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Diakonie-Hilfe für Wohnungslose am Flughafen: Nah an den Menschen

Krankenschwester und Politologin Kathrin Höhl ist Mitarbeiterin der Aufsuchendenden Sozialarbeit. Erste Hilfen, Beratung und Pflege gehören zu ihren Aufgaben.

Krankenschwester Kathrin Höhl versorgt obdachlose Menschen am Frankfurter Fughafen. I Foto: Rolf Oeser
Krankenschwester Kathrin Höhl versorgt obdachlose Menschen am Frankfurter Fughafen. I Foto: Rolf Oeser

Frau S.* ist auf der Suche nach Flaschen. Sie schiebt einen der Gepäckwagen von Fraport durch eine Ladenstraße im Bauch des Frankfurter Flughafens. Stützt sich für einen kurzen Austausch mit Kathrin Höhl auf den Gepäckwagen. Mit ihrem hellen Halbmantel und dem schwarzen Pulli um die Schultern ist die alte Dame kaum von den anderen Gästen des Flughafens zu unterscheiden. Nur, dass sie und ihr Gepäck nicht abfliegen werden. Frau S.* ist eine von 40 bis 60 hilfsbedürftigen Personen ohne Wohnung, die am Frankfurter Flughafen leben.


Weite Wege auf der Suche nach Flaschen

Kathrin Höhl, die ausgebildete Krankenschwester und studierte Politologin, macht sich mehrmals in der Woche auf den Weg durch den Flughafen, um Wohnungslose pflegerisch zu versorgen. Heute Morgen haben allerdings viele, die sie regelmäßig trifft, ihre Stammplätze schon verlassen: „Sie bewegen sich unfassbar viel durch den Flughafen, um Flaschen zu sammeln.“


Die Menschen sind sehr geradeheraus

Seit dem 1. Dezember arbeitet Kathrin Höhl in der Aufsuchenden Sozialarbeit der Diakonie Frankfurt und Offenbach am Frankfurter Flughafen. 20 Stunden in der Sozialarbeit, zehn Stunden in der Pflege. Ihre Arbeit wird unterstützt durch eine Spende in Höhe von 10.000 Euro eines Frankfurter Unternehmers und Förderers. Die Entscheidung, Pflege für wohnungslose Menschen am Frankfurter Flughafen zu leisten, traf Kathrin Höhl ganz bewusst, mehr als sechs Jahre war sie bereits in der pflegerischen Arbeit mit obdachlosen Menschen tätig: „Die Menschen an sich machen mir Freude. Sie kämpfen um das Überleben auf der Straße, ich mag sie, weil sie sehr geradeheraus sind.“


Blutdruckmessgerät und Mullbinden

In ihrem Rucksack für die Rundgänge trägt die Krankenschwester ein Blutdruckmessgerät, Mullbinden und anderes Verbandsmaterial. Sie versorgt Wunden, kontrolliert Vitalzeichen und behält den allgemeinen Zustand der Menschen, die sie aufsucht, im Blick. Zur Pflegeanamnese gehört nicht nur, Faktoren wie die Hautfarbe zu bewerten, sondern auch, den Patient:innen zuzuhören, wie es ihnen geht, wo sie schlafen und wie viel Ruhe sie dort finden können. So gelingt es der Krankenschwester, zu erfassen, wie es um die Gesundheit des jeweiligen Menschen steht, und was sich verändert hat.


Eine Frau mit Mütze sitzt beim Büro

Kathrin Höhl ist von ihrem Rundgang wieder zurück im Büro der Aufsuchenden Sozialarbeit der Diakonie im Terminal 1, Halle C. Unten klackern die Tafeln mit den Abflugzeiten, bilden sich lange Schlangen vor den Schaltern der Fluggesellschaften. Hier oben auf der Empore ist es ruhig. Eine Frau mit Mütze hat sich in ein paar Metern Entfernung zum Büro auf dem Boden niedergelassen. Kathrin Höhl geht kurz hin, um sie zu begrüßen.


Viele lassen niemanden an sich heran

„Viele, die am Flughafen leben, sind psychisch erkrankt. Es ist unklar, ob Menschen auf der Straße leben, weil sie psychisch erkrankt sind, oder ob das harte Leben auf der Straße sie psychisch krank macht,“ sagt Kathrin Höhl. Als ihre erste Aufgabe sieht es die Krankenschwester, „eine Beziehung aufzubauen, die trägt, und eine Behandlung ermöglicht“. Aber nicht alle sind bereit, sich darauf einzulassen.


Suchtmittelsprechstunde und Gesundheitsprävention wären wünschenswert

Im Büro der Aufsuchenden Sozialarbeit der Diakonie stapeln sich Päckchen mit Tempotüchern, stehen Flaschen mit Sterillium für die Hände, im Nachbarraum liegen Kappen, ein Paar Marken-Turnschuhe, saubere Unterhosen und warme Strümpfe. „Wir brauchen immer neue oder gut erhaltene Kleiderspenden, besonders für Männer“, sagt Höhl. Mittelfristig würde sie gerne eine regelmäßige pflegerische Sprechstunde einrichten: Zur Kontrolle von Gewicht und Blutdruck und ein paar weiterer Parameter, „damit ich eine Grundanamnese erstellen kann“. Längerfristige Ziele sind eine Suchtmittel-Sprechstunde und Gesundheitsprävention. Denn manches, was der Krankenschwester begegnet, sind Folgeerkrankungen von Alkoholkonsum, demenzartige Verfallserscheinungen etwa, Schmerz-Syndrome oder Epilepsie, die unter Alkoholentzug auftritt.


Ein schönes, sehr unmittelbares Arbeiten an den Nöten

Wenn die Krankenschwester der Diakonie im ersten Augenschein feststellt, dass jemand dringend medizinisch versorgt werden muss, ruft sie den Rettungswagen oder leitet die Betroffenen zur Elisabeth-Straßenambulanz in der Nähe der Konstablerwache. Wenn eine gründliche Wäsche nötig ist, vermittelt sie auch ins Hygienecenter im WESER5 Diakoniezentrum weiter. Die Malteser Sprechstunde im Markus-Krankenhaus und die Humanitäre Sprechstunde des Gesundheitsamts behandeln Menschen ohne Krankenschein, weitere Kooperationen sind im Aufbau. Ihre Arbeit, sagt Kathrin Höhl, macht ihr Freude: „Pflege ist eine Disziplin, in der man sehr direkt und nah am Menschen dran ist. Es ist ein schönes, sehr unmittelbares Arbeiten an den Nöten der Menschen.“ Auch die Soziale Arbeit, die 20 Stunden ihrer Stelle umfasst, macht ihr Spaß, „hier bin ich Quereinsteigerin und lerne ganz viel im Austausch mit meinem beiden Team-Kolleg: innen und in Fortbildungen“.


* Name geändert


Weitere Informationen zu den Angeboten der hiesigen Diakonie:

www.diakonie-frankfurt-offenbach.de


Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.