Die Jugend lässt sich nicht auf später verschieben
Die Szenen waren mehr als unschön: Nicht zum ersten Mal in der Corona-Pandemie haben sich junge Menschen in der Frankfurter Innenstadt Krawalle mit der Polizei geliefert. Denn auch der zweite Lockdown ist ein Drama für Jugendliche. Sportvereine und Clubs sind dicht. Viele, die jetzt 16, 17 oder auch Anfang 20 sind, wissen nicht, wohin mit sich.
Verständnis gibt es wenig. Ist es so schwer, mal ohne Party auszukommen? Selbst ein Spot der Bundesregierung wirbt fürs Dauerglotzen auf der Couch. Doch es wäre fatal, wenn sich die Reaktionen weiter auf den moralischen Zeigefinger beschränken.
Es ist der abgedroschenste Satz der Menschheit: Man ist nur einmal jung. Corona hat dieser Binsenweisheit alles Tantenhafte genommen. Jungsein heißt, gemeinsam mit anderen die Tür zur Welt aufzustoßen. Die Schulclique, die Konfigruppe, die Handballmannschaft, das Rudel Zwölftklässlerinnen, das müde und glücklich im Nachtbus hockt und die Highlights einer Partynacht im Club Revue passieren lässt, die versammelten Abiturienten, die nach der offiziellen Feier am Baggersee zusammen die Sonne aufgehen sehen: Das sind mehr als Klischees und Begleiterscheinungen einer bestimmten Lebensphase, die schön, aber nicht notwendig sind. Es sind Erfahrungen, die uns zu denen machen, die wir den Rest unseres Lebens bleiben.
Wie gut, dass die Pandemie nicht in vordigitalen Zeiten zugeschlagen hat. Angebote zum virtuellen Zusammensein können manches abfedern. Aber Freund:innen finden über Zoom? Schwierig. Ja, den Übergangsjahren, bevor das Leben in immer festere Formen gegossen wird, kommt eine besondere Bedeutung zu. Deshalb reicht es nicht, wenn wir Ältere über bräsiges Disziplinfordern nicht hinauskommen: Jetzt reißt euch halt mal zusammen!
Für die Lücke, die sich nun auftut, müssen praktische Lösungen her. Auch die Kirchen sind da gefragt. Warum spricht niemand über Luftfilter für den Jugendclub? Über Fahrradfreizeiten in den Odenwald statt Busreisen nach Italien? Mit Masken, Abstand und Kreativität. Jugendarbeit muss uns so wichtig sein wie offene Schulen und Kindergärten.
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