Leben & Alltag

Die Gemeinde von nebenan

Immer mehr Kirchengemeinden nutzen das digitale Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de – zum Beispiel in Bockenheim.

Hilft dabei, in der Nachbarschaft Leute kennenzulernen: Das soziale Netzwerk nebenan.de. | Foto: Antje Schrupp
Hilft dabei, in der Nachbarschaft Leute kennenzulernen: Das soziale Netzwerk nebenan.de. | Foto: Antje Schrupp

Christina Preißler sitzt im Kirchenvorstand der evangelischen Kirchengemeinde Bockenheim. Neulich hat sie einen Kinderchor ins Leben gerufen. Allerdings nicht nur über den Gemeindebrief und den Anschlagskasten an der Kirche – sondern auch im Internet.

Dort wirbt Preißler im Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de für Veranstaltungen ihrer Gemeinde. Kaum hatte sie den Termin der ersten Probe veröffentlicht, hagelte es Kommentare. „Was für eine tolle Idee!“, schrieb jemand. „Meine Tochter kommt gern vorbei“, verkündete eine Frau. „29 Menschen haben spontan reagiert“, erinnert sich Christina Preißler. Von so einem enormen Feedback können viele Gemeinden nur träumen. Bis ein Kinderchor richtig Fuß fasst, kann es Monate dauern.

Nebenan.de ist ein Online-Netzwerk, das wie Facebook kostenlos ist, aber nicht Freunde und Bekannte über alle Grenzen hinweg verbindet, sondern Bewohnerinnen und Bewohner innerhalb einer Nachbarschaft. Menschen, die sich nicht unbedingt kennen, aber einander jeden Tag auf der Straße begegnen könnten, empfehlen sich Bio-Supermärkte, leihen einander Werkzeug oder verabreden sich zum Kochabend.

Seit drei Jahren ist das Portal freigeschaltet. In Großstädten vernetzen sich Zehntausende auf diese Weise. Denn was auf der Straße nicht klappt, soll über den digitalen Weg funktionieren – genau so stellen es sich die Betreiber von nebenan.de vor. Wer sich anmeldet, muss seine Adresse verifizieren und kann nur mit Leuten aus seiner eigenen und den angrenzenden Nachbarschaften in Kontakt treten.

„Wir wollen die Hürde senken, auf einen Nachbarn zuzugehen“, sagt Gründer Christian Vollmann. Das Internet enthemme die Leute ja bekanntlich – und dies wolle er zum Positiven nutzen. Vollmanns Vorstellung dabei ist, dass man zwar digital anklopft, dann aber einen persönlichen Austausch eingeht. So sollen Nachbarschaften in lebenswerte Orte verwandelt werden.

Also perfekt zugeschnitten auf eine Kirchengemeinde, die ja vor allem in die eigene Nachbarschaft hineinwirken will. So dachte auch Christina Preißler – und musste zunächst feststellen, dass sich politische und religiöse Gruppen gar nicht anmelden durften. „Ich habe dann Einladungen zu Konzerten und Ähnlichem über meinen privaten Account bekannt gemacht.“

Neuerdings darf die Bockenheimer Gemeinde aber auch ganz offiziell ein Mitglied bei nebanan.de sein. „Wir durchlaufen da noch einen Findungsprozess“, sagt Dana Milovanovic, Sprecherin von nebenan.de. Parteienwerbung oder direkte Missionierung habe in einem solchen Netzwerk keinen Platz: „Das sind wir den Userinnen und Usern auch schuldig.“ Man schaue sich aber im Einzelfall gerne an, was für Veranstaltungen publik gemacht werden sollten – und habe auf diese Weise schon mehreren Gemeinden gestattet, unter eigener Flagge mitzumachen.

„Alles, was in Richtung Diakonie geht, unterstützt ja den Nachbarschaftsgedanken, und passt deshalb gut.“ So bekam auch Christina Preißler per Mail die Erlaubnis, für die Gemeinde Bockenheim im direkten Umfeld zu Veranstaltungen einzuladen. „Wir haben bislang nur gute Erfahrungen gemacht“, berichtet die 67-Jährige. „Auf eine Konzertankündung schreiben dann etwa Leute ‚Ich bin selten in der Kirche, aber zu eurem Konzert komm ich sehr gerne‘.“

Als Aretha Franklin starb und es in Bockenheim einen Gottesdienst über Musik und ihre politische Arbeit gab, war die Resonanz bei nebenan.de riesig. „Toll, dass es in der Kirche auch so etwas gibt“, las Christina Preißler mehrfach.


Autorin

Anne Lemhöfer 139 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de

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