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„Ich sehe immer wieder Chancen“

Thea Mohr, die Weltoffene, geht als Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes in Ruhestand.

Thea Mohr arbeitete seit 2001 als Geschäftsführerin für das Diakonische Werk des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach |
Thea Mohr arbeitete seit 2001 als Geschäftsführerin für das Diakonische Werk des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach | Bild: Rolf Oeser

Ein Film über den Dalai Lama für den Fernsehsender arte – das, sagt Thea Mohr, war das Bereicherndste, was sie beruflich gemacht hatte, bevor sie zum Diakonischen Werk kam. Weitgereist war die Mittvierzigerin damals. Schon beim Dualen Studium der Betriebswirtschaft bei der Hoechst AG knüpfte die gebürtige Frankfurterin Kontakte nach Frankreich, Italien und Afrika. Danach ein Studium der Religionswissenschaft und der Theologie, Studienaufenthalte in Indien und Südostasien, Promotion, wissenschaftliche Mitarbeit am religionswissenschaftlichen Lehrstuhl der Goethe Universität, weltweite Dreharbeiten für arte und ZDF – mit diesem Fundus stieg Thea Mohr 2001 als Geschäftsführerin beim Diakonischen Werk ein.

1300 neue Krabbelstubenplätze
Thea Mohr lächelt, wenn sie daran zurückdenkt. Die Vielreisende hatte festgemacht, war voller Elan, „vom globalen Denken zum lokalen Handeln zu kommen“. Im Diakonischen Werk galt es damals, Transformationsprozesse einzuleiten, neue finanzielle Ressourcen für die soziale Arbeit der Evangelischen Kirche aufzutun, Arbeitsfelder umzustrukturieren und Mitarbeitende zu binden. Die nächste Herausforderung ließ nicht lange auf sich warten: 2003 eröffnete die erste Krabbelstube, zwischen 2009 und 2013 schuf das Diakonische Werk in Frankfurt rund 1300 zusätzliche Krabbelstubenplätze. Es galt, in großem Umfang neue Strukturen aufzubauen sowie Personal zu qualifizieren und zu halten.

Mitarbeitende zu fördern liegt Thea Mohr besonders am Herzen. 2021 etablierte sie im Diakonischen Werk eine eigene Weiterbildungsakademie, sie setzt sich mit den Wünschen der Generationen Y und Z an eine ausgeglichene Life-Balance auseinander und beschäftigt sich mit weiteren Anforderungen des „New Work“ an das Sozialunternehmen. Als Personalverantwortliche ist sie für rund 1500 Mitarbeitende zuständig. „Ich habe mich immer dafür stark gemacht, eine Kultur der Offenheit zu pflegen, die die Kompetenzen und Fähigkeiten im Einklang mit der Person fördert.“

Interkulturelle Kompetenzen stärken
Auf dem Weg zu einer Unternehmenskultur, die die Attraktivität der Diakonie als Arbeitgeberin fördert, stehen für Thea Mohr „Diversity Management“ und speziell das Stärken interkultureller Kompetenzen im Zentrum. Seit 2007 ist sie zertifizierte Trainerin und Coach für interkulturelle Kommunikation. „Im Gespräch mit den Teamleitungen unserer Kitas fiel mir auf, dass es bereits im frühen Kindesalter gravierende kulturelle Unterschiede in den Perspektiven auf die Welt gibt. Es war mir ein großes Anliegen, diese Interkulturalität als Ressource zu verankern und mit dem Kerngedanken der Diakonie zu verbinden.“ Um Personal für die wachsenden Kitas zu gewinnen, „haben wir schon seit 2016 ausländische Fachkräfte angeworben. Damit sie sich gut integrieren und wohlfühlen, ist der Zugang zur deutschen Kultur ein wichtiger Schlüssel“.

Fachkräfte aus dem Ausland eng begleiten
Die spanischen Erzieher*innen zum Beispiel sind häufig das Leben in einem großen Familienverbund gewohnt, in Frankfurt erleben sie, „dass wir viel vereinzelter leben. Abends geht jeder seinen Freizeitaktivitäten nach, die Spanierinnen möchten sich nach der Arbeit viel lieber noch treffen und austauschen.“ Auch die in deutschen Kitas gelebte Pädagogik unterscheidet sich deutlich von der spanischen: „Während wir nach der Emmi-Pikler-Pädagogik auf Impulse setzen, die vom Kind ausgehen, wäre dies für die Spanier*innen gleichbedeutend damit, untätig zu sein.“ Das Diakonische Werk setzt auf enge persönliche Begleitung der ausländischen Fachkräfte und bringt ihnen die deutsche Kultur näher, zugleich lernen hiesige Kita-Teams, mit den Unterschieden zu anderen Kulturen umzugehen.

Um für die Herausforderungen der Zukunft gut vorbereitet zu sein, setzt Thea Mohr auf „Arbeiten 4.0“, also stärker auf selbstverantwortliche, kompetenzorientierte Arbeitsstrukturen, Ausbau der Digitalisierung, mehr Präsenz in Social Media, um „seismographisch zu spüren, wohin sich die Gesellschaft entwickelt, und somit auf Veränderungen angemessen reagieren zu können“.

Engagement im Europarat
Und wie geht es im Ruhestand weiter, der am 1. April beginnt? „Es ist ein starker Einschnitt, nach einer langen Phase des beruflichen, lokal zentrierten Einsatzes. Interkulturelle und interreligiöse Themen werden mich begleiten.“ Verschiedene Lehraufträge an Hochschulen führt sie weiter und eine neue sehr reizvolle Aufgabe wartet auf sie: „Ab Frühjahr werde ich im Europarat in Straßburg in einer Kommission zum interreligiösen Dialog mitarbeiten“, sagt sie lächelnd, und: „Ich bin total gespannt, in diesen Kosmos einzutauchen. Wir entwerfen Leitlinien für ein offenes, freies Denken für die Religionen der 47 Nationen im Europarat.“ Es bleibt noch Zeit für einen langgehegten Wunsch: „Ich habe ernsthaft vor, mich intensiv mit Mathematik zu beschäftigen, ich habe mir immer gewünscht, dafür Zeit zu finden.“ Im Oktober geht es los. Wie sie das alles schafft? „Ich bin sehr optimistisch, ich sehe immer wieder Chancen und freue mich auf Herausforderungen.“


Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.