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Offenbach wird aufgepeppt

Schon lange wird Offenbach ein enormes Potenzial bescheinigt. Doch zur wirklich angesagten Stadt hat es sich bisher nicht entwickelt. Jetzt wird so einiges angepackt.

Der Pavillon auf dem Rathausplatz wird zurzeit saniert und soll ein Ort der Begegnung werden. | Foto: Heike Rost
Der Pavillon auf dem Rathausplatz wird zurzeit saniert und soll ein Ort der Begegnung werden. | Foto: Heike Rost

Offenbach steht unter Druck, besonders unter wirtschaftlichem. Manch einem Gründerzeithaus der Innenstadt ist der einstige Reichtum und Glamour zwar noch anzusehen, aber die glorreiche Zeit der Lederindustrie ist lange vorbei. Der Ruf der Stadt ist nicht der beste. „Arrival City“ wird Offenbach gerne genannt, aber womöglich verklärt das nur die tatsächlichen Probleme der Stadt.

Zwischen Frankfurt und Hanau liegt Offenbach im Herzen des Rhein-Main-Gebietes. Die Stadt ist tatsächlich oft erster Anlaufpunkt für Migrant:innen aus aller Welt. Aus vielen Gründen: Verwandtschaft, die bereits dort lebt, relativ günstige Mieten, eine gute Verkehrsanbindung. Das bringt viel Bewegung. Zuzug und Wegzug prägen den Offenbacher Wohnungsmarkt, die Fluktuation ist deutlich höher als in anderen Städten. Aber wenn kaum jemand dauerhaft bleibt, entsteht auch keine Identifikation, und entsprechend wenig ausgeprägt ist der Wunsch, die eigene Umgebung mitzugestalten. Oder sogar für seine Stadt zu brennen und sie weiterentwickeln zu wollen.

Dazu kommt die schwache Kaufkraft. Mit einem realen Jahreseinkommen von 19 022 Euro pro Kopf belegt Offenbach in einem aktuellen Ranking des Instituts der Deutschen Wirtschaft den letzten von 400 Plätzen. Die geringe Kaufkraft spiegelt sich im Einzelhandel wider: Traditionskaufhäuser haben hier längst aufgegeben, stattdessen prägen Billigläden, Nagelstudios und Fast-Food-Gastronomie das Stadtbild.

Wer es sich leisten kann, weicht zum Shoppen nach Frankfurt aus oder ins Internet, klagt Frank Achenbach von der Industrie- und Handelskammer. Zwar haben traditionelle Kaufhäuser und inhabergeführte Boutiquen es auch in anderen Innenstädten schwer. Aber in Offenbach veröde mit der fehlenden Ladenvielfalt auch das Leben in der City, sagt Achenbach.

Ist das wirklich so? Wenn man samstags die Offenbacher Innenstadt besucht, ist es dort voll und wuselig. Die Internationalität im Stadtbild zeigt sich in einer großen Bandbreite von Menschen. Oberbürgermeister Felix Schwenke oder Manuela Baumgart von der Fachstelle für offene Stadtkirchenarbeit feiern Offenbach gerade dafür. Aber andere wünschen sich mehr „Ausgewogenheit“ in der Stadtbevölkerung, womit wohl gemeint ist: mehr traditionelles Bürgertum, mehr Alteingesessene, mehr Gewohntes.

Zum Beispiel mehr Stadtleben, wie das auf dem beliebten Wochenmarkt auf dem Wilhelmsplatz. Hierher kämen auch Leute aus Frankfurt, schwärmen die Fans, sogar aus dem nahe gelegenen bayerischen Aschaffenburg würden die Menschen anreisen. Auf den Markt, so klingt das, ist Offenbach stolz, auf die Einkaufsstraße mit ihren Billigläden und überwiegend migrantischem Publikum eher nicht so.

Vielleicht deshalb will die Kommune gerade dort aktiv werden. Und das trotz der schwierigen Finanzsituation. Der Offenbacher Haushalt ist seit Jahren im Defizit, immer wieder ringt die Stadt um Stabilität. Aber in der Innenstadt wird investiert.

Schon 2018 wurden Thesen zur Entwicklung der Innenstadt formuliert und ein sogenannter Masterplan für deren Umsetzung entwickelt. Gemeinsam mit Bürger:innen und Vertreter:innen von Wirtschaft, Gastronomie, Kultur und Sozialem hat die Kommune das „Zukunftskonzept Innenstadt“ vorgelegt. Bis zum Jahr 2030 will die zu diesem Zweck gegründete „Agentur Mitte“, die zur Wirtschaftsförderung der Stadt gehört, liefern: Rathauspavillion, Testraumallee, Kaufhaus Kosmopolis, Dachsteiger, Klimawerkstatt „Scape“ lauten die Stichworte. Was nach Planungsbüro klingt, soll Kaufkraft und Gentrifizierung in die Stadt bringen.

Der Erlebnisraum „Scape“ entstand in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst. | Foto: Heike Rost
Der Erlebnisraum „Scape“ entstand in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst. | Foto: Heike Rost

Bereits jetzt fällt in der Frankfurter Straße, der Offenbacher Einkaufsmeile, das „Scape“ auf mit bunten Sitzmöbeln und bepflanzten Kisten vor dem Laden. Das Innere, wie ein Museum oder eine Werkstatt konzipiert, überrascht durch seine Höhe und Weite. Im Industriestil und mit viel Holz gebaut, befassen sich verschiedene Stationen mit Wetter und Klima – Kooperationspartner ist der Deutsche Wetterdienst, der in Offenbach ansässig ist. Kinder und Erwachsene können beispielsweise testen, wie viele Treibhausgas-Kugeln in die Waagschale passen, bis die Erde schlussendlich doch untergeht. Workshops, Bar-Abende und Vortragsreihen finden hier statt. Mit dem Scape, sagt Linda Knauer vom Projektmanagement, wolle man Impulse für ein klima- und umweltbewusstes Stadtleben geben. Interessantes Projekt, aber deutlich auf eine bestimmte, eher mittelständisch bildungsorientiere Zielgruppe ausgerichtet.

Stadtentwicklung ist definitiv kein einfaches Geschäft. „Die Interessen der Bevölkerung sind multipel und komplex“ beschreibt Rebecca Leudesdorff diplomatisch die Herausforderung ihres Jobs als Projektmanagerin in der Agentur Mitte. Nostalgie und Aufbruch. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen. Klimawandel und Infrastruktur. Demografischer Wandel und Digitalisierung. Wo genau die Balance einer guten und lebenswerten Stadt zu finden ist, das vermag niemand mit Sicherheit zu sagen.

Eine gewisse Ausgewogenheit kann sicherlich nicht schaden. Jung und Alt, alteingesessen oder neu zugezogen – auf das Miteinander kommt es an. „Und auf Räume ohne Konsumzwang“, betont Manuela Baumgart von der offenen Stadtkirchenarbeit. Lange habe sie mit ehrenamtlichen Mitstreiter:innen versucht, eine Art Kirchenladen aufzubauen. Leider ohne Erfolg. Die bürokratischen Anforderungen sind hoch, geeignete Räume rar. „Irgendwann ging der Gruppe die Puste aus“, sagt Baumgart. An die Stadtentwicklungsprozesse kann sie mit ihrer Arbeit bislang nur punktuell andocken. Mit Konzerten in der Stadtkirche etwa, oder indem sie sich an Festen beteiligt.

Vielleicht ergeben sich weitere Gelegenheiten, wenn ein anderes Projekt fertig ist: Die Kommune kaufte kürzlich das leer stehende Galeria-Kaufhof-Gebäude in direkter Innenstadtlage. 13 Millionen Euro hat Offenbach dafür hingeblättert. Hier soll eine „Station Mitte“ entstehen, die Eröffnung ist für 2026 geplant. Die Stadtbibliothek wird dort einziehen und Flächen für Kreativräume, Lern-, Chill- und Gamingzonen entstehen, außerdem Einzelhandel und Gastronomie. So soll das ehemalige Warenhaus ein Magnet für die Innenstadt werden, so angesagt, wie der Wochenmarkt. Ob das gelingen kann?

Kritik gibt es jetzt schon. Einige Bewohner:innen hätten das viele Geld lieber in Freibäder investiert, die fehlen nämlich in der Stadt. Viele finden auch den jetzigen Standort der Bibliothek mit Büsing-Palais und Klingspor Museum im Karree hervorragend und wollen nicht, dass sie umzieht. Zumal die Bibliothek am neuen Standort nicht mehr Fläche bekommen wird. Es ist offensichtlich schwierig, für Offenbach Zukunftspläne zu machen, die überall auf Zustimmung stoßen: Die einen wollen unter freiem Himmel schwimmen, die anderen mit ihren Freund:innen in der Innenstadt chillen. Manchen kann es gar nicht genug Nagelstudios geben oder Geschäfte, in denen man sehr günstige Haushaltswaren kaufen kann, während andere das exklusive Designerhemd suchen oder handgeschöpfte Seife aus der Provence.

Was macht eine Stadt zu einem lebenswerten Ort? Vielleicht eine gute Mischung aus alledem. Manuela Baumgart bewundert jedenfalls die Kreativität der Menschen, die in Offenbach leben, und verweist auf die vielen kleinen Initiativen, die es längst gibt. Sie findet die so oft beschworene Angst vor einer Verödung der Innenstadt unbegründet. „Hier ist immer Leben, und das muss doch nicht hip sein.“ Trotzdem freut sie sich bereits darauf, wenn die „Station Mitte“ fertig ist. „Bei diesem unfassbaren Flächenangebot ist sicherlich auch etwas für uns als Kirche dabei.“


Autorin

Angela Wolf 131 Artikel

Angela Wolf ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Sie wurde 1978 in Aschaffenburg geboren. Heute lebt sie in Frankfurt am Main, wo sie Soziologie, Politikwissenschaften und Psychoanalyse studierte.

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