Ethik & Werte

Homosexualität: Konversionstherapien sind seelische Verstümmelung

Evangelikale Gemeinden kritisieren das Vorhaben von Gesundheitsminister Jens Spahn, so genannte „Konversionstherapien“ zu verbieten. Der Umgang mit Homosexualität spaltet die Christenheit noch immer. Es ist aber wichtig, dass man sich hier klar positioniert: Homosexualität ist Teil der Schöpfungsordnung und keine Sünde.

Foto: Robert von Ruggiero | Unsplash.com
Foto: Robert von Ruggiero | Unsplash.com

Ein Arzt darf einen gesunden Körper nicht verstümmeln, auch wenn es der erklärte Wille des Betroffenen ist. Wer also aufgrund einer göttlichen Eingebung oder psychischen Störung einen Arzt auffordert, ihm einen gesunden Arm zu amputieren, wird keinen Erfolg haben: Am gesunden Körper darf nicht herumgedoktert werden.

Wenn es aber nicht um den Körper, sondern um sexuelle Orientierung geht, ist die Sache nicht so klar. Immer noch sind so genannte „Konversionstherapien“ erlaubt. Das sind psychotherapeutische Methoden, bei denen versucht wird, aus homosexuellen Menschen heterosexuelle zu machen.

Gesundheitsminister Jens Spahn will solche jetzt Therapien verbieten lassen, denn, so seine Begründung: „Homosexualität ist keine Krankheit und nicht therapiebedürftig. Ich sage immer, der liebe Gott wird sich was dabei gedacht haben.“ Diese Auffassung teilen inzwischen auch viele christliche Theologinnen und Theologen. Es ist auch die offizielle Position der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Aber viele Christinnen und Christen sind eben auch immer noch anderer Ansicht. Der Deutschen Evangelischen Allianz etwa – einem Dachverband evangelikaler Gemeinden und Vereine – geht Spahns Gesetzesinitiative zu weit. Sie fordert stattdessen eine „ergebnisoffene Beratung“ um sich mit „konflikthaft erlebten homosexuellen Impulsen und Gefühlen auseinanderzusetzen“.

Ende vorigen Jahres haben die evangelischen Freikirchen eine Schrift zur Homosexualität veröffentlicht, in der sie gleichgeschlechtliches sexuelles Begehren sogar als „Symptom der Ur-Sünde“ bezeichnen. Ansgar Hösting, der Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, sagte in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt, dass diese Stellungnahme keine Empfehlung für Konversionstherapien gebe, sondern: „Wir verkünden darin das seit Jahrtausenden bekannte biblische Leitbild der Ehe zwischen Mann und Frau auf Lebenszeit. Aber wir stellen genauso klar, dass allen, die von diesem Ideal abweichen, mit Liebe und Annahme begegnet wird.“

Das klingt auf den ersten Blick gut, was es aber konkret bedeutet, wenn christliche Gemeinschaften etwas als Symptom der Sünde ansehen, ist für die Betroffenen erfahrungsgemäß auch dann problematisch, wenn diese Gruppen „Liebe und Annahme“ entgegenbringen möchten. Oftmals werden in evangelikalen Gruppen Dinge, die man für böse hält, als Ausdruck Satans im Körper oder in der Seele gedeutet – und Satan muss eben bekämpft werden.

Im Internet gibt es zahlreiche Berichte von Geisteraustreibungen und stundenlangen Gebetssitzungen. Man muss es ganz klar sagen: Das ist eine Form von psychischer Misshandlung. Sicher sind solche Praktiken nicht typisch für evangelikale Gruppen, und die meisten Freikirchen distanzieren sich ausdrücklich davon. Aber der Übergang von einer bestimmten Auffassung (etwas ist Sünde) hin zu entsprechendem Handeln (gegen Sünde muss man etwas unternehmen) ist eben fließend.

Deshalb ist der Vorstoß von Gesundheitsminister Spahn zu begrüßen: Konversionstherapien sind seelische Verstümmelung und gehören verboten. Gegen „ergebnisoffene Beratung“ ist natürlich nie etwas einzuwenden. Aber diese kann in jeder psychologischen Praxis erfolgen, wenn Betroffene das wollen.

Für die Verantwortlichen in den christlichen Kirchen macht die Debatte klar: Der Umgang mit Homosexualität spaltet den Protestantismus auch heute noch. Mit der inzwischen in Deutschland gesetzlich verankerten Gleichsetzung von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe zwischen Mann und Frau können viele Christinnen und Christen nach wie vor nichts anfangen. Hier ist noch viel Überzeugungsarbeit, auch theologische, zu leisten.

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Autor

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt und Offenbach". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.

1 Kommentar

14. Juni 2019 13:29 Holger App

Auch an gesunden Körpern wird herumgeschnippelt - das ist die Geschäftsgrundlage der Schönheitschirurgie! Mich wundert aber vor allem die behauptung, dass Konversions"therapien" legal wären. Meiner Meinung nach können Menschen, die diesen gefährlichen Unfug betreiben, schon heute bestraft werden. § 228 stellt eine Körperverletzung trotz einer "Einwilligung" unter Strafe, wenn diese gegen die "guten Sitten" verstößt. Bei der Frage, was "gute Sitten" sind, haben die Kirchen immer noch ein Wörtchen mitzureden. Daher ist Ihr Artikel wichtig - er zeigt, dass Kirche den Versuch, Menschen "umzupolen" als sittenwidrig betrachtet. Da die Opfer solcher "Therapien" immer wieder davon berichten, dass diese Versuche bei ihnen Depressionen bis hin zu suizidalen Gedanken verursachten, sehe ich den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Ziff. 5 als erfüllt - gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung.

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