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Reformationsgedenken: Sind die Konfessionen in Zukunft versöhnt?

Anlässlich des Reformationsgedenkens lud die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Frankfurt (ACK) am Sonntag vor dem Reformations-Feiertag unter dem Titel „Versöhnte Zukunft“ dazu ein, über die Unterschiede zwischen Glauben und Konfessionen ins Gespräch zu kommen.

Ins Gespräch kommen über unterschiedliche Konfessionen am Sonntag. Foto: Ilona Surrey
Ins Gespräch kommen über unterschiedliche Konfessionen am Sonntag. Foto: Ilona Surrey

Ob das 500. Reformationsjubiläum ein Anlass zum Feiern oder nur des Gedenkens sei, war zwischen evangelischer und katholischer Kirche lange strittig. Dann einigte man sich darauf, das Reformationsjahr für einen Prozess der gemeinsamen „heilsamen Erinnerung“ zu nutzen.

Die evangelische Frankfurter Prodekanin Ursula Schoen wies gestern im Rahmen einer ökumenischen Vesper im Frankfurter Dom darauf hin, wie wenig erforscht die „Versagensgeschichte“ der beiden großen Kirchen sei: Wechselseitige Verurteilungen, die Verfolgung religiöser Minderheiten, gewaltsame Auseinandersetzungen seien ein belastendes Erbe. Dem Wunsch nach Heilung ist die Frankfurter ACK, deren Vorsitz Schoen innehat, aktiv nachgegangen: Einfühlsames Zuhören in Gesprächen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeigen bildete das Fundament für einen Prozess der Versöhnung.

Am Sonntag vor dem Reformations-Feiertag gab es dazu eine dreiteilige Veranstaltung. Zum Auftakt setzten gingen zwei Führungen den Spuren der Reformation in der Stadtgeschichte nach. Die eine widmete sich unter dem Titel „Der Dom war ja auch mal evangelisch“ der Zeit von 1533 bis 1548; die andere folgte den Spuren der Zuwanderung durch Religionsflüchtlinge im Frankfurt des 16. und 17. Jahrhunderts.

Dabei erzählte Pfarrer Holger Wilhelm von den Streitigkeiten zwischen lutherischer und reformierter Kirche, katholischen Einwanderern wie den Familien Brentano und Bolongaro sowie von der gemischt-konfessionellen Familie Steinmetz, die das Haus zum „Großen Engel“ am Frankfurter Römer bewohnte: Der Spitalmeister Steinmetz, ein katholischer Geistlicher, konvertierte zum Protestantismus und trat in den Stand der Ehe, was nicht nur in der Familie, sondern über die Stadtgrenzen hinaus zu Aufsehen und Auseinandersetzungen führte. Eines der geschnitzten Spruchbänder, die den „Großen Engel“ verzieren, zitiert den Zorn Gottes, der jene treffe, die „Hader zwischen Brüdern anrichten“ und scheint mithin – indem er zum friedlichen Miteinander aufruft – unmittelbar den Glaubenskämpfen geschuldet.

An das Erinnern schloss sich der abendliche Teil der Veranstaltung unter dem Motto „Nährendes Erinnern“ im Haus am Dom an. Beim informellen Austausch im Sinne der „Healing Memories“ gaben Kärtchen Anregungen für das persönliche Gespräch über Erlebnisse in der Begegnungen der Konfessionen.

Tischrednerinnen und Tischredner warfen Blitzlichter auf verletzende wie heilsame Erfahrungen: Susanne Bei der Wieden von der evangelisch-reformierten Gemeinde resümierte die Geschichte der reformierten Christen in Frankfurt im Spannungsfeld von Duldung und Einschränkung. Der äthiopische Pfarrer Merga Negeri von der evangelisch-lutherischen Oromegemeinde sagte, er habe hier ein Gefühl der Zugehörigkeit gefunden, wie er es sich bei seiner Ankunft in Frankfurt vor zehn Jahren nicht habe vorstellen können. Dennoch werde die Fremdheit zwischen einander immer wieder spürbar.

Nur ein Bruchteil der zahlreichen in Frankfurt beheimateten christlichen Kirchen und Gemeinschaften war bei diesem erstmalig ökumenischen Reformationsgedenken vertreten. Der Schulterschluss von katholischer und evangelischer Kirche dürfte für zukünftige Auseinandersetzungen wegweisend sein.


Autorin

Silke Kirch 55 Artikel

Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.