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„Hier wurde eine rote Linie überschritten, das dürfen wir nicht hinnehmen“

Pfarrer Ulrich Schaffert aus Frankfurt hat eine Online-Petition gegen die Kriminalisierung des Kirchenasyls gestartet. Anlass war die Nachricht, dass im Hunsrück Pfarrwohnungen und Gemeindehäuser von der Polizei durchsucht wurden, weil die Gemeinden Kirchenasyl gewährten. Näheres erklärt er im Interview mit dem EFO-Magazin.

Ulrich Schaffert ist Pfarrer im Frankfurter Nordwesten I Foto:privat
Ulrich Schaffert ist Pfarrer im Frankfurter Nordwesten I Foto:privat

Herr Schaffert, Sie haben im Internet eine Petition gegen die Kriminalisierung des Kirchenasyls gestartet. Warum?

In der Sendung Monitor wurde Mitte März über Hausdurchsuchungen im Hunsrück berichtet. Darauf aufmerksam geworden bin ich über eine Kollegin, Christiane Quincke, Dekanin in Pforzheim, die ich über eine Facebook-Gruppe kenne, auf der wir öfter Predigten austauschen. Sie hatte einen Link zu der Sendung gepostet und ihn kommentiert mit den Worten: Eigentlich müsste man etwas dagegen machen. Und ich habe gedacht: Sie hat recht. Wir haben dann gemeinsam beschlossen, einen Solidaritätsaufruf für die betroffenen Pfarrpersonen und die betroffenen Gemeinden zu starten. Wir sind der Meinung, dass hier eine rote Linie überschritten wurde. Kirchenasyl wird durch solch ein Vorgehen kriminalisiert. Besonders alarmiert waren wir, dass bei den polizeilichen Durchsuchungen offensichtlich das Seelsorge-Geheimnis missachtet wurde. Das können wir als Kirche nicht widerspruchslos hinnehmen.

Warum glauben Sie, wird jetzt das Kirchenasyl in Frage gestellt?

Der Versuch, das Kirchenasyl zu kriminalisieren, ist Teil einer immer restriktiveren Flüchtlingspolitik, die immer weniger Rücksicht auf den Schutz von Menschenrechten nimmt. Man will Durchgreifen demonstrieren und zeigen, dass man bereit ist, möglichst viele Geflüchtete abzuschieben. Gleichzeitig werden Menschen, die Geflüchtete in der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Möglichkeiten unterstützen, als „Abschiebeverhinderer“ diffamiert. Auf dieser Linie wurden die Bedingungen für das Kirchenasyl bereits voriges Jahr durch Beschluss der Innenministerkonferenz einseitig abgeändert und erheblich verschärft. Dossiers, mit denen die Ausübung des Selbsteintrittsrechts in so genannten „Dublinverfahren“ erbeten wird, werden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fast durchweg abgelehnt. Vor einem Jahr war das noch anders, inzwischen werden sie selbst in extremsten Härtefällen negativ beschieden. Dazu kommt, dass meist die Frist, ab der das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt werden kann, im Falle der Ablehnung des Dossiers durch das Bundesamt von 6 auf 18 Monate verlängert wird. Geflüchtete, aber auch Unterstützerinnen und Unterstützer in den Gemeinden müssen also jetzt oft viel länger durchhalten. Allerdings gibt es erste Gerichtsentscheidungen, die die Verlängerung der Überstellungsfrist in Fällen des Kirchenasyls als unzulässig beurteilen.

Gibt es in Frankfurt oder Offenbach auch solche Probleme?

Die Bedingungen für ein Kirchenasyl sind aufgrund der genannten Verschärfungen für alle Gemeinden schwieriger geworden. Strafrechtliche Verfolgung, wie sie jetzt im Hunsrück stattgefunden hat, gab es bei uns Gott sei Dank noch nicht. Es hat sie aber zuvor bereits in zahlreichen Gemeinden in Bayern gegeben. Insofern ist der Hunsrück kein Einzelfall. Allerdings haben in Bayern keine Durchsuchungen von Pfarrwohnungen oder Gemeindehäusern stattgefunden. Insofern ist dies nun eine weitere Eskalationsstufe. Uns geht es bei dem Aufruf darum, solchen Tendenzen etwas entgegen zu setzen. Und natürlich geht es auch ganz konkret um eine Solidarität mit den betroffenen Pfarrpersonen und Gemeinden über die landeskirchlichen Grenzen hinaus. Was im Hunsrück passiert ist, geht uns alle an!

Wie viele Kirchenasyle gibt es zur Zeit in Frankfurt und Offenbach?

Es gibt derzeit zwei Gemeinden in Frankfurt, in denen ein Kirchenasyl stattfindet, ein drittes wurde gerade positiv beendet, also die betreffende Person bekam einen Schutzstatus.

Viele halten solche Sonderrechte wie das Kirchenasyl für überholt in einem säkularen Staat. Was erwidern Sie darauf?

Kirchenasyl ist kein Sonderrecht, sondern ein zeitlich begrenzter Schutzraum, der geflüchteten Menschen in besonderen Härtefällen von Kirchengemeinden gewährt wird. Es soll eine eingehende Einzelfallprüfung ermöglichen, bei der die besonderen humanitären Härten berücksichtigt werden. Entschieden wird über das weitere Schicksal der Menschen im Kirchenasyl letztlich einzig und allein nach dem Recht des Staates. In den überwiegenden Fällen konnten Dank des Kirchenasyls jedoch drohende Härten für betroffene Menschen abgewendet werden.

Welche Funktion hat das Kirchenasyl im gesamten gesellschaftlichen Engagement für Geflüchtete?

Es ist wichtig, dass wir als Kirche Schutzräume offen halten und Geflüchtete dabei unterstützen, ihre rechtlichen Möglichkeiten wahrzunehmen und auszuschöpfen. Das wird auch von den Engagierten außerhalb von Gemeinde und Kirche sehr geschätzt, wie ich als stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Flüchtlingsrates immer wieder mitbekomme.

Was hoffen Sie mit der Petition konkret zu erreichen?

Wir wollen mit möglichst vielen Unterschriften ein Zeichen des Widerspruchs und der Solidarität setzen. Wir hoffen dabei natürlich auch auf kräftige Unterstützung aus der Pfarrerschaft und aus den Gemeinden. Die Petition soll nach Ablauf dieser Frist an die CDU Rheinland-Pfalz übergeben werden, da der Landrat, auf dessen Betreiben hin die Strafverfolgung in Gang gesetzt wurde, dieser Partei angehört. Wir wollen den Aufruf aber auch den anderen Parteien im rheinland-pfälzischen Landtag zukommen lassen.

Bis wann kann man noch unterschreiben?

Der Aufruf läuft noch bis zum 21. Mai. - Link zur Petition

Weiterlesen: Kirchenasyl - Was genau ist das eigentlich?

Monitor-Sendung vom 14.3.2019: Pfarrer im Visier der Justiz


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Antje Schrupp 227 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social

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