Politik & Welt

Feministisch streiten – wie geht das?

Solidarität unter Frauen ist eine tolle Sache. Aber auch Feministinnen sind nicht immer einer Meinung. Wie geht feministisch streiten? Die Leipziger Autorin Koschka Linkerhand hat dazu ein Buch herausgegeben. Bei einem Fachtag im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum stellte sie ihre Thesen zur Diskussion.

Die Autorin Koschka Linkerhand aus Leipzig (2. von links) im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum. Hier (v.l.n.r.) mit der Politikerin Gianina Zimmermann, Studienleiterin Mechthild Nauck und Mitveranstalterin Ekin Polat von DaMigra. | Foto: Antje Schrupp
Die Autorin Koschka Linkerhand aus Leipzig (2. von links) im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum. Hier (v.l.n.r.) mit der Politikerin Gianina Zimmermann, Studienleiterin Mechthild Nauck und Mitveranstalterin Ekin Polat von DaMigra. | Foto: Antje Schrupp

Knapp dreißig Frauen sitzen im großen Saal des EVA, des Evangelischen Frauenbegegnungszentrums in der Saalgasse, an Tischen im Kreis. Sie arbeiten in Mädchentreffs und Beratungsstellen, in der Politik oder im Quartiersmanagement. Aber heute haben sie sich einen Tag lang Zeit genommen, um übers Streiten nachzudenken. Wie geht das, feministisch? Wie können Frauen – und auch Feministinnen – mit unterschiedlichen Ansichten und Perspektiven ihre Differenzen fruchtbar und möglichst konstruktiv austragen, ohne sie in voreiliger Harmoniesucht unter den Teppich zu kehren?

Ein Problem der aktuellen feministischen Debatten sieht Koschka Linkerhand darin, dass heute oft inhaltliche Positionen und persönliche existenzielle Erfahrungen miteinander verknüpft werden. Wer andere kritisiert, gerät schnell in Verdacht, nicht nur die Meinung der anderen abzulehnen, sondern gleich die ganze Person.

Diese „Identitätspolitik“, wonach nur die Betroffenen selbst eine Situation wirklich beurteilen können, war ursprünglich eine Kritik an der traditionellen männlichen Sichtweise des Universalismus. Die ging davon aus, dass es nur eine „Wahrheit“ gibt, die für alle gilt und an der sich alle messen lassen müssen. Bei genauerem Hinsehen war diese Wahrheit aber stark von einer männlichen, bürgerlichen, weißen Perspektive geprägt, der sich alle anderen, etwa die Frauen, unterordnen mussten.

Demgegenüber werden heute verschiedene Perspektiven ernster genommen, und man ist vorsichtig darin, an Stelle von anderen zu sprechen oder andere zu beurteilen. Allerdings stellt sich in einer Welt, in der alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit mitbestimmen, das Problem, wie unterschiedliche Ansichten und Analysen ansonsten miteinander in Konflikt und Austausch gebracht werden können, wenn sie ihre Berechtigung nicht mehr aus einer abstrakten universalistischen Logik beziehen. Wie lässt sich verhindern, dass alles unverbunden nebeneinander stehen bleibt?

Koschka Linkerhand kritisiert eine Tendenz, wonach politische Aussagen zunehmend an ein „innerliches Wissen“ gebunden werden, was sie der Debatte faktisch entzieht. „Ich erlebe das so, also ist es wahr“ ist für sie kein Argument, weil ja auch subjektives, perönliches Wissen immer durch äußere (politische und ökonomische) Umstände beeinflusst und herausgebildet wird. Linkerhand plädiert deshalb dafür, wieder mehr die Rahmenbedingungen und die sozialen Strukturen in die Analyse einzubeziehen. So könnten auch Kriterien herausgearbeitet werden, die es ermöglichen, feministisch „zu streiten“ und nicht nur dabei stehen zu bleiben, einander in der Berechtigung der eigenen Selbstwahrnehmung bloß zu bestätigen.

Einen solchen Fachtag veranstaltet das Evangelische Frauenbegegnungszentrum EVA einmal im Jahr gemeinsam mit dem Zentrum Bildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und dem Landesverband der Evangelischen Frauen in Hessen und Nassau, dieses Jahr auch in Kooperation mit dem Verein DaMigra.

Webseite: www.eva-frauenzentrum.de.

Zum Weiterlesen. Koschka Linkerhand: Feministisch streiten. Texte zu Vernunft und Leidenschaft unter Frauen. Querverlag, 328 Seiten, 16,90 Euro.


Autorin

Antje Schrupp 227 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social

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