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Stadtdekan Knecht: Der Geist Gottes hilft, Unsicherheit und Furcht auszuhalten

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Komm, o komm, du Geist des Lebens, wahrer Gott von Ewigkeit,
deine Kraft sei nicht vergebens, sie erfüll uns jederzeit;
so wird Geist und Licht und Schein in dem dunklen Herzen sein. (EG 134,1)

Stadtdekan Dr. Achim Knecht
Stadtdekan Dr. Achim Knecht

Dieses Lied würden wir an Pfingsten wieder in vielen Kirchen singen. Das ist jedoch derzeit nicht möglich, weil man andere damit gefährden würde. Das Gebet aber, das das Lied enthält, sprechen wir gerne: Komm, o komm, du Geist des Lebens!

Einen Geist des Lebens wünschen sich viele Menschen gerade jetzt. Krankheit und Tod sind in den vergangenen Wochen in die Mitte unserer Gesellschaft gerückt. Alle Maßnahmen gegen die Ansteckung mit dem Corona-Virus zielen darauf ab, beides zu verhindern. Nun geht das Leben nach dem Lockdown langsam wieder los. Aber die Gefahr bleibt präsent.

In Deutschland profitieren wir von einer leistungsfähigen medizinischen Versorgung. Wir sind es nicht mehr gewohnt, dass das Leben von einer noch nicht beherrschbaren Krankheit bedroht ist. Solange die Forschung keine wirksamen Abwehrmaßnahmen gefunden hat, bleibt nur, voneinander Abstand zu halten. Mit dieser neuen Realität werden wir uns fürs Erste arrangieren müssen. Das hat für viele Menschen gravierende wirtschaftliche Folgen. Wie schlimm es Unternehmen, Arbeitnehmer*innen und Selbständige trifft, wird sich in seiner ganzen Tragweite erst noch erweisen.

Es ist nicht verwunderlich: Viele Menschen wünschen sich ihr altes Leben zurück. Ohne die Einschränkungen, ohne die lästigen Schutzmaßnahmen und ohne die Sorgen, die das Virus mit sich bringt. Viele sehnen sich nach ihrem Alltag, nach ungezwungenem Kontakt, nach Leichtigkeit und unbeschwerter Lebensfreude. O komm, du Geist des Lebens!

Jesus hat seinen Jüngerinnen und Jüngern diesen Geist des Lebens versprochen. Auch für sie hatten sich ihr Alltag und ihre Zukunftspläne zerschlagen. Durch Jesu gewaltsamen Tod war ihr bisheriges Leben in Frage gestellt. Verunsichert und ängstlich trauten sie sich kaum aus ihren Häusern heraus. Sie hatten so viel Mutmachendes von ihm gehört. Aber was bedeutete das nun? Waren sie nicht genauso bedroht wie er?

Jesus hatte seinen Jüngerinnen und Jüngern eine neue Perspektive gegeben, mit den Worten: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. (Johannes 16,7)

Das klingt erst einmal absurd. Denn worin soll das Gute liegen, wenn Jesus sterben muss? Gibt es für sie noch etwas anderes außer Trauer, Hilflosigkeit und Angst?

Durch Jesu freiwilliges Sterben und seine Auferstehung hat Gott dem Tod die Macht genommen. Sein Geist des Lebens wirkt über alle Grenzen hinweg. Seine Botschaft ist nicht auf die Zeit damals beschränkt, sondern kommt zu allen Menschen weltweit, in allen Generationen bis auf den heutigen Tag. Ja, es ist gut, dass Jesus wegging, denn er sandte den Geist des Lebens, der auch heute noch Menschen für ihn, sein Leben und seine Lehre begeistert.

Das Besondere an diesem Geist des Lebens: Er schenkt Menschen Freiheit und motiviert sie zur Nächstenliebe. Das ist der wichtigste Punkt an Jesu Botschaft: Freiheit und Liebe. Unsere Aufgabe ist es zu überlegen, was richtig und was falsch ist, wie wir in seinem Sinn handeln und dabei das Leben befördern. Das kann zu verschiedenen Antworten führen, je nach unseren Erfahrungen, nach unseren Persönlichkeiten und nach dem, wie wir Jesus verstehen.

Diese Unterschiedlichkeit entspricht einer Welt, die vielschichtig und komplex ist. Wir erleben derzeit, wie Politikerinnen und Politiker verantwortungsvoll über die Abwehr der Gefahr durch das Virus entscheiden müssen – aber ohne Garantie, dass die getroffenen Maßnahmen auch die richtigen sind. Wir sehen: Wissenschaftlerinnen und Experten verstehen erst nach und nach die durch das Virus ausgelösten Krankheiten und was man dagegen tun kann. Es ist eine hochkomplexe Situation, in der sich unsere Gesellschaft derzeit befindet.

Das ist für viele Menschen nur schwer auszuhalten. Manche flüchten sich deshalb in Verschwörungsphantasien oder suchen Sündenböcke für diese Situation, nach dem Motto: Irgendwer muss doch schuld sein!

Christinnen und Christen dagegen vertrauen: Das je eigene Leben und unsere ganze Gesellschaft befinden sich in Gottes Hand. Er wirkt, zwar verborgen, hat aber alle Macht im Himmel und auf Erden. Er hat sich als der Gott gezeigt, der in Jesus Christus sein Leben für uns alle eingesetzt hat.

Das Vertrauen auf diesen Geist des Lebens hilft, Unsicherheit und Furcht auszuhalten. Gottvertrauen macht Menschen widerstandsfähig in der Herausforderung, die diese Krise darstellt. Und nicht zuletzt stärkt der Glaube auch die Verantwortung für die Mitmenschen.

O komm, du Geist des Lebens!

Wir bitten um diesen Geist, damit er uns Kraft schenkt, die Belastungen durch die Krise auszuhalten. Gott möchte ein gutes Leben für alle Menschen; der Geist des Lebens bewegt uns, das Unsere dazu beizutragen. Seine Nähe hilft uns, mit den Ambivalenzen des Lebens getrost und zuversichtlich umzugehen, weil wir wissen: Wir sind keinem blinden Schicksal ausgeliefert, sondern getragen von Gott, der uns liebt. So wird tatsächlich Geist und Licht und Schein in dem dunklen Herzen sein.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein frohes Pfingstfest!

Stadtdekan Pfarrer Dr. Achim Knecht


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