Ethik & Werte

Slow Fashion: Ein Trend, der auch Spaß machen kann

Für schnelle, günstige Mode zahlen Mensch und Umwelt einen hohen Preis. Dagegen hilft: Tempo rausnehmen und kreativ werden.

Beim Workshop im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum gab es Tipps, wie sich abgelegte Kleidung in Schmuck verwandeln lässt. | Foto: Monika Müller
Beim Workshop im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum gab es Tipps, wie sich abgelegte Kleidung in Schmuck verwandeln lässt. | Foto: Monika Müller

Schauen Sie mal auf den kleinen Zettel hinten in Ihrem Oberteil – vielleicht befindet er sich auch auf der Innenseite rechts oder links unter dem Ärmel. Was sehen Sie? Kommt Ihr Oberteil aus China? Indien? Bangladesch? Dann wurde es vermutlich unter menschenrechtswidrigen Bedingungen hergestellt. Kommt es vielleicht doch aus Italien? Dann vermutlich auch. Ob das so ist, können wir oftmals gar nicht unbedingt wissen. Die Lieferketten sind komplex und schlecht durchschaubar. Trotzdem wollen die meisten Menschen nicht auf Mode verzichten – schließlich ist Kleidung für viele ein Weg, sich selbst auszudrücken.

Eine Alternative zur „Fast Fashion“-Industrie, dem Geschäft mit der schnellen Mode, bietet „Slow Fashion“. Der Begriff umfasst verschiedene Methoden, mit Mode nachhaltiger umzugehen: bewusstes Kaufverhalten, Secondhand-Mode, das „Upcyceln“ von Kleidungsstücken, also sie umzuarbeiten und aufzupeppen, oder auch faire Herstellung.

Wie nachhaltiger Modekonsum funktioniert, konnten Interessierte bei einer vierteiligen Veranstaltungsreihe „Slow Fashion Coach“ im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum Frankfurt lernen. Vormittags gab es jeweils Fachvorträge zu einem Thema – Lieferketten, Zertifizierungen von Kleidung und die Auswirkungen der Textilindustrie auf Menschenrechte und Klima. Nachmittags folgte dann ein Praxisteil mit alltagstauglichen Inspirationen – der Besuch im Secondhand-Laden, Upcycling von Kleidung, eine Kleidertauschparty. „Damit die Teilnehmerinnen nach dem Vortrag nicht sagen: Das ist so schlimm, was soll ich denn da machen?“, erläutert Mitorganisatorin Sabine Schött.

Tatsächlich sind die Fakten nicht schön: Rund 98 Euro Lohn bekommen Textilarbeiterinnen in Bangladesch pro Monat, das ist ein Viertel dessen, was zur Existenzsicherung nötig ist, wie Marijke Mulder von der Menschenrechtsorganisation Femnet e.V. erklärt. Nur so kann Kleidung in Europa so billig und für die Modekonzerne trotzdem hochprofitabel sein. 75 Prozent der Beschäftigten in der Textilindustrie seien Mädchen und Frauen. In den Fabriken seien sie oft körperlicher Gewalt und sexuellen Übergriffen ausgesetzt.

Auch die Bilder von aufgetürmten Altkleider-Bergen lassen die Teilnehmerinnen schlucken. Die Textilindustrie verursache acht bis zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen, so Mulder. Sie zeigt Fotos vom Aralsee, zwischen Kasachstan und Usbekistan gelegen, der mittlerweile fast ausgetrocknet ist. Verantwortlich dafür sei auch der Baumwollanbau in der Region: Die Herstellung einer einzigen Jeans benötigt 11.000 Liter Wasser, das sind 65 Badewannen voll.

„Ich möchte wissen, was wir hier ändern können, damit wir die Bedingungen in Indien ändern können“, sagt Workshop-Teilnehmerin Jyoti Deogam. Sie ist selbst in Indien aufgewachsen. Viele ihrer Nachbarinnen hätten dort in Textilfabriken gearbeitet, die unter anderem Kleidung für Europa produzierten.

Die Goldschmiedin Rosa Mauro gibt Tipps, wie aus abgelegter Kleidung Schmuck werden kann. Zum Beispiel zeigt sie den Frauen, wie sich alte Reißverschlüsse in Broschen, BH-Träger in Ketten und Stecknadelräder in Ohrringe verwandeln lassen. Teilnehmerin Kim Ehrentraut freut sich nicht nur über die Inspiration, sondern auch über die Gelegenheit, ungestört einige Stunden basteln zu dürfen. Sie interessiert sich vor allem dafür, was man alles aus alten BHs machen kann. „Meine Freundin arbeitet bei einer Wäschefirma, die mehrere Kilo BHs wegwerfen wollten. Ich möchte jetzt etwas daraus machen.“

So viele BHs, wie auf der Welt produziert werden, können jedoch nicht zu Schmuck upgecycelt werden. „Wir müssen alle weniger konsumieren“, mahnt Mulder. Auch die Teilnehmerinnen sind sich einig, dass Slow Fashion immer mehr zu einem Trend werden könnte, der obendrein auch Spaß machen kann.


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Monja Stolz 16 Artikel

Monja Stolz ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins.

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