem Tod 1974 lebte er weitgehend unbekannt in Frankfurt am Main. Das Ehepaar Trautwein stieß in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in den sechziger Jahren auf den Namen „Schindler“. Zufällig sei ihr Mann zu Hause dann jemandem begegnet, der die Adresse des Retters so vieler Menschen kannte: Bahnhofsplatz 4, wie Ursula Trautwein erzählt.

In den folgenden Jahren sei Schindler oftmals bei ihnen zu Gast gewesen. Das Bild des „Lebemanns“ sei nach zwei Herzinfarkten nicht mehr so präsent gewesen – und doch habe es durchgeschimmert. Ja, dass er „ein Hasardeur“ gewesen sei, habe sich erahnen lassen. Aufgefallen sei ihr aber vor allem, wie unglaublich sensibel Schindler Situationen erfasst habe, und mit welchem Gespür er wohl die NS-Verantwortlichen damals „rumgekriegt“ habe. Trotz knapper Kasse habe sie ihn als „großzügig und freigiebig“ erlebt, erzählt Trautwein.

Ihr Mann habe Schindler 1967 bei einer Veranstaltung mit Jugendlichen als ein besonderes Beispiel für Mut präsentiert. Dem folgten eine Reihe weiterer Termine in Schulen und Gemeinden, bei denen Dieter Trautwein Oskar Schindler und sein Wirken vorstellte. In einem Buch berichtete Propst Trautwein ausführlicher über das Schicksal der so genannten „Schindler-Juden“.

Nach dem Tod ihres Mannes 2002 trat Ursula Trautwein, die sich selber unter anderem auch als SPD-Stadtverordnete und Gegnerin der südafrikanischen Apartheidspolitik engagierte, vermehrt in Schulen, im Jüdischen Museum und anderen Bildungseinrichtungen auf, um von Schindler zu erzählen. In diesen Tagen ist die 86-Jährige, die aus einer Pfarrersfamilie stammt, die sich der NS-kritischen Bekennenden Kirche angeschlossen hatte, auch auf manchem Podium anzutreffen, um aus eigener Erfahrung von Begegnungen und dem damaligen Geschehen zu berichten. „Ich bin wohl die Letzte, die Schindler noch näher kannte“, vermutet Trautwein.

Die Filmvorführung am Holocaust-Gedenktag und das anschließende Gespräch sind eine gute Gelegenheit, mehr über diesen facettenreichen, besonderen Mann, Oskar Schindler, dem so viele ihr Leben verdanken, zu erfahren. Eintritt: 9 Euro

Weiterlesen: Schindlers letzte Jahre in Frankfurt


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Bettina Behler 297 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach

3 Kommentare

18. Januar 2019 17:27 Elke Gutberlet

Gut, dass es noch Ursula Trautwein als Zeitzeugin gibt und wieder und noch einmal darauf aufmerksam machen kann. Nur so kann diese Erinnerung wach und am Leben bleiben. Und das muss sie auch!

28. Januar 2019 01:24 Susanne Pieper

Ein guter Film, leider mit der Wahrheit hintendran. Vorstellen kann man sich das nicht, das dieses so ablief, einfach unvorstellbar. Mit Menschen so umgehen, nein, nein, nein. Bitte denkt nach wie gut es uns geht. Danke an Frau Trautwein.

8. Februar 2020 10:40 cjb

Wer die Frankfurter Wohnadresse von Oskar Schindler sucht: Am Hauptbahnhof 4, das Haus an der Ecke zur Münchener Straße.

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