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Juwele der Kirchengeschichte, Teil 26: Die Hausener Kirche

Die evangelische Kirche im Frankfurter Stadtteil Hausen wurde in den Jahren 1851/52 erbaut. Dass die Gemeinde ihre Flächen verkleinern musste, nahm sie zum Anlass, das Zusammenspiel von Kirche, Gemeindehaus und Kindertagesstätte neu zu denken und architektonisch zum Stadtteil hin zu öffnen. Das neue Ensemble wurde im September 2017 eingeweiht.

Foto: Rui Camilo
Foto: Rui Camilo

Wer durch die Tür aus der evangelischen Kirche im Frankfurter Stadtteil Hausen tritt, kann wochentags durch große Fenster Kinder auf dem Kindergarten-Spielplatz toben sehen. Der verglaste Gang ist breit genug, um ihn als kleines Café zu nutzen – eine bewusste Einladung an den Stadtteil. Zur Nordostseite der Kirche hin führt eine Tür in das wegen seiner vielen Glasflächen freundlich wirkende Gemeindezentrum mit ebenerdiger Küche, Gemeindebüro und einem Gemeinderaum. Über eine äußere Treppe im überdachten Gang ist der 80 Quadratmeter große Saal im ersten Stock zu erreichen.

Das architektonische Ensemble der verschiedenen Gebäude nach einem Entwurf des Büro HGP Architekten wurde im September 2017 eingeweiht. Die Architekt:innen ließen in die Nordwestseite der Kirche eine gläserne Rundbogen-Tür einbauen und den Zwischenraum zwischen Kirche und angrenzender Kita überdachen. Im Gegenzug wurde das frühere Gemeindehaus in der Kollwitzstraße in Westhausen aufgegeben.

Zu dem Gebäudekomplex gehört auch das barocke Pfarrhaus von 1775/76 gegenüber der Kirche auf der Südostseite. Es ist das älteste evangelische Pfarrhaus in Frankfurt und steht unter Denkmalschutz. Bis zum Zweiten Weltkrieg stand ihm als Pendant, nördlich an die Kirche angrenzend, ein Rathaus aus der Mitte des 18. Jahrhunderts gegenüber.

Das frühere Dorf Hausen gehört seit 1428 zu Frankfurt. In diesem Jahr kaufte die Stadt es den Herren von Praunheim ab. Kirchlich endete die Abhängigkeit von Praunheim erst gut 300 Jahre später, im Jahr 1772. Das Pfarrhaus wurde schon kurz nach Gemeindegründung gebaut, aber die evangelischen Gottesdienste in Hausen fanden zunächst noch im Schulhaus statt. Ihre erste Kirche erhielt die eher ärmliche Gemeinde erst 1813; sie wurde aber schon bald baufällig.

Die Hausener Kirche ist aus demselben Sandstein erbaut wie die Paulskirche. | Foto: Rui Camilo
Die Hausener Kirche ist aus demselben Sandstein erbaut wie die Paulskirche. | Foto: Rui Camilo

Die klassizistische Saalkirche aus grob behauenem rotem Sandstein – es ist Mainsandstein, wie bei der Paulskirche – und dunkler Basaltlava wurde 1851/52 gebaut, nach einem Entwurf des Bockenheimer Maurermeisters Brandt. An der Finanzierung beteiligten sich unter anderem die Frankfurter Familien Bethmann, Metzler und de Neufville. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche bei Luftangriffen schwer beschädigt und 1950/51 wiederhergestellt.

Die Kirche liegt an einer Aufweitung der Hausener Obergasse und der Straße Alt-Hausen; ihr Fassadenturm auf der westlichen Eingangsseite prägt das Ortsbild. Der Turm hat einen quadratischen Grundriss, der oberhalb einer Uhr mit großem Zifferblatt in eine oktogonale Form übergeht und von einer spitzen Haube bedeckt ist. Das Dach ist mit Schiefer gedeckt.

Eine Besonderheit ist das große kreisrunde Fenster über dem Eingang. Auf der Spitze steht ein Windkreuz mit Wetterhahn. Rundbogenfenster und Pilaster mit Tympanon (Giebeldreieick) gliedern die Fassaden. Die drei Glocken wurden 1965 von der Glocken- und Kunstgießerei Rincker hergestellt.

Den Innenraum der Kirche prägt vor allem die Wand hinter dem Altar mit einem schönen klassizistischen Orgelprospekt. Die romantische Orgel von Daniel Raßmann stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie wurde zweimal umgebaut und hat heute vierzehn Register und zwei Manuale. Der Spieltisch steht nicht vor der Orgel, sondern auf der Empore über dem Kirchraum.

Foto: Rui Camilo
Foto: Rui Camilo

Kanzel, Altartisch und Taufbecken sind relativ neu, sie wurden 2002 angeschafft und sind aus Eichenholz gefertigt. Die Kirche ist in den Originalfarben aus gebrochenem Weiß und lichtem Grau gehalten. Dazu passen Stühle mit dünnen Metallbeinen und grauer Sitzfläche, die leicht wirken und für Veranstaltungen wie Konzerte schnell umgestellt werden können.

Die Glastür auf der linken Seite des Kirchenraums ist mit sandgestrahlten Buchstaben weiß beschriftet. Es sind Zitate des Apostels Paulus, die von funktionierender Gemeinschaft handeln. Einen Teil kann man nur von außen verstehen, von innen ist der Text spiegelverkehrt. Umgekehrt kann man den anderen Teil nur von innen lesen.

Von außen liest man ein Zitat aus dem Römerbrief (12,9-18): „Eure Liebe soll aufrichtig sein. Und wie ihr das Böse hassen müsst, sollt ihr das Gute lieben. Seid in herzlicher Liebe miteinander verbunden, gegenseitige Achtung soll euer Zusammenleben bestimmen.“ Von innen sind es zwei Textabschnitte aus dem ersten Korintherbrief (12. und 14. Kapitel) „Der Körper des Menschen ist einer und besteht doch aus vielen Teilen. Aber all die vielen Teile gehören zusammen und bilden einen unteilbaren Organismus. So ist es auch mit Christus: mit der Gemeinde, die sein Leib ist. Denn wir alle […] sind in der Taufe durch denselben Geist in den einen Leib, in Christus, eingegliedert und auch alle mit demselben Geist erfüllt worden.“

Die sechs großen Rundbogenfenster wurden im zweiten Weltkrieg zerstört und beim Wiederaufbau 1950/51 gemäß der damaligen Zeit gestaltet. Das Glasstudio Derix setzte dann 2017 ein Konzept um, das die Bleiverglasungen aus der Ursprungszeit 1912 neu interpretiert: Die damaligen Rautenformen wurden in der weißen Sandstrahlbeschichtung wieder aufgenommen. Immer wieder taucht auf den Fenstern auch die Form des Kelches auf, was unter anderem eine Erinnerung daran ist, dass 2015 der Tresor mit dem wertvollen alten Abendmahlsgerät von 1785 sowie alte Kirchenbücher aus dem Gemeindehaus gestohlen wurden.

Zwischen die Rundbogenfenster wurden vier große hellblau-melierte rechteckige Flächen gesetzt, die sich auf das Lied 622 EG beziehen: „Weißt du, wo der Himmel ist, außen oder innen, eine Handbreit rechts und links."


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.