Das Silberamulett: ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen
In der Römerstadt Nida wurde 2018 ein silbernes Schutzamulett im Grab eines Mannes aus dem dritten Jahrhundert nach Christus gefunden. Darin eingerollt ist eine 90 Millimeter lange beschriftete Silberfolie, die erst Ende des letzten Jahres entziffert wurde. Warum hat das sechs Jahre gedauert?
Die Folie wäre zerfallen, wenn man sie entrollt hätte. Man musste also warten, bis man sie technisch durchleuchten konnte. Das war jetzt mithilfe von Computertomographie im Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz möglich.
Was hat man entdeckt?
Ein Team von Archäologen, Historikern und Theologen konnte 18 Zeilen in lateinischer Handschrift entziffern. Darunter zwei Hagiogramme, das sind Kürzel für heilige Namen, die es in vielen Religionen gab. Hier stehen sie für Jesus Christus. Die Inschrift beginnt mit den Worten: 'Im Namen des Heiligen Titus. Heilig, heilig, heilig! Im Namen Jesu Christi, Gottes Sohn.' Titus war ein Mitarbeiter von Paulus. Das dreifache Heilig stammt aus Jesaja und wurde ab dem 5. Jahrhundert bis heute im Gottesdienst verwendet. Die Inschrift endet mit den Worten: "Dieses Rettungsmittel schütze den Menschen, der sich hingibt dem Willen des Herrn Jesus Christus, Gottes Sohn, da sich vor Jesus Christus alle Knie beugen, die Himmlischen, die Irdischen und die Unterirdischen, und jede Zunge bekenne sich (zu Jesus Christus)." Der letzte Teil ist bekannt als Philipperhymnus, den Paulus kannte und zitierte.
Was ist so besonders an diesem Fund, dass Oberbürgermeister Mike Josef von einer Sensation sprach?
Wir haben den ältesten sicher datierbaren Text einer neutestamentlichen Schrift aus der Mitte des dritten Jahrhunderts nördlich der Alpen hier bei uns in Frankfurt gefunden. Er ist mindestens 50 Jahre älter als bisher bekannte. Die lateinische Glaubensinschrift zeigt außerdem, dass die Worte in Gebrauch waren. Ein Mensch hat sie sich in seiner Sprache, eben lateinisch, zu Eigen gemacht. Die Bibelworte hatten so hohe Bedeutung für ihn, dass er sie offensichtlich bei seinem Tod um den Hals tragen wollte. Dazu muss man wissen, dass viele Bibelübersetzungen damals griechisch waren.
Im dritten Jahrhundert war das Christentum im Römischen Reich noch eine verfolgte Untergrund-Religion. Brauchte er auch deshalb Schutz?
Das kann man sich vorstellen, aber natürlich nicht wissen.
Stoff für einen Roman.
Wenn Sie so wollen, ja. Was wir wissen, ist, dass Schutzamulette in der Antike aber ganz gebräuchlich waren, wie wir auch bei uns im Bibelmuseum zeigen. Da werden Engel und verschiedene Gottheiten, wie germanische oder griechische, meist gleichzeitig angerufen. Dieses Nebeneinander war typisch und Teil der Alltags-Religiosität. Auch im Vergleich dazu hat das Silberamulett mit der rein christlichen Glaubensinschrift aus der Römerstadt Nida eine andere Qualität.
Inwiefern schreibt es die Geschichte des Christentums nördlich der Alpen um?
Immer wenn ein Schlüsselfund gemacht wird, kann das die Forschungslage darüber verändern. Wer weiß, vielleicht finden sich jetzt noch andere frühe christliche Zeugnisse in dem Gräberfeld in der Römerstadt in Praunheim. Oder die Forscher können andere Schlüsse aus bisherigem Wissen ziehen. Es bleibt spannend.
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