Kunst & Kultur

Die Orgel des Monats Dezember steht in der Sankt Katharinenkirche in der Frankfurter Innenstadt

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Eine technisch äußerst zuverlässige Klangschönheit ist an der Hauptwache, im Herzen Frankfurts, zu finden.

Die "Rieger-Orgel" der Katharinenkirche an der Hauptwache in Frankfurt | Foto: E. Schneider
Die "Rieger-Orgel" der Katharinenkirche an der Hauptwache in Frankfurt | Foto: E. Schneider

Im Jahr 2021 haben die Landesmusikräte die Orgel in den Fokus gerückt, das Evangelische Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach hat das zum Anlass genommen, zwölf Instrumente als „Orgel des Monats“ vorzustellen, die Reihe beschließt im Dezember die Evangelische Sankt Katharinengemeinde mit ihrer Rieger-Orgel.

Martin Lücker erläutert im Folgenden „sein Instrument", die Rieger-Orgel. Das Spiel des Organisten und der Klang des Instrumentes hat zahlreiche Fans, die die regelmäßigen „30 Minuten Orgelmusik", montags und donnerstags um 16.30 Uhr und die vielfältigen Konzerte zu schätzen wissen. Aber nicht nur die regelmäßigen Zuhörer:innen, auch andere erfreuen sich an dem Klang des Instrumentes in dem Gotteshaus an der Frankfurter Hauptwache.

Seit dem 28. Oktober 1990 kann man sie hören, die Rieger-Orgel in der evangelischen Sankt Katharinenkirche an der Frankfurter Hauptwache. „Das Vorgänger-Instrument, die Walcker-Orgel von 1954, hatte im Laufe der Jahre immer größere Mängel, zeigte Störungen im Spielapparat, die sogar zum Abbruch von Konzerten zwangen, sowie das unbefriedigende technische und klangliche Konzept, ließen einen Orgelneubau unabdingbar erscheinen“, wie der Sachverständige, Professor Reinhard Menger, in seinem Gutachten befunden hatte.

Die Stadt Frankfurt am Main, zu deren Dotationskirchenbesitz Sankt Katharinen gehört, hat sich in dieser Situation großzügig gezeigt. Aus den vorliegenden Angeboten wurde die österreichische Firma Rieger ausgewählt und erhielt Ende 1998 den Auftrag für den Neubau einer Orgel in Sankt Katharinen. Nach nur 22 Monaten Bauzeit, davon 16 Wochen in der Kirche, konnte das Instrument am 28. Oktober 1990 in einem Festgottesdienst in den Dienst genommen werden.

Diese Orgel stellt weder das stilistische Konglomerat der „Kompromiss-Orgel“ dar, noch ist sie eine der heute so beliebten Stilkopien einer älteren Richtung des Orgelbaus. Christoph Glatter-Götz, der damalige Chef von Rieger, zur Frage der Stilkopien: „Warum sollte ich zum Beispiel eine Orgel von Cavaillé-Coll nachbauen, das hat der doch viel besser gekonnt. Nein, wir bauen Rieger-Orgeln!“ Hieraus spricht nicht nur das gesunde Selbstbewusstsein des Leiters einer Weltfirma, sondern auch eine gehörige Portion Weisheit: Nur die ausgeprägte „Handschrift“ des Orgelbauers, seine Persönlichkeit, kann aus den orgelbaulichen Traditionen auswählen, was ihm gut und wünschenswert erscheint, und zu einem „organischen“ Ganzen verschmelzen; denn erst das macht die Qualität einer wirklich guten Orgel aus.

So findet man in dieser Orgel altbewährte handwerkliche Prinzipien: das selbsttragende, schwingungsfähige Gehäuse aus Massivholz, die elegante Spieltraktur ohne „neue Werkstoffe“ oder elektrische Unterstützung, eine mechanische Registertraktur, die auch bei Ausfall der elektronischen Zweisteuerung voll funktionsfähig bleibt. Zu finden sind in der Disposition Elemente aus Barock und Romantik, die zu einer Klangpersönlichkeit wurden, die in ihrer Ambivalenz von Kraft und Melancholie getreuer Spiegel des Intonateurs Oswald Wagner ist, der in den zehn Wochen der Intonation diese Orgel zu einem Kunstwerk rundete, bei dem das Ganze eben mehr ist als die Summe seiner Teile. „So weit, so gut: Orgeln kann man nicht beschreiben, man muss sie hören.“ „Ungefähr dies schrieb ich 1993, nachdem ich diese Orgel schon gut zwei Jahre hatte spielen dürfen. Und bis heute wurde nichts an ihrem Klang verändert, nur die elektronische Speichermöglichkeit für Klangmischungen wurde – der Entwicklung des Digitalen folgend – auf 10 x 62.500 Speicherplätze erweitert mittels des unsagbar hilfreichen Rieger-Setzersystems“, so Martin Lücker, der Organist an Sankt Katharinen.

In höchster technischer Zuverlässigkeit und unverminderter Klangschönheit tut diese Orgel seit nunmehr 31 Jahren ihren Dienst. Wie viele Menschen mögen durch ihren Klang bewegt, erfreut und getröstet wurden sein? Denn diese Orgel ist vermutlich die meistgespielte in Frankfurt: zweimal wöchentlich „30 Minuten Orgelmusik“, etwa 450 Gottesdienste und Andachten sowie knapp 30 Orgelkonzerte jährlich, nicht zu zählen die Verbreitung über elektronische Medien wie CDs und in jüngerer Zeit Youtube mit mehr als 500.000 Aufrufen. „Dazu kommen noch zahllose Stunden seligen Übens und Lehrens!“, äußert Martin Lücker über das Instrument, das er so meisterhaft spielt.

Orgelwerken von der Renaissance über Barock, Romantik und Moderne bis hin zu regelmäßigen jährlichen Uraufführungen hat die Rieger-Orgel durch ihren Klang tönendes Leben geschenkt. Organisten und Organistinnen aus der ganzen Welt waren begeistert, und als Referenzinstrument – exponiert und auch international verkehrsgünstig gelegen – war sie Anstoß für viele weitere Aufträge an die Firma Rieger.

Mitten in Frankfurts turbulentem Zentrum, an der Hauptwache, öffnet ihr Klang Herzen und Seelen zahlloser Menschen.“ Welch eine Geschenk, welch eine Gnade!“ – ist die Auffassung von Martin Lücker, Organist an Sankt Katharinen seit dem 1. April 1983.


Kurzer Nachtrag zur Orgelgeschichte:

In den Neubau der Sankt Katharinenkirche 1681 wurde zunächst die Orgel ihres Vorgängerbaus übernommen, von Lorenz Ettlin aus Eßlingen erbaut, der 1626 nach Frankfurt gekommen war.

Im Gottesdienst am Sonntag vor Weihnachten 1779 wurde dann zum ersten Mal die Orgel gespielt, welche die Gebrüder Stumm aus Rhaunen-Sulzbach laut Kontrakt vom 20. Mai 1778 gebaut hatten. Diese Orgel stand über dem Altar.

Im Zuge des sich wandelnden musikalischen Geschmacks baute die Firma Walcker aus Ludwigsburg 1854 bis 1856 ein neues Pfeifenwerk in das vorhandene Gehäuse. Und schon 1909 – nur 53 Jahre später – lieferte die Firma Steinmeyer aus Öttingen eine weitere neue Orgel. Wieder wurde das Gehäuse der Stumm-Orgel beibehalten. Dem Bombenangriff vom 22. März 1944 fiel die gesamte Orgel zum Opfer. Am 24. Oktober 1954 wurde dann – wieder von Walcker – als mittlerweile fünftes Instrument eine viermanualige Orgel auf der rückwärtigen Empore der wieder aufgebauten Kirche errichtet, die 1990 von der Rieger-Orgel abgelöst wurde.

Ausführliche Informationen zur Geschichte dieser Orgeln sind zu finden in:

St. Katharinen zu Frankfurt am Main
1. Erweiterte Auflage 1993
Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main
ISBN 3-7829-0240-8
(Auf diese Veröffentlichung bezieht sich auch der vorliegende Beitrag.)


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