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Mut-Lektüre für den Corona-Herbst

„Queres aus der Quarantäne“, ein Büchlein mit theologischen Impulsen von Thorsten Latzel, Direktor der Evangelischen Akademie Frankfurt, versammelt zwölf auf dem Höhepunkt der ersten Pandemiewelle verfasste Reflexionen mitsamt einer Handvoll Gebete.

Thorsten Latzel, Queres aus der Quarantäne – Geistliche Gedanken zur Pandemie. Books On Demand. 112 Seiten, 9,99 Euro.
Thorsten Latzel, Queres aus der Quarantäne – Geistliche Gedanken zur Pandemie. Books On Demand. 112 Seiten, 9,99 Euro.

„Glauben denken“ – so heißt der Blog mit den Theologischen Impulsen von Thorsten Latzel auf der Website der Evangelischen Akademie Frankfurt. Während der Zeit der Kontaktbeschränkungen erschien dort sowie auf den Social Media-Kanälen der Akademie alle paar Tage ein kleiner Wegbegleiter und Reflexionshelfer im Dschungel eines gleichsam zusammengeschrumpften wie unübersichtlichen Alltags, dem auf ungewisse Zeit nicht allein eine Dimension abhanden gekommen war.

In diesen kleinen Texten finden sich die großen Themen: Angst, Klage, Schuld, Gnade, Liebe, Auferstehung, Versuchung. Der Autor entfaltet sie aus der alltäglich Erfahrung mit den Mitmenschen, den Umständen, den neuen Lebensbedingungen und all den unsortierten, vagabundierenden Gefühlen, Ängsten, Nöten, welche die Pandemie begleiten. Zugleich verbindet er sie mit teils kniffligen theologischen Fragestellungen. Das Große und das Kleine werden hier kreuz und quer verklammert zu probeweise neuen Perspektiven. Kleine Haltestellen, Minutenlektüren mit Tragweite, Echolote der Pandemie. Und wo die Worte kaum reichen, wechseln die Formate: auch Gebete, Gedichte oder Exoten wie ein optisches Glaubensbekenntnis finden sich hier.

Das wenig mehr als 100 Seiten starke Bändchen erlaubt den Rückblick auf vergangene Tage und ist zugleich Wegzehrung für alles Weitere, nicht nur mit Blick auf die anstehende Jahreszeit, in der es hoffentlich zu keinem Lockdown, sicher aber zu kleineren lokalen Schließungen, Kontaktbegrenzungen, Quarantänen kommen wird, ganz abgesehen von den Folgewirkungen des Frühjahrs. „Queres aus der Quarantäne“ – der Titel kündet von der Kunst, der unbequemen Zumutung immer wieder ein Quäntchen Freiheit abzuringen. Auf dem Cover die Front eines italienisch anmutenden Wohnhauses mit zwölf Fenstern, die anzeigen, dass selbst die Abschottung ganz unterschiedliche Stadien kennt: ein kleiner Spalt hier, die minimale Schieflage eines Fensterladens dort, ein spielerisch verknoteter Vorhang – das eigenwillig Lebendige setzt sich durch auf breiter Front.

So auch in den Texten. Angesichts von Leid, Not, Angst rasten verlässliche Verschlussmechanismen schnell ein: Nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen. Wie weit sich eine Tür dann doch wieder öffnen lässt, trotz allem, das ist das Thema von Thorsten Latzels geistlichen Reflexionen: das Sinnlose im Sinnhorizont des eigenen Lebens verstehen, die Scharniere und Stellschrauben finden, die etwas möglich machen, für mich selbst, aber vor allem: miteinander. Da geht es weder um das Eindeutige noch um das Perfekte oder absolut Richtige. Mit feinem Sprachsinn und vor allem Humor setzt uns der Autor auf die Fährte des suchenden, irrenden, fehlerhaft Menschlichen. „Ich will sie lieben. Doch ich schaffe es nicht. Gerne wäre ich großherzig, gelassen, fürsorglich. Aber es geht dann nicht.“ So klingt das in der „Familien-Klage“. Ganz einfach, ganz ehrlich. Und im Grunde gar nicht schlimm, denn es gibt ja auch immer die Sehnsucht, Gott möge dabei helfen, dass ich der sein kann, „den ich mir selber an meiner Seite wünsche“, denn dann könnte es doch ganz gut klappen, miteinander durch schwierige Zeiten zu kommen.

Spektakulär also müssen die Gedanken nicht sein, um knirschenden Sand aus dem Getriebe entfernen zu können und durch die Corona-Wüste zu kommen. Man muss nur – und dazu ermuntert Latzels Quarantänequerung – ein wenig in die eigene Fremde gehen. Meist reicht ein kleines Abrücken aus, um den hermetischen (Denk-)Raum zu verlassen, sei es im Nahbereich der Familie oder angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen, welche die Pandemie tagtäglich und immer wieder neu für uns bereithält, nicht zu schweigen vom politischen Diskurs. Denn wo es Differenzen gibt, trägt meist weder das eine noch das andere weiter, sondern „irgendetwas dazwischen“, das als gemeinsame Wirklichkeitserfahrung Türöffner werden kann zu neuen Welten, ungeahnten Perspektiven, kleinen und vielleicht sogar großen Wundern. Dass wir diese selbst in den engsten Sperrbezirken vermuten dürfen, gibt uns die Lektüre mit auf dem Weg.

Zum Blog der Akademie "Glauben denken"

Das Buch erschien als Band 3 einer vierteiligen Reihe, zu bestellen bei Books on Demand.


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Silke Kirch 55 Artikel

Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.

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