Evangelischer Ritterorden mit 900 Jahren Tradition
Als Hubertus Colsman im Sommer 2017 zusammen mit 75 anderen Männern aus ganz Deutschland in der Schlosskirche zu Wittenberg zum „Rechtsritter des Johanniterordens“ geschlagen wird, ist das „ein Gänsehautmoment“, wie er sagt. Für die Zeremonie wird dem 49 Jahre alten Frankfurter der schwarze Ordensmantel und das achtspitzige Ordenskreuz umgelegt, das an die acht Seligpreisungen der Bergpredigt Jesu erinnert. Hubertus Colsman kniet vor dem Altar nieder und wird vom Herrenmeister auf beiden Schultern mit dem Ordensschwert berührt.
Ritter, Ordensbrüder, Herrenmeister – was altertümlich klingt, verweist einfach nur auf eine sehr lange Tradition. Bekannt sind „Die Johanniter“ heute vor allem wegen ihrer Unfall-Hilfe, deren Rettungswagen oft im Einsatz sind. Aber die Ursprünge reichen neun Jahrhunderte bis ins Jahr 1099 zurück.
Damals, nach dem ersten Kreuzzug, wurde der Orden in Jerusalem gegründet. Während der Reformation ist ein Teil des Ordens evangelisch geworden, der andere Teil blieb katholisch und nannte sich „Malteser“. Im 19. Jahrhundert stellten die preußischen Könige den Johanniterorden unter ihren Schutz, ihre Nachfahren sind bis heute die „Herrenmeister“, also eine Art Vorstandsvorsitzende. Derzeit ist es Oskar Prinz von Preußen.
Wer Johanniterritter wird, verpflichtet sich zum sogenannten Doppelauftrag: Wahrung des Glaubens und Hilfe von Bedürftigen. „Viele Banker oder Juristen, die sich in mittleren Jahren entscheiden, Johanniter zu werden, beschäftigen sich noch einmal neu mit ihrem Glauben und wirken in die Gesellschaft hinein“, sagt Pfarrer Michael Frase. Der Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt und Offenbach ist selbst hessischer Johanniterritter.
Zur Tradition gehört auch, dass man sich nicht einfach beim Johanniterorden anmelden kann, sondern von einem Ordensbruder vorgeschlagen werden muss. Während es bei den katholischen Maltesern inzwischen auch Ordensfrauen gibt, ist der evangelische Ritterorden bis heute Männern vorbehalten. Viele Ehefrauen engagieren sich aber ebenfalls.
Seit 1947 gehört der Johanniterorden mit seinen deutschen Genossenschaften zur Evangelischen Kirche in Deutschland, ist finanziell aber unabhängig. Neben der international arbeitenden Unfall-Hilfe mit ihren 1,3 Millionen Mitgliedern betreiben die Johanniter auch Krankenhäuser oder Seniorenheime. Der Orden hat heute über 4000 Mitglieder. Er ist in sogenannte „Kommenden“ und „Sub-Kommenden“ unterteilt; von letzteren gibt es im Bereich Frankfurt und Offenbach zwei. Die Ordensbrüder und ihre Frauen treffen sich einmal im Monat reihum bei einem zu Hause. Man isst zusammen und hört sich dann einen Vortrag zu einem religiösen, sozial- oder kirchenpolitischen Thema an. „So wachsen über die Jahre Beziehungen, und es entsteht eine schöne Gemeinschaft“, sagt Frase.
„Johanniter zu sein, hat mein soziales Gewissen geschärft und meinen evangelischen Glauben vertieft“, bekräftigt Hubertus Colsman. „Ich kann mir gut vorstellen, mich nach meiner Pensionierung noch mehr zu engagieren.“
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