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Leitung des Diakoniezentrums Weser 5: Jürgen Mühlfeld geht, Katrin Wilhelm kommt

Die Einrichtung für Wohnungslose Weser 5 im Frankfurter Bahnhofsviertel bekommt Mitte Juni eine neue Spitze. Vor dem Abschied in den Ruhestand formuliert der bisherige Leiter einige Anliegen. Mit Engagement hat er in den vergangen sechs Jahren hier gearbeitet, mit Engagement gehen auch seine Nachfolgerinnen ans Werk.

von links: Monika de Bruijn, Katrin Wilhelm, Jurgen Muhlfeld I Foto: Rolf Oeser
von links: Monika de Bruijn, Katrin Wilhelm, Jurgen Muhlfeld I Foto: Rolf Oeser

Ein bisschen blutet ihm schon das Herz, sagt Jürgen Mühlfeld, der das Weser 5 Diakoniezentrum Ende Juni verlassen wird. Der 60-jährige Diplom-Sozialpädagoge leitete das Zentrum für Wohnungslosenhilfe der Diakonie Frankfurt und Offenbach im Frankfurter Bahnhofsviertel sechs Jahre lang. Mühlfeld und sein Team knüpften Kontakte in die Nachbarschaft, um die Arbeit des Diakoniezentrums mit Tagestreff, Sozialer Beratungsstelle, Straßensozialarbeit und Männerwohnheim vorzustellen. Sie festigten Netzwerke zu Initiativen wie den „1000 Nachbarn“, die während Corona neu entstanden waren, und vertieften Kontakte zu den „Helferfreunden“, Kirchengemeinden und anderen, die die Arbeit der Diakonie mit wohnungslosen Männern und Frauen seit längerem unterstützen. Zu Firmen und weiteren Sponsoren hielt Mühlfeld die Verbindung, denn er wollte Begegnungen zwischen Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen ermöglichen, um das Verständnis füreinander zu fördern.


Berufsausstieg mit gutem Gefühl

Mühlfeld steigt nach seinem Abschied Ende Juni aus dem Berufsleben aus. Er möchte Zeit haben für längere Fahrradreisen mit seiner Frau, und er sagt: „Es ist mir wichtig, in dem Moment aufzuhören, wo ich noch nicht gestresst und ausgepowert bin, und guten Herzens gehen kann.“ 37 Mitarbeiter:innen führte Mühlfeld, von der Reinigungskraft über die Küchenhilfe bis zu den Sozialarbeiter:innen.


Viele EU-Bürger: innen leben in Frankfurt auf der Straße

2016 stieg Mühlfeld nach 15 Jahren in der Wohnungslosenhilfe eines anderen Trägers als Leiter im Weser 5 Diakoniezentrum ein. Damals begann auch MIA mit der Arbeit. Die „Mehrsprachige Beratung für EU-Bürger*innen“ tragen Diakonie und Caritas gemeinsam, sie wird von der Stadt Frankfurt finanziert. „Das ist positiv“, sagt Mühlfeld. Trotzdem erinnert er an die EU-Bürger: innen, die ohne Anspruch auf Sozialleistungen in Frankfurt auf der Straße leben: „Wir können ihnen immer noch nicht so helfen, wie wir es gerne tun würden, wir müssen die Menschen angemessen unterbringen, damit sie auch arbeiten können. Wer auf der Straße lebt, ist dazu nicht in der Lage.“


Es fehlen niedrigschwellige Angebote für obdachlose Menschen

Ein weiteres Anliegen formuliert Mühlfeld: „Die Anzahl der Frauen auf der Straße steigt und die Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen ebenso, hier brauchen wir mehr niedrigschwellige Angebote, sie fehlen in Frankfurt.“ Er erzählt von einer Frau, die sich immer mal wieder längere Zeit in der Dusche des Tagestreffs im Weser 5 Diakoniezentrum einschließt, um ein bisschen Privatheit zu haben. Auch Katrin Wilhelm, die die Leitung des Weser 5 Diakoniezentrums zum 15. Juni übernehmen wird, sieht hier einen Schwerpunkt: „Wir brauchen mehr Räume, in denen auf der Straße lebende für sich Menschen sein können. Sie stehen 24 Stunden am Tag unter Beobachtung, sie können sich nirgends zurückziehen.“ Besonders für Frauen seien Schutzräume nötig. Viele obdachlose Frauen halten sich am Frankfurter Flughafen auf, dort gibt es Sicherheitspersonal, Wasser, Duschen und Toiletten. Die Diakonie Frankfurt und Offenbach begann 2016, die Aufsuchende Sozialarbeit am Flughafen Frankfurt in Zusammenarbeit mit Fraport aufzubauen.


Drogen- und Wohnungslosenhilfe vernetzen

Katrin Wilhelm kennt das Weser 5 Diakoniezentrum bestens, seit Herbst 2020 arbeitet sie dort als Diplom-Sozialarbeiterin in der Sozialen Beratungsstelle und der Straßensozialarbeit. Die 42-Jährige ist erfahren in Leitungsaufgaben, sie führte eine Drogenhilfe-Einrichtung in Darmstadt sowie eine Unterkunft für Wohnungslose in Darmstadt und eine Kältehilfeeinrichtung der Diakonie in Berlin. Wilhelm möchte das Weser 5 Diakoniezentrum künftig noch stärker mit anderen Hilfestrukturen im Bahnhofsviertel vernetzen und sie plant, eine gute Zusammenarbeit zwischen Drogen- und Wohnungslosenhilfe aufzubauen, da diese häufig mit denselben Betroffenen arbeiten.


Weiterer Wechsel

Der weibliche Blick im Leitungsteam wird verstärkt von Monika de Bruijn, die im Mai auf Volker Landgraf als stellvertretende Leiterin des Weser 5 Diakoniezentrums folgte. Landgraf leitet seit Mai die Einrichtung „Lebensweisen“ der Diakonie. Die 51 Jahre alte Monika de Bruijn war zuvor acht Jahre lang beim Evangelischen Regionalverband in der Flucht- und Migrationsberatung tätig. „Ich suchte eine neue Herausforderung in der Lebensmitte“, sagt de Bruijn. Sie möchte „einer Randgruppe eine Stimme geben und mit guten Angeboten die Menschen bestmöglich versorgen.“ Auch die Mitarbeitenden des Weser 5 Diakoniezentrums liegen dem neuen Leitungsteam sehr am Herzen. Die Mitarbeiter: innen hielten die Türen im Weser 5 Diakoniezentrum während der Corona-Pandemie immer geöffnet und leisteten mehr Beratung und Unterstützung als zuvor, da andere Institutionen sich während der vergangenen beiden Pandemie-Jahre aus dem persönlichen Kontakt mit Betroffenen zurückgezogen hatten. Das „Wir-Gefühl“ im Team wollen Wilhelm und de Bruijn neu entfachen: „Als Einzelkämpfer wird man nichts.“


Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.