Schön oder nicht schön: Das ist hier die Frage
Schön, im Sinne von hübsch, nett, erfreulich sind diese Texte aber nicht. Sondern eher nachdenklich bis melancholisch, wütend bis brennend, - sie gehen unter die Haut. „Wir wollen daran erinnern, wie notwendig Literatur gerade in Krisengebieten ist: kraft ihrer Menschlichkeit und der darin vermittelten Werte“, sagt Martin Schult, geschäftsführender Sekretär des Friedenspreises. „Genau darin sehen wir die Schönheit.“ Stadtpfarrer Olav Lewerenz war von Anfang an für diese Stunde zu begeistern und hat die Katharinenkirche gerne zur Verfügung gestellt.
Die Idee ist ja auch nicht schlecht. Und im Rahmen von „Open Books“, dem Literaturfest zur Buchmesse, auch etwas Besonderes. Denn von den 180 Autoren, die jetzt über 5 Tage– übrigens kostenlos – an mehreren Orten in der Innenstadt lesen, sind die meisten deutsch mit ein paar dem diesjährigen Schwerpunktland Georgien geschuldeten georgischen Ausnahmen. Aber Texte von Autorinnen und Autoren etwa aus China, aus Kuba, Tibet, Israel, dem Senegal oder Pakistan sind eben nur abends in der Katharinenkirche zu hören. Einer schöner Akt der Solidarität, der dieser Literatur Gehör verschafft und den Zuhörenden Vorstellungswelten aus ganz anderen Teilen der Welt näher bringt, zum Teil ungewöhnliche literarische Bilder aufleben lässt und das Verständnis dafür vertieft, dass Literatur nicht überall in Frieden und Freiheit gehört werden kann.
Nicht so schön war gestern allerdings die Qualität des Vorlesens. Die Texte von Oleg Senzow und Yan Lianke aus China wurden auf englisch vorgetragen und waren teilweise akustisch schwer zu verstehen. Der Auszug aus einem Roman des kubanischen Schriftstellers Ángel Santiesteban wurde zwar deutsch und mit viel gutem Willen, aber auch starkem Akzent zu Gehör gebracht.
Umso besser, dass Donnerstag und Freitag etwa mit der Autorin Nora Bossong, dem Lyriker Jan Wagner, der Schauspielerin Judith Schalansky oder dem Krimiautor Friedrich Ani Vorlesetalente in der Katharinenkirche erwartet werden. Am Samstag folgt dann noch ein schönes inhaltliches Schmankerl: Gita Leber und Olaf Lewerenz lesen Texte von Aleida und Jan Assmann, denen am Sonntag um zehn Uhr für ihre Verdienste um das kulturelle Gedächtnis in der Paulskirche der Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen wird. Schön, dass man das miterleben kann.
Najem Wali, geboren in Basra (Irak) und 1980 nach Ausbruch des Iran-Irak-Krieges nach Deutschland geflohen, lebt heute als freier Autor und Journalist in Berlin. Hier (auf demFoto) liest er er aus "Wölfe in der Nacht. 16 Geschichten aus Kuba" von Ángel Santiesteban. Der gefeierte Autor seines Landes erhielt Publikationsverbot aufgrund regimekritischer Äußerungen.
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