Neulich an der Käsetheke
Ich liebe es, an der Käsetheke zu stehen. Wenn ich noch nicht an der Reihe bin, schaue ich mir die Auslage an wie ein Kind das Schaufenster eines Spielzeugladens. Hach, dieser Gruyère da vorne... Es fehlt noch was Gutes zum Abendessen.
Der Bergkäse hinten rechts sieht aber auch lecker aus, aber was ist das? Beugt sich dieser Typ mit seiner doch sehr nachlässig an den Ohren baumelnden Mund-Nase-Maske (und was ist das überhaupt für ein blödes Design? Militärlook oder wie?) an mir vorbei. 50 Zentimeter, mehr trennen uns nicht.
Ich zucke zusammen. „Halten Sie bitte den vorgeschriebenen Abstand ein“ nuschele ich unter meiner schönen taubenblauen Maske mit dem leichten Rautenmuster hervor. Moment, habe ich das wirklich gesagt? Wie zickig. Wie unsympathisch.
„Sorry, war doch keine Absicht“, murmelt die Militärmaske sichtlich getroffen und verärgert. „Entschuldigung, seltsame Zeiten sind das...“, sage ich – und gebe etwas verlegen meine Bestellung auf.
Schnell haste ich weiter zur Fleischtheke. Die Kinder können ohne Gelbwurst nicht leben. Und ich schiele nach dem Biohuhn. Was steht da auf dem Preisschild? Ich rücke näher ran – und sehe gerade noch, wie eine ältere Frau zusammenfährt und mit vor Entsetzen geweiteten Augen einen Satz zur Seite macht. „Bitte halten Sie sich an die Vorschriften, das war sehr rücksichtslos“, schimpft sie.
Ist ja schon gut, habe ich doch nicht mit Absicht... Ich fühle mich schlecht, wie eine unachtsame Idiotin, die nur sich selbst im Blick hat.
Und auf einmal werde ich traurig. Werden wir einander wieder mit Wohlwollen begegnen können, wenn die Pandemie vorbei ist? Im anderen wieder den Menschen und nicht die potenzielle Virenschleuder sehen? Ich hoffe es wirklich sehr.
An der Kasse lächele ich den Mann von der Käsetheke an. Es fühlt sich gut an, auch wenn er es wegen meiner Maske nicht sehen kann
0 Kommentare
Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.