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Preis geht an vielversprechende junge evangelische Theologinnen und selbstbewusste Katholikinnen

Am kommenden Wochenende verleiht der Verein zur Förderung Feministischer Theologie in Forschung und Lehre e.V. in der Evangelischen Akademie den Leonore Siegele-Wenschkewitz Preis. Der Hauptpreis geht an Joo Mee Hur für eine in Mainz eingereichte Arbeit. Geehrt werden zudem zwei angehende Religionslehrerinnen. Einen ökumenischen Sonderpreis erhält Maria 2.0.

Ausnahmsweise gibt es beim Leonore-Siegele-Wenschkewitz-Preis auch eine ökumenische Auszeichnung - für Maria 2.O I Foto: Rolf Oeser
Ausnahmsweise gibt es beim Leonore-Siegele-Wenschkewitz-Preis auch eine ökumenische Auszeichnung - für Maria 2.O I Foto: Rolf Oeser

Der Leonore Siegele-Wenschkewitz Preis würdigt wissenschaftliche oder projektbezogene Arbeiten, deren Augenmerk auf Feministischer Theologie oder Gender Studies in der Theologie gerichtet ist. Am Sonntag, 5. November 2023, findet um 14 Uhr die Verleihung des Preises in der Evangelischen Akademie, Römerberg 9, Innenstadt, statt.

2023 geht die Auszeichnung an Rev. Prof. Dr. Joo Mee Hur, die sich mit dem Thema „Inheriting the Mother‘s Name. Intercultural Theology, Women‘s Subjectivity and the Arts“ befasst hat. Heiratsmigration in Südkorea und die Minjung-Theologie sind Schwerpunkte der Arbeit, die von der inzwischen in Bossey lehrenden Theologin in Mainz eingereicht wurde.

„Die Minjung-Theologie entstand in den 1970er Jahren in Südkorea als kontextuelle Theologie, also als Theologie, die Antworten gibt auf bestimmte Lebenssituationen und zeitgeschichtliche Entwicklungen. Progressive Theologinnen und Theologinnen reagierten damit auf die Not der ,Masse des einfachen Volkes'", so Joo Mee Hur in einem Interview mit dem Evangelischen Frankfurt und Offenbach. Gerade bei den weniger Betuchten sei Heiratsmigration verbreitet, in drei von vier Fällen handele es sich bei den Zugewanderten um Frauen, äußert sie in dem Gespräch.

Der Nachwuchspreis wurde aufgeteilt: Die eine Hälfte erhält Annabelle Hoffmann für „Geschlechtlichkeit im Corpus Paulinum als exegetische und bibeldidaktische Herausforderung“, die andere wurde Marieke Kutzschbach für „Kontexte, Bausteine und theologische Grundlagen einer queersensiblen Seelsorge im Lebensraum Schule", zugesprochen. Der Ökumenische Sonderpreis geht an die katholische Gruppe Maria 2.0 Frankfurt, die sich gegen Missbrauch und für gleiche Rechte und gleiche Würde in der Kirche einsetzt.

Für die Musik bei der Verleihungsfeier in der Evangelischen Akademie sorgt Cornelia Neuwirth am Piano.



Hintergrund

Die mit 3.000 Euro dotierte Auszeichnung des Vereins zur Förderung Feministischer Theologie in Forschung und Lehre e.V. wird seit Anbeginn in Kooperation mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), der Evangelischen Akademie Frankfurt und dem Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V. vergeben. Seit 2017 wird zudem ein mit 500 Euro verknüpfter Nachwuchspreis hälftig ausgeschrieben. Er kommt Personen zugute, die der Landeskirche angehören oder an einer Hochschule im Bereich der EKHN studieren und in Seminar- oder Hausarbeiten Feministische Theologie oder Gender Studies in der Theologie qualifiziert thematisieren. Der Ökumenische Sonderpreis wird 2023 einmalig verliehen für ein kirchliches Projekt.

Der Leonore Siegele-Wenschkewitz-Preis ist nach der 1999 verstorbenen Kirchenhistorikerin, Theologieprofessorin und ehemaligen Direktorin der Evangelischen Akademie Arnoldshain benannt, die sich intensiv mit Feministischer Theologie und Theologischer Frauenforschung befasste.


Der Festakt ist zusätzlich per Livestream zu verfolgen über die Evangelische Akademie Frankfurt. www.akademie-frankfurt.de
Zur persönlichen Anmeldung unter : https://www.evangelische-akademie.de/kalender/leonore-siegele-wenschkewitz-preis/59820/

Weitere Informationen zu dem Verein zur Förderung Feministischer Theologie in Forschung und Lehre e.V.:www.verein-fem-theologie.de


Renate Jost Foto: privat/Felix Volpp
Renate Jost Foto: privat/Felix Volpp

Professorin Renate Jost, Vorsitzende des Vereins zur Förderung Feministischer Theologie in Forschung und Lehre e.V. im Interview.

Inwieweit wissen junge Theolog:innnen mit feministischer Theologie etwas anzufangen?

Prof. Renate Jost: Vielfach wissen junge Studierende nicht, warum es das gibt, was der Inhalt ist. Der Verein „Förderung Feministische Theologie in Forschung und Lehre e.V.“ wurde ursprünglich gegründet, mit dem Ziel, dass im EKHN-Gebiet eine Professur entsteht. Aktuell erleben wir stattdessen ein Sparprogramm bei den Frauen. In der bayerischen Landeskirche sieht das anders aus, meine Stelle an der Augustana wurde wiederbesetzt.


Vor einigen Jahren wurde ein Buch veröffentlicht mit Biographien von Frauen, die sich in der EKHN einen Namen gemacht haben, auf Wikipedia sind sie auch zu finden, inwieweit steckt da ein Entgegenhalten dahinter?

Ja, so ist es. Deshalb machen wir weiter. Bei dem Leonore Siegele-Wenschkewitz-Preis wurden sehr interessante Arbeiten eingereicht, die Sölle-Tagung in diesem Jahr war ein großer Erfolg. Das Thema muss vermittelt werden. Joo Mee Hur hat in Mainz ihre Arbeit bei Professor Volker Küster eingereicht im Bereich Interkulturelle Theologie. Apl. Professorin Dorothea Erbele-Küster hat sie im Bereich Feministische Theologie inspiriert. Solche Leute braucht es. Auch für die Kommunikation mit anderen Fachbereichen. In Frankfurt gibt es in der Soziologie beispielsweise ein Center Genderforschung und einen entsprechenden Lehrstuhl.


Was schlagen Sie vor?

Mein Wunsch wäre eine Stiftungsprofessur, dafür könnte auch eine Pfarrstelle umgewidmet werden, aber nicht die der Frauenarbeit, die ist auch wichtig. Es stimmt ja nicht, dass man da an der Frauenarbeit der siebziger Jahre festhält. Feminismus ist immer noch sehr relevant, da gibt es weiterhin eine Menge zu tun. Auch die EKHN ist immer noch männlich geführt, noch hatten wir keine Kirchenpräsidentin.


Wie wird kommuniziert?

Heute aktuell ist insbesondere das Thema Intersektionalität, die Diskriminierung aufgrund Geschlecht, Ethnie, Herkunft oder auch Alter. Die Themen sind nach wie vor da. Und sie betreffen auch die Sprache, dazu gehört auch die Körpersprache.


Vor einigen Jahren wurde die Bibel in gerechter Sprache veröffentlicht, maßgeblich gefördert von der EKHN, was wurde daraus?

Das ist ein fortlaufender Prozess, die Herausgeberi:nnen sind dabei, sie zu bearbeiten für die fünfte Auflage. Die EKHN hat für die Entstehung der Bibel in gerechter Sprache sehr viel Geld gegeben, deshalb ist es umso verwunderlicher, dass ihr Engagement für Feministische Theologie jetzt nur noch ehrenamtlich stattfinden kann. Es braucht Professuren an Hochschulen wie die Augustana in Neuendettelsau dazu.


Wie sieht es in anderen Ländern aus in der Theologie?

In den USA sind Woman Studies verbreiteter. Da wie hier gibt es Themen wie MeToo, Missbrauch. Es wäre wichtig, das im Studium zu verankern, auch bei der Bibelauslegung. Und zu fragen: Was sagt die Kirche dazu. Da ist viel zu tun.


Mit den Preisen werden Hoffnungsträgerinnen geehrt. Ein paar Stichworte zu ihnen.

Bei der ersten Preisträgerin, Joo Mee Hur sind Hauptgegenstand der Untersuchung die rund 130. 000 Frauen ausländischer Herkunft, die durch Agenturen vermittelt von - meist ärmeren und nicht mehr jungen- koreanischen Männern geheiratet werden und nun in Korea leben. Der größte Anteil von ihnen stammt aus Südostasien wie zum Beispiel Vietnam und die Philippinen. Die Lage dieser Frauen in Südkorea ist wirtschaftlich, sozial und kulturell in hohem Maße prekär. Frau Joo Me Hur untersucht das Phänomen mit der südkoreanischen Minjung Theologie und verbindet diese mit Einsichten feministischer, Interkultureller und postkolonialer Theologie.

Hur ist inzwischen Professorin für Interkulturelle Theologie im Ökumenischen Institut in Bossey bei Genf. Da sieht man die Wertschätzung von ihr. Eine Rolle bei der Auswahl hat gespielt, dass es eine internationale Arbeit ist, auch, dass sie sich mit Intersektionalität befasst. Schön, dass eine solche Arbeit in Mainz am Fachbereich Evangelische Theologie entstehen konnte.


Und die anderen beiden?

Da hat uns sehr gefreut, dass es sich um Lehramtsstudentinnen handelt, die sehr anregende Arbeiten für den Nachwuchspreis eingereicht haben.


Ausnahmsweise gibt es bei der Leonore Preisverleihung dieses Mal einen ökumenischen Preis – Maria 2.0

Die Katholikinnen stehen unter besonderen Druck. Die katholische Kirche ist immer noch eine Männerkirche, sie hat nicht die formale Gleichberechtigung, die wir haben. Bischof Bätzing mag da offen sein, aber Rom, die Weltkirche, bewegt sich nicht.

Es ist unser Wunsch, die Ökumene zu stärken. Frauen, sind um der Sache und ihres Glaubens willen bereit, sich zu „Närrinnen“ zu machen. Nicht aufzugeben. Der Druck sich zu engagieren, auch die Bereitschaft, ist groß.



Zur Person

Die Theologin Renate Jost war in den achtziger Jahren Gemeindepfarrerin in Frankfurt, in den Neunzigern wechselte sie in Wissenschaft und Lehre. Von 2003 an hatte Renate Jost den neu eingerichteten Lehrstuhl für Feministische Theologie und Gender Studies an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau inne, Ende des Wintersemesters 2020/21 emeritierte sie.


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Bettina Behler 298 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach