Zugespielt ... - Kolleginnen und Kollegen im Porträt

"Teamarbeit ist essenziell"

Hospizleiterin Dagmar Müller leitet seit elf Jahren das Evangelische Hospiz in Frankfurt. Menschen und deren Angehörige in der letzten Lebensphase zu begleiten, das ist ihre Herzensaufgabe.

Foto: Oeser
Foto: Oeser

Wie war Ihr beruflicher Weg?

Müller: Nach meiner Ausbildung zur Krankenpflegerin habe ich Politik, Geschichte und Soziologie mit Schwerpunkt Gesundheitswesen studiert und promoviert. Dann habe ich gemerkt, mich zieht es in die Praxis, ich will nah am Menschen sein, etwas bewegen, etwas verändern. Und ich hatte schon immer eine besondere Verbindung zu Menschen in der letzten Lebensphase. Viele, die sterben müssen, wissen auch ganz genau, was los ist, wann es so weit ist. Als ich anfing in den 80er Jahren, gab es noch viel weniger Bewusstsein und – im wahrsten Sinne des Wortes – Raum für Sterbende. Die wurden dann in den Krankenhäusern ins Bad geschoben oder dergleichen. Da hat sich viel geändert.

Sind Sie mit Ihrer Arbeit glücklich?

Müller: Ich erlebe viel konkrete Wertschätzung bei meiner Arbeit – von Patienten und Angehörigen. Wir geben uns im Team gegenseitig Kraft, reflektieren und entwickeln uns gemeinsam. Man kann bei dieser Arbeit kein Einzelkämpfer sein. An meinem Arbeitgeber schätze ich, dass wir im Hospiz einen Tariflohn erhalten, der auch der Arbeit entspricht. Außerdem gibt es einen eigenen Förderverein für die Hospizarbeit.

Was ist wichtig im Leben für Sie?

Müller: Ich finde es wichtig, Menschen in meinem Leben zu haben, auf die ich mich verlassen kann und die mich nehmen, so wie ich bin. Und für mich selbst finde ich wichtig, authentisch, klar und offen sein zu können. Und mich selbst dabei nicht zu wichtig zu nehmen. Lieben zu können ist wichtig. Und das kann ich ja nur, wenn ich mich öffne, wenn ich mich zeige in meinen Nöten und Schwächen und dabei anderen Menschen vertraue. Wenn ich enttäuscht werde, dann kann ich verzeihen und wieder neu vertrauen.

Sind Aussprachen am Sterbebett gut?

Müller: In der letzten Lebensphase wird das weiter gelebt, was vorher auch da war. Die Themen in der jeweiligen Familie und ihrer Geschichte sind alle präsent und auch spürbar. Vielleicht geht noch eine Klärung, vielleicht auch nicht, aber die Geschichte ist gelebt, die Beziehung jahrelang gewachsen und daran hat auch der sterbende Mensch seinen Anteil gehabt. Es ist nicht sinnvoll, da zu viel zu erwarten oder Schuldgefühle zu haben.

Wie ist Weihnachten im Hospiz?

Müller: Die Advents- und Weihnachtszeit ist im Hospiz eine sehr besondere Zeit. Für viele ist es das letzte Mal und sie wissen das. Angehörige oder wir Pflegekräfte schmücken die Räume. Es gibt auch eigentlich so manche Adventsfeier und einen Weihnachtsgottesdienst. Mit Corona ist das nun leider auch schwieriger geworden.

Wie tanken Sie Kraft?

Müller: Vor allem in der Natur, beim Spazierengehen, oder auf meinem Arbeitsweg. Jeden Morgen fahre ich mit dem Fahrrad von Bad Vilbel in die Frankfurter Innenstadt und zurück. Das tut gut. Und ich hole mir Kraft aus meiner Arbeit, vor allem aus dem Zusammenhalt im Team.


Autorin

Sandra Hoffmann-Grötsch ist Journalistin in der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach.