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Frankfurter Bibelmuseum: Rückblick auf zwanzig bewegte Jahre

Das Bibelmuseum am Frankfurter Museumsufer feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Viele hochkarätige Ausstellungen hat es in dieser Zeit gegeben, doch in Zukunft kann das Haus nur weiterexistieren, wenn es neue Finanzquellen erschließt. Denn die Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau wird es ab 2025 nicht mehr im bisherigen Umfang finanzieren.

Attraktion im Foyer ist ein originalgetreu nachgebautes Boot vom See Genezareth. | Foto: Rui Camilo
Attraktion im Foyer ist ein originalgetreu nachgebautes Boot vom See Genezareth. | Foto: Rui Camilo

„Die Bibel“, sagt Veit Dinkelaker, „ist eine Grundlage unserer Kultur. Ohne sie zu kennen, kann man viele Werke aus Kunst und Literatur, aber auch unser gesellschaftliches Zusammenleben nicht verstehen.“ Dinkelaker ist Direktor des Frankfurter Bibelmuseums, von daher ist es sein Job, die Bedeutung der Bibel herauszuheben. Aber er hat recht: Warum hat die Woche sieben Tage? Woher kommt der Ausdruck „Perlen vor die Säue werfen“? Oder was ist ein „Damaskus-Erlebnis“? Die Antwort steht – in der Bibel.

Das Bibelmuseum am Frankfurter Museumsufer feiert dieses Jahr 20. Jubiläum. Im Jahr 2003 gab die Reformierte Gemeinde ihren damaligen Kirchraum in der Metzlerstraße zur Miete frei, das war die Gelegenheit, eine bereits in den 1990er-Jahren von dem damaligen Propst Dieter Trautwein gegründete Bibelausstellung dort fest zu etablieren. Frankfurt stehe ein Bibelmuseum gut an, sagt Veit Dinkelaker, denn nach dem Tod Martin Luthers, also in der Mitte des 16. Jahrhunderts, wurden in der Messestadt die meisten Bibeln gedruckt.

Viele alte Bücher machen jedoch noch kein Museum – dafür braucht man Ausstellungsobjekte. Zum Glück gibt es „das Boot“, den neun Meter langen, originalgetreuen Nachbau eines Fischerbootes vom See Genezareth aus der Zeit Jesu; das Original wurde in der Nähe von Magdala gefunden. Mit dem Einzug des Bootes in den Eingangsbereich durfte sich das Bibelhaus „Museum“ nennen. Und das Konzept sei aufgegangen: Schon im ersten Jahr kamen laut Dinkelaker rund 20.000 Besucher:innen.

Hunderte Fundstücke aus der Zeit Jesu

Älteste Zeugnisse der Bibel in Form von Papyrus-Handschriften wurden mit finanzieller Hilfe der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau erstmals 2006 ausgestellt. Für solche wertvollen Dokumente entstand im Untergeschoss ein Sicherheitsbereich. Ein Papyrus mit dem Fragment der Salbung in Bethanien (Matthäusevangelium, Kapitel 25) ist bis heute als Kopie zu sehen.

Wesentlich wurden die Kontakte, die der Gründungsdirektor des Bibelmuseums, Jürgen Schefzyk, über den Fachbereich Archäologie der Uni Mainz zur israelischen Antikenverwaltung knüpfte. Diese staatliche Behörde für archäologische Funde in Israel hat es ermöglicht, dass 2010 mehr als 300 Fundstücke aus der Zeit Jesu ins Frankfurter Bibelmuseum kamen. Es sind vor allem Alltagsgegenstände, die auf die Geschichte und Geschichten des Neuen Testaments verweisen: Salböl-Fläschchen aus einem Grab in Jerusalem, Schmuck aus Glas und Gold, jüdische Reinheitsgefäße aus Kalkstein, ein römischer Schlüssel, Weinkrüge aus dem Ort Kana, aber auch Gegenstände aus der Festung Masada am Toten Meer.

Im Jahr 2010 wurde das Museum für ein Jahr geschlossen, erweitert und modernisiert. Dinkelaker konzipierte damals eine erlebnisorientierte Didaktik, „ein niedrigschwelliges Angebot, um die Bibel und ihre Zeit lebendig werden zu lassen“, wie er sagt. Seither dürfen Besucher:innen sich ins Boot vom See Genezareth hineinsetzen, sie können an Audiostationen fiktive Erzählungen eines römischen Legionärs oder von Maria Magdalena hören oder eine Animation des jüdischen Tempels von Jerusalem ansehen. Oder auf dem Nachbau einer Gutenberg-Druckerpresse eine Seite aus der Bibel drucken, wie vor 500 Jahren. Inzwischen gibt es auch ein digitales Angebot mit Audioguide, Mitmachstationen und einer Online-Ausstellung zum Thema „Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“.

Viele Jugendliche kommen mit ihren Schulklassen

Noch immer besuchen pro Jahr rund 20.000 Menschen das Museum, viele in Gruppen. Zwei Drittel sind Jugendliche, die meist mit ihren Schulklassen kommen. „Die Bibel ist ein interkulturelles Buch. Wir arbeiten mit dem Jüdischen Museum und einer Moscheegemeinde zusammen, um das deutlich zu machen“, sagt Dinkelaker. Gerade die Zusammenhänge von Judentum, Christentum und Islam seien ein stark nachgefragtes Thema, weshalb es im Bibelmuseum seit kurzem einen eigenen Bereich über das Verhältnis von Tora, Bibel und Koran gibt.

Immer wieder haben thematische Sonderausstellungen bestimmte Aspekte hervorgehoben. Ein Höhepunkt war etwa die Schau „Luthers Meisterwerk“ im Jahr 2015, zu deren Eröffnung sogar Bundespräsident Joachim Gauck kam: Zu sehen war eine Original Gutenberg-Bibel von 1445/55; sie war unter Polizeischutz von der Frankfurter Universitätsbibliothek ans Museumsufer transportiert worden. Markant war auch die Ausstellung „Prachtvoll“ im Jahr 2009, als die „Ottheinrichbibel“ gezeigt wurde, das älteste illustrierte Neue Testament in deutscher Sprache.

Neustes Projekt: Eine Ausstellung über die Samariter

Auch im diesem Jubiläumsjahr wird es eine Sonderausstellung geben: Vom 1. März bis 28. Mai zeigt das Bibelmuseum unter dem Titel „Respekt: Samariter*innen in der Bibel und heute“ unter anderem Videos des israelischen Filmemachers Moshe Alafi über die noch heute „biblische“ Lebensweise von Samaritern und Samariterinnen. „Das ist eine kleine Gemeinschaft von 850 Menschen in Israel und der Westbank“, sagt Dinkelaker, „davon ausgehend lassen sich 3500 Jahre Kulturgeschichte entfalten“.

Für die Realisierung dieser Sonderausstellung arbeitet das Museum zum ersten Mal mit amerikanischen Partnern zusammen, der Yeshiva-University New York und dem Museum of the Bible, Washington D.C. Die „Samariter“ wurden vor allem wegen der Geschichte vom „Barmherzigen Samariter“ aus dem Lukasevangelium, Kapitel 10, zum Synonym für christliche Nächstenliebe. Aber Dinkelaker ist auch die Samariterin am Brunnen wichtig, deren Geschichte im Johannesevangelium, Kapitel 4, erzählt wird: „Sie führt mit Jesus eine kurze Diskussion auf Augenhöhe über Identität, Diversität und das Verhältnis der Geschlechter.“

Finanzierung ab 2025 ungewiss

Wie es mittelfristig mit dem Bibelhaus weitergeht, ist ungewiss. Denn die Finanzierung wackelt. Der Betrieb des Museums wird – neben Zuschüssen und Spenden von der Stadt Frankfurt, der Metzler Bank, verschiedenen Stiftungen und weiteren Förderern – größtenteils von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) finanziert: Sie übernimmt derzeit bei einem Jahresbudget von rund einer Million den Hauptanteil von 600.000 Euro. Ab 2025 wird sie diesen Zuschuss allerdings auf maximal 300.000 Euro kürzen, und auch das nur, wenn das Haus ein neues, auf Bibelpädagogik fokussiertes Konzept vorlegt und zusätzliche Finanzquellen akquiriert. Informationen zu Spendenmöglichkeiten unter www.bibelhaus-frankfurt.de/spenden.


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.