Leben & Alltag

„Ein Jugendraum ist ein Stück Heimat“

Die Neuorganisation der Kirchengemeinden in größeren Einheiten gefährdet auch Jugendräume, die es derzeit in so mancher Gemeinde noch gibt. Aber Jugendliche haben andere Bedürfnisse bei Treffen in den Gemeinden als Erwachsene. In nüchternen Mehrzweckräumen fühlen sie sich nicht zuhause. Ein Interview mit Stadtjugendpfarrer Rasmus Bertram.

Zukunft ungewiss: Jugendraum im evangelischen Gemeindehaus in Frankfurt-Niederursel. | Foto: Sophie Schüler
Zukunft ungewiss: Jugendraum im evangelischen Gemeindehaus in Frankfurt-Niederursel. | Foto: Sophie Schüler

Herr Bertram, was bedeuten die jetzt entstehenden neuen evangelischen Nachbarschaftsräume für die Jugendräume in Frankfurt und Offenbach?

Weil sinkende Mitgliederzahlen uns zwingen, Räume und Personal einzusparen, sollen Nachbarschaftsräume Ressourcen der Gemeinden bündeln. Aber ein Jugendraum ist nicht etwa nur ein Besprechungsraum wie für Erwachsene. Er ist ein Stück Heimat – Jugendliche leben darin.

Was unterscheidet einen evangelischen Jugendraum etwa von einem Café oder einer Bar?

Abgesehen davon, dass man dort nichts bezahlen muss, können Jugendliche ihn nach eigenen Vorstellungen gestalten. Sie können sich dort nach der Schule treffen und sich in vielerlei Hinsicht ausprobieren. Sozial, kreativ, gesellschaftspolitisch. Das ist ein wichtiger Freiraum – ohne die Beobachtung oder Bewertung von Eltern oder Lehrern.

Es geht um das Alter in und nach der Konfirmationszeit? Also ungefähr 13- bis 16-Jährige?

Genau. Die Konfirmandenzeit läuft für viele super, aber die Zeit danach ist auch sehr wichtig. Für die Entwicklung der Jugendlichen selbst, aber auch für uns als Kirche. Als Kinder begreifen sie ja noch nicht, was Kirchengemeinden alles tun. Als Jugendliche schon. Sie sind dabei; gestalten mit, bestimmen mit, erleben und erlernen dabei unsere Demokratie und unsere Strukturen.

Welche Jugendräume sind in Gefahr?

Die Planungen sind dafür noch nicht weit genug vorangekommen. Aber es stehen einige Gebäude zur Debatte, die auch Jugendräume haben.

Wie bleibt die Wichtigkeit von Jugendräumen im Bewusstsein der Entscheider?

Das Stadtjugendpfarramt, das Evangelische Jugendwerk, der Verein für Jugendsozialarbeit und der Gemeindepädagogische Dienst haben vor zwei Jahren eine Umfrage unter Kindern und Jugendlichen gemacht. Dabei kam unter anderem heraus, dass Räume eine ganz entscheidende Rolle für sie spielen. Die Ergebnisse haben wir auf der Frühjahrssynode 2024 vorgestellt und die Synodalen und Kirchenvorstände für die Perspektive der Jugendlichen sensibilisiert.

Wie sollen Jugendliche im Prozess an Entscheidungen beteiligt werden?

Mit Prodekanin Stefanie Brauer-Noss haben wir vereinbart, dass Jugendliche aus den Gemeindejugendvertretungen oder den beiden Stadtjugendvertretungen immer dann in Gremien eingeladen werden, wenn es um Dinge geht, die für sie relevant sind. Und zwar zu Zeiten, an denen sie teilnehmen können und in einer Sprache, die sie verstehen. Dabei kann vielleicht herauskommen, dass ein Jugendraum auch mal von Erwachsenen genutzt werden darf – und nicht umgekehrt. Vielleicht sogar auch, dass ein Jugendraum nicht zu halten ist. Aber dann verstehen die betieligten Jugendlichen zumindest, warum das in einer Gemeinde vielelicht so sein muss.

Warum ist diese Mitbestimmung so wesentlich?

Damit die Kirche auch nach 2030 noch die Kirche ist, die zu ihnen passt, in der sie sich wohl fühlen, in der sie mitarbeiten und für die sie sich einsetzen.


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

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