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Jugendsozialarbeit – eine Frankfurter ­Erfolgsgeschichte

Mit rund 350 Mitarbeitenden und 90 Einrichtungen und Projekten gibt die evangelische Kirche Kindern und Jugendlichen Raum und Möglichkeiten, sich zu ent­wickeln.

Breakdance-Battle im Jugendhaus Frankfurter Berg  |  Foto: Rolf Oeser
Breakdance-Battle im Jugendhaus Frankfurter Berg | Foto: Rolf Oeser

Janina hat fünf kleinere Geschwister. Die elterliche Wohnung ist klein und immer voller Menschen. In Ruhe Hausaufgaben zu erledigen, sich zu konzentrieren, ist dort unmöglich. Sie fand im Jugendhaus am Bügel einen Ort, wo sie ihre Aufgaben in einem ruhigen Zimmer erledigen konnte, fand Unterstützung, Anregung und Freunde. Es wurde ihr zweites Zuhause. Rückblickend sagt sie, sie hätte ihren Schulabschluss ohne die Möglichkeiten im Jugendhaus nicht geschafft.

Zu sehen, was Kinder und Jugendliche in dieser Stadt brauchen, woran es mangelt, wo sie Not leiden – materiell oder sozial – das war das Anliegen und auch die Kompetenz der Gründer des Evangelischen Vereins für Jugendsozialarbeit vor rund 40 Jahren. Kirchensteuermittel waren immer knapp, die Stadt fand, die Kirche sei doch „reich“. Die Idee, sich strukturell von der Institution Kirche unabhängig zu machen, und künftig als Verein aufzutreten war der Startschuss für die Erfolgsgeschichte der kirchlichen Jugendsozialarbeit in Frankfurt. Der inhaltliche Auftrag aber war und ist bis heute, der Kinderarmut, Jugendarbeitslosigkeit und der mangelnden kulturellen Teilhabe den Kampf anzusagen. Mit der Gründung des Vereins hat es nach Ansicht von Gründungsmitglied und ehemaligem ERV-Verwaltungsleiter Jürgen Telchow eine entscheidende Umorientierung bei der evangelischen Jugendarbeit gegeben. „Vorher war es immer so, dass religiöse Erziehung im Mittelpunkt stand. Dann entwickelte sich eine Sicht auf die Jugendarbeit, die sich an den Bedürfnissen der Jugendlichen orientierte.“ Heute betreibt der Verein 90 Einrichtungen und beschäftigt rund 350 Mitarbeitende in seinen Einrichtungen und Projekten. Darunter zahlreiche Jugendhäuser oder die Schreinerwerkstatt und der Lernbetrieb, wo im Rahmen der Ausbildungsförderung und Jugendberufshilfe junge Menschen eine Ausbildung machen können. Übrigens: In der Schreinerei kann jeder und jede auch Möbel in Auftrag geben oder reparieren lassen. Auch die Schulsozialarbeit – von der Grundschule bis zur Berufsschule – ist ein Schwerpunkt der Arbeit. Was jedoch alle Angebote eint, ist die Haltung: Kinder und Jugendliche sind von Gott geliebte Menschen, unabhängig vom jeweiligen Geschlecht, der Religion oder der nationalen ethnischen, kulturellen oder sozialen Herkunft. Alle Kinder und Jugendlichen in dieser Würde zu stärken und in der Selbstwirksamkeit zu fördern – auch und gerade wenn es darum geht, schwierige Lebensumstände zu meistern – ist das Ziel und ein zutiefst christliches Leitbild.

„Etwa 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Frankfurt fallen heute unter den Begriff der ,Armut‘, sagt Miriam Walter, seit 2000 Geschäftsführerin des Vereins. Und der Anteil wachse. Diese Kinder und Jugendlichen seien auf Unterstützung existentiell angewiesen. Corona hat die Situation in den Familien zusätzlich verschäft und ungleiche Bedingungen noch deutlicher gemacht. Die technische Ausstattung ist zum Teil bei Null. Es fehle an Tablets, Laptops, Druckern oder Scanner. Homeschooling sei unter diesen Vorraussetzungen nicht machbar, so Walter. „Wenn diese Jugendlichen mit Freunden chatten wollen, gehen sie zu Rewe ins W-LAN-Netz“, so Walter weiter. Jedoch seien durchaus auch Kinder und Jugendliche aus sogenannten gut situierten Familien betroffen, ergänzt sie. Die Stärke des Vereins und seiner hochmotivierten und professionellen pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei es, zu sehen, was es braucht, woran es mangelt und gezielt und effektiv Angebote zu machen und dabei flexibel auf sich wandelnde Verhältnisse und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in einer Großstadt zu reagieren.

Das letztendliche Ziel der ganzen Arbeit ist: Kinder und Jugendliche sollen ihre Fähigkeiten und Begabungen entfalten dürfen. „Herauszufinden, wozu man sich eignet und eine Gelegenheit zu finden, dies zu tun, ist der Schlüssel zum Glücklichsein“, ist ein Zitat des US-amerikanischen Philosophen und Pädagogen John Dewey, der als Leitsatz in der Broschüre des Vereins zum 40-jährigen Bestehen steht. Seit rund einem Jahr ist im Kontext der Fusion der Raum Offenbach noch mit dazugekommen. An beiden Standorten wird der Verein auch künftig eine wichtige Säule sein im Leben von Kindern und Jugendlichen, wenn es darum geht, Neues zu entdecken, sich weiterzubilden, jemanden zu finden, der zuhört, wenn sie sich Sorgen machen, jemanden, der konkret hilft und mit überlegt, was als nächster Schritt getan werden kann und auch dranbleibt, Mut macht und Halt gibt. Stiftungen, Unterstützer, Partnerschaften und Kooperationspartner stehen dafür an der Seite des Vereins. Spenden sind jedoch immer herzlich willkommen.

Film
Zum Jubiläum ist ein Doku-Film über die Arbeit des Evangelischen Vereins für Jugendsozialarbeit entstanden und richtig gut geworden.
Klick rein: https://www.jugendsozialarbeit-evangelisch.de/40jahre

Kochbuch „Gebäck aus aller Welt“
Als Dankeschön an die Mitarbeitenden des Vereins und für Stiftungen und Unterstützer:innen hat der Lern­betrieb Ende vergangenen Jahres ein Rezeptbooklet produziert. Mit viel Liebe und Backkunst ist von den Auszubildenden eine Sammlungen von Gebäckrezepten aus ihren jeweiligen Herkunftsländern entstanden. So finden sich in dem wunderschön gestalteten Büchlein etwa „Alfajores de Maizena“ aus Portugal, „Badam Pista Burfi“ aus Indien oder „Bienenstichtaler“ aus Deutschland. Das kleine Kochbuch kann kostenlos bezogen werden unter ev.verein@frankfurt-evangelisch.de

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Autorin

Sandra Hoffmann-Grötsch ist Journalistin in der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach.