Hinter „psychatriekritischem“ Zelt an der Hauptwache steckt Scientology
„Psychiatrie ist organisierte Kriminalität“ behaupten die Plakate auf einem großen Zelt mitten auf der Hauptwache. Zunächst eine Woche lang und dann nach Auskunft der Stadtpolizei Frankfurt noch an weiteren Terminen im Sommer. Veranstalterin der Ausstellung ist die „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM)“ aus München, die eine Tarn- und Unterorganisation von Scientology ist. Dies teilen die Weltanschauungsbeauftragten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und des katholischen Bistums Limburg in einer gemeinsamen Stellungnahme mit.
Mit auf der Zeil verteilten „Einladungen“ werde Werbung für den Besuch der Ausstellung gemacht, in der angebliche Menschenrechtsverletzungen in der Psychiatrie durch große Schautafeln mit martialischen Bildern sowie Videos angeprangert werden. Die Scientology habe wiederholt versucht, in Frankfurt über Schulen und Freizeiteinrichtungen Kinder und Jugendliche zu erreichen. So erhielten Schulleiter Werbematerial für Informationsveranstaltungen wie Anti-Drogen-Seminare, Tage der offenen Tür oder Vorträge im Ethik- bzw. Religionsunterricht. Zunehmend sei die Organisation auch in jugendaffinen Netzwerken und Videoplattformen, wie Facebook, Twitter und YouTube präsent.
In der Ausstellung an der Hauptwache werden Materialien gegen Spenden verteilt, etwa Informationen über Antidepressiva, Neuroleptika, Psychopharmaka oder Tranquilizer. Nur im Kleingedruckten des Flyers ist zu lesen, dass es sich um eine Organisation von Scientology handelt. Auf Listen kann man seine Daten eintragen, um weitere Informationen zu erhalten.
Die christlichen Weltanschauungsbeauftragten zitieren in ihrem Papier interne Scientology-Literatur, in der es über das Ziel von KVPM heißt: „Die Kirche (also Scientology) hat in vielen Ländern psychiatrische Kriminalität und Unterdrückung bloßgestellt […] – alles in dem Bestreben nach einer Zivilisation, in der der Mensch die Freiheit hat, zu größeren Höhen aufzusteigen, wie es in den Zielen der Scientology festgehalten wurde.“
Scientology wirbt durch ein System entgeltpflichtiger Kurse dafür, die eigenen Fähigkeiten zu vergrößern und so „völlige Freiheit“ zu erlangen. Dabei nutzt die Organisation verschiedene pseudo-wissenschaftliche und pseudo-therapeutische Verfahren, wie etwa das „Auditing“, eine Art Therapiegespräch mithilfe eines sogenannten „E-Meters“, der ähnlich einem Lügendetektor funktioniert. Scientology geht zurück auf den US-amerikanischen Science-Fiction Autor L. Ron Hubbard (1911-1986). Ein grundlegendes Prinzip der Organisation sei Expansion mit dem Ziel einer „Scientologisierung“ der Gesellschaft, so die Weltanschauungsbeauftragten. In elf Bundesländern wird Scientology vom Verfassungsschutz beobachtet. In Deutschland hat die Organisation nach Eigenangaben rund 10.000 Mitglieder, in Wirklichkeit wohl eher die Hälfte. An die Beratungsstellen von Kirchen und Staat wenden sich immer wieder Angehörige oder Aussteiger, die von psychischen Druck, finanziellen Abhängigkeiten und Problemen sowie ständiger Überwachung berichten.
Link zur Original-Stellungnahme (pdf) mit weiterführenden Hinweisen
2 Kommentare
Entschuldigung, aber wollen Sie hier allen Ernstes behaupten, es gäbe in der Psychiatrie keine Menschenrechtsverletzungen? Sie sollten sich mal mit Psychiatrie-Opfern unterhalten!
Ob die im Zelt gezeigten Fotos und Videos tatsächlich aus Psychiatrien stammen und in welchem Zusammenhang sie aufgenommen wurde, lässt sich nicht beurteilen. Die Kritik richtet sich daran, dass Scientology versucht Menschen über ein sehr emotionales Thema zu erreichen, nachdem die Versuche in Schulen und Freizeiteinrichtungen zu werben fehlgeschlagen sind. Die Vermischung angeblicher Fakten mit der Ideologie der Sekte unter dem Deckmantel einer selbsternannten Menschenrechtskommission ist eine gefährliche Mischung, über die die Bevölkerung aufgeklärt werden sollte.