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Luther steht nicht für Deutschtümelei

Es ist ziemlich dreist von der NPD, mit Martin Luther zu werben, findet Petra Sorg, Schulpfarrerin an der Julius-Leber-Schule.

Ein Kommentar von Petra Sorg. Sie ist Religionslehrerin und Seelsorgerin an der Julius-Leber-Schule in Frankfurt sowie Lehrbeauftragte am Institut für Theologie und Sozialethik der TU Darmstadt.

Pfarrerin Petra Sorg ist Religionslehrerin und Seelsorgerin an der Julius-Leber-Schule in Frankfurt sowie Lehrbeauftragte am Institut für Theologie und Sozialethik der TU Darmstadt.
Pfarrerin Petra Sorg ist Religionslehrerin und Seelsorgerin an der Julius-Leber-Schule in Frankfurt sowie Lehrbeauftragte am Institut für Theologie und Sozialethik der TU Darmstadt.

Auf der Straße von Schwanheim nach Sachsenhausen, etwa auf der Höhe von Goldstein, sah ich, was ich zunächst nicht für möglich gehalten hatte. Etwas langsamer an die nächste Straßenlampe heranfahrend, erblickte ich nun genau, was auf dem Werbeplakat stand, das dort angebunden war. Und ich traute meinen Augen nicht, aber es war tatsächlich so:

Es war dort jener Mann abgebildet, der meine Kirche mit ins Leben gerufen hat: Martin Luther. Darüber standen in ebenso fetten wie deutlichen Lettern die drei Buchstaben jener Partei, die nach 1945 in Deutschland kein denkender Mensch wählen kann. Dazu die dreiste Behauptung: „Ich (also Luther) würde NPD wählen.“

Nein, liebe Deutschtümler, das würde er mit Sicherheit nicht. Auch wenn er Juden nicht freundlich behandelte, war Luther doch ein frommer Mann. Einer, der nicht nach dem Pass fragte, den es damals ohnehin nicht gab. So wie es Deutschland noch nicht gab, das Deutsche als Sprache auch erst durch ihn entstand.

Sondern Luther war einer, der nach dem fragte, was er „Gottvertrauen“ nannte. Oder, sagen wir es ein wenig mittelalterlicher: Luther war einer, der Demut übte, weil er Gott fürchtete. So konnte er beispielweise sagen – weil er über sich sehr kritisch nachdachte, sich „selbstbeackerte“, wie er das nannte – dass Demut üben Gott rechtfertigen heißt.

Der Gott, den Luther fürchtete und auf den er hoffte, das ist eben jener Gott, dessen erste Vertraute umherziehende Nomaden waren, auf ihrem Weg vom heutigen Irak nach Palästina. Um dessen Sohn Jesus, der ein Nachfahre eben jener Viehhirten, Könige und Vertriebenen war, ein Jude, sich nach seinem Tod und der unerwarteten Auferstehung Griechen und Juden und Römer und Heimatlose aller Länder scharten.

Jesu‘ berühmtester Apostel, ein Mann aus Tarsus, der heutigen Türkei, geboren als gesetzestreuer Pharisäer Saulus, war ein original griechisch denkender Intellektueller, Bürger des römischen Weltreiches, und wurde als Paulus, der „Kleine“, demütig und berühmt.

Ein Mann wie Luther und alle, die sich auf ihn berufen, auch ich, trennt nicht nach Hautfarbe, Geschlecht, Pass, Nationalität oder sonst etwas. Luther würde nie eine Partei wählen, die Grenzen zieht zwischen einem „uns“ und „denen“. Mit Luther lässt sich keine Festung Europa bauen, um Flüchtenden die Tore vor der Nase zuzumauern.

Mit Luther lässt sich nur ein Lied singen: „Ein feste Burg ist“ – nein, nicht Deutschland, nicht Deutschtümelei, sondern „unser Gott“. Dieses „unser“ endet nicht in Bad Muskau oder Saarbrücken. Es ist so grenzenlos wie Menschenfreundlichkeit und Demut es erlauben.


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Regelmäßig veröffentlichen wir im EFO-Magazin Gastbeiträge von Frankfurter und Offenbacher Pfarrerinnen und Pfarrern oder anderen interessanten Persönlichkeiten.

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