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Andachtsraum für Geflüchtete aus der Ukraine: Ein kleiner Ort der Beheimatung

In der Notunterkunft für Geflüchtete in Kalbach, die das Diakonische Werk betreibt, haben die Stadt Frankfurt und die evangelische Kirche einen Andachtsraum für Ukrainer:innen eröffnet.

Einblick in den Andachtsraum Foto: Holger Menzel/Stadt Frankfurt
Einblick in den Andachtsraum Foto: Holger Menzel/Stadt Frankfurt

Rund 380 Geflüchtete aus der Ukraine leben zurzeit in der städtischen Notunterkunft in Kalbach, die das Diakonische Werk für Frankfurt und Offenbach betreibt. Viele von ihnen nahmen gestern an blumengeschmückten Tischen und Bänken Platz, um an der Eröffnung eines kleinen Andachtsraums teilzunehmen. Mit dabei waren die Frankfurter Sozialdezernentin Elke Voitl, Vadym Kostiuk, der Generalkonsul der Ukraine in Frankfurt am Main, der evangelische Stadtdekan Achim Knecht und die Kuratorin des Ikonenmuseums Konstanze Runge. Der schmale Andachtsraum mit Blumen, Kerzen, Ikonen und einem orthodoxen Hauskreuz bietet einen Rückzugsort: „Wir möchten den Menschen, die hier bei uns untergekommen sind, in dem Andachtsraum die Möglichkeit geben, etwas zur Ruhe zu kommen, an ihre Angehörigen zu denken und Fürbitte zu halten – viele der Männer sind im Krieg“, sagte Diakoniepfarrer Michael Frase zur Begrüßung.

Beim Einrichten des hellen Andachtsraumes mit hölzernen und metallverkleideten Ikonen wirkte das Frankfurter Ikonenmuseum tatkräftig mit. „Ikonen bringen das Heilige in den Alltag der Menschen. Als wundertätige Bilder sind sie für orthodoxe Christinnen und Christen von besonders großer Bedeutung“, äußerte Konstanze Runge, die Leitende Kuratorin des Ikonenmuseums. Just als Diakonie-Leiter Michael Frase das Ikonenmuseum um Unterstützung bat, traf dort das Angebot einer Schenkung ein. „Das ist ein Glücksfall, dass ich die Ikonen direkt von der Schenkerin in die Notunterkunft bringen konnte. Ich bin unglaublich dankbar und kann mir im Moment keinen besseren Einsatz vorstellen, als Menschen aus der Ukraine mit diesen religiösen Objekten, die vielen von ihnen etwas bedeuten, einen Funken der Hoffnung, der Zuversicht und der Stärke zu geben“, sagte die Kuratorin. Zusammen mit einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin und einem befreundeten Schreiner hat sie die gespendeten Ikonen im Andachtsraum selbst gehängt: Die Gottesmutter Eleousa, die Erbarmerin, mit dem eng angeschmiegten Jesuskind, die für Liebe, Fürsorge und Schutz steht und die Gottesmutter Pokrov, die ihren Mantel für alle Trost- und Schutzsuchenden ausbreitet und um Wunder gebeten wird, sowie weitere Ikonen.

„Wir sind hier in Frankfurt inzwischen ein sicherer Ort für geschätzt 5000 Schutzsuchende vor diesem schrecklichen und unrechtmäßigen Krieg und tun alles in unserer Macht Stehende, um sie bestmöglich zu unterstützen“, so Sozialdezernentin Elke Voitl. „Wenn mit Bildern und Meldungen der Krieg mit seiner ganzen Brutalität bei Menschen hier in Frankfurt ankommt, die mit dem Verlust ihres Zuhauses schon mehr als genug zu tragen haben, ist das zusätzlich extrem belastend.“ Und: „Ich bin froh und sehr dankbar, dass die Diakonie gemeinsam mit dem Ikonenmuseum diesen Ort der Stille geschaffen hat, der auch Raum zum Verarbeiten des Erlebten gibt.“

Der ukrainische Generalkonsul Vadym Kostiuk bedankte sich bei der Stadt Frankfurt und der Stadtgesellschaft „für alle Mühe und Hilfe, die Sie für ukrainische Staatsbürger leisten.“ Er rief seine Landsleute, die zu seiner Rede immer wieder klatschten, dazu auf, „dass Sie durchhalten. Wenden Sie sich, wenn Sie Unterstützung brauchen, an das Generalkonsulat, wir arbeiten an jedem Tag der Woche.“ Kostiuk beendete seine Rede, die er selbst ins Deutsche übersetzte, mit den Worten: „Ich bitte alle, an den Sieg und Ruhm der Ukraine zu glauben.“

Achim Knecht, Stadtdekan der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach zitierte Psalm 130,1 „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir.“ An die ukrainischen Geflüchteten gewandt sagte er: „Aus der Tiefe des Herzens werden die Gebete in diesem Raum kommen. Aus der Tiefe des eigenen erlebten Schreckens. Aus der Tiefe der Angst um Familienangehörige und Freunde, die in der Ukraine zurückbleiben mussten oder wollten.“ Der evangelische Geistliche benannte auch die Sorge um die Zukunft, die die Geflüchteten bewegt und ihre „Verzweiflung, dass die Heimat in Schutt und Asche liegt“. Er habe großen Respekt vor der tiefen Frömmigkeit vieler Menschen aus der Ukraine, denen der Glaube Halt gibt. Deshalb sei es der Evangelischen Kirche wichtig gewesen, in der Unterkunft einen Andachtsraum einzurichten: „Dadurch schaffen wir vielleicht einen kleinen Ort der Beheimatung.“


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Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.