Zugespielt ... - Kolleginnen und Kollegen im Porträt

Verwaltung ist echt nicht mein Ding!

Tanja Sacher arbeitet als Pfarrerin beim Kirchlichen Flüchtlingsdienst des ERV am Flughafen und in der Kirchengemeinde Steinbach.

Foto: Rolf Oeser
Foto: Rolf Oeser

Woher stammen Sie?

Sacher: Geboren und die ersten neun Jahre aufgewachsen bin ich in Nowosibirsk. Dann kamen wir nach Deutschland und ich lebte in einem Ort zwischen Heidelberg und Karlsruhe. Zum Theologiestudium bin ich dann nach Berlin gegangen, mein Hauptstudium und das Examen habe ich wieder in Heidelberg gemacht und mein Vikariat in der EKHN, weil ich mit meinem Mann, der auch Theologe ist, in einer Landeskirche verortet sein wollte. Nun bin ich mit halber Stelle Gemeindepfarrerin in Steinbach im Taunus und mit der anderen halben Stelle im Kirchlichen Flüchtlingsdienst des ERV tätig.

Wie ist die Arbeit in zwei Welten?

Sacher: Ich bin sehr glücklich damit. Ich mache überall tatsächlich das, wofür ich Pfarrerin geworden bin. Zum Beispiel Seelsorge, Begleitung und Gemeindeentwicklung. Ich halte Gottesdienste, und zwar in einer bunten, coolen Gemeinde, die wirklich eine Gemeinde für alle ist, die Lust haben, zusammen etwas zu machen, was anderen zu Gute kommt. Auch in Kontakt mit Vereinen und der Stadt. Ich habe einen tollen Pfarrkollegen, der eine ganze Stelle hat und damit die Geschäftsführung und den stellvertretenden Vorsitz im Kirchenvorstand. Ich bin sein Sidekick und übernehme einige Gottesdienste, Kasualien und die Konfis. Er nimmt mir dafür die ganze Verwaltung ab. Die ist echt nicht mein Ding.

Und in der Flüchtlingsarbeit?

Sacher: Der Frankfurter Flughafen ist die größte europäische Außengrenze in Deutschland. Wenn Menschen über den Luftweg nach Deutschland kommen und hier einen Antrag auf Asyl stellen wollen, dürfen sie nicht ohne Weiteres einreisen, sondern müssen zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtung im Transitbereich. Alle, die keine gültigen Reisedokumente haben, müssen unter haftähnlichen Bedingungen solange dort bleiben, bis sie das Aufnahmeverfahren durchlaufen haben. Aktuell dauert das gute zwei Wochen. Und alle, die dann abgelehnt werden, bleiben dann in der Einrichtung, bis sie zurück müssen. Das kann Monate dauern. Die Menschen haben oft nichts als das, was sie am Körper tragen. Meine Kolleg:innen beraten sie über das Verfahren, aber auch bei allen anderen Anliegen. Ich begleite seelsorgerlich, stehe ihnen bei, tröste, höre zu und kümmere mich um ganz Alltägliches wie ein paar Schuhe oder einen Geburtstagskuchen für ein Kind. Ich will zeigen: „Ich sehe Dich!“

Belastet sie das dort Erlebte?

Sacher: In den ersten Wochen schon. Ich habe da noch alles mit Heim genommen und von den Erlebnissen dort geträumt: Von ihren Folterspuren und Tränen, von ihrer Flucht und Angst. Es ist gut, dass zwischen meinen beiden Einsatzorten eine halbe Stunde Fahrzeit liegt. Diese Zeit nehme ich mir für mich. Meinen Flughafenausweis lasse ich ganz bewusst immer im Auto liegen und nehme ihn nicht mit ins Haus. Und Supervision mache ich natürlich auch.

Helfen Sie auch Ukraine-Flüchtlingen?

Sacher: Natürlich! Die Menschen aus der Ukraine brauchen gerade jede Hilfe. Und da ich Russisch spreche, werde ich auch da besonders gebraucht. Auch zu Hause haben wir zwei ukrainische Gäste aufgenommen.

Mit drei Kindern - wie machen Sie das alles?

Sacher: Ohne Google-Kalender wären mein Mann und ich aufgeschmissen. Wir machen das alles Hand in Hand und haben eine Schule, wo die Kinder keine Hausaufgaben mit nach Hause bringen und wir die Zeit sinnvoll verbringen können.


Autorin

Sandra Hoffmann-Grötsch ist Journalistin in der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach.