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Endlich passiert was im Bahnhofsviertel

Lange erzählte man sich in Frankfurt das Märchen, wie gut im Bahnhofsviertel der Spagat zwischen Bankentürmen und Elend angeblich gelingt. Zeit für mehr Realismus.

Weg vom Schmuddel-Image: Seit die Hipster das Bahnhofsviertel für sich entdeckten, sind neue Probleme entstanden. | Foto: Sophie Schüler
Weg vom Schmuddel-Image: Seit die Hipster das Bahnhofsviertel für sich entdeckten, sind neue Probleme entstanden. | Foto: Sophie Schüler

Jetzt, am Ende des Wahlkampfs rund um die Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt, wird es auch rund um das Bahnhofsviertel wieder ruhiger, zumindest medial. Ein gutes halbes Jahr überschlugen sich die Meldungen über all die Missstände in der Münchener Straße, der Elbestraße, der Kaiserstraße: Fäkalien in den Höfen, Vermüllung soweit das Auge reicht, Menschen, denen das Elend ins Gesicht geschrieben ist. Das rief irgendwann die auf den Plan, die um die Wirtschaftlichkeit ihrer Gastronomie, Hotellerie oder ihres Einzelhandels bangten und die, die befürchteten, die Preise ihrer Immobilien im Viertel könnten einbrechen.

Die Zustände im Frankfurter Bahnhofsviertel sind nicht neu. Fachleute beschreiben sie wellenförmig: Mal ist es schlimmer, mal etwas besser. Sicher trug auch die Covid-Pandemie und die damit verbundene Unsicherheit dazu bei, dass aus der jüngsten Welle ein Tsunami wurde. Teil dessen, was jetzt zu der großen Empörung der aktuellen Lage führt, ist aber auch die voranschreitende Gentrifizierung des Viertels.

Vor etwa zehn Jahren entdeckten die sogenannten Hipster den Kiez rund um den Kaisersack für sich und setzten damit einen Trend. Das Frankfurter Bahnhofsviertel stand plötzlich in internationalen Reiseführern. Und von da an dauerte es nur einen Augenblick, bis sich Vermögende den nun begehrten Wohnraum im Herzen der Stadt aneigneten und so Verdrängung und Veränderung vorantrieben.

Eine Zeitlang wurde die märchenhafte Erzählung gesponnen, wie gut Frankfurt diesen Spagat zwischen Bankenbtürmen und dem Elend des Bahnhofsviertels angeblich meistere. Ganz nach dem Motto: „Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb.“ Aber irgendwann musste der Clash kommen. Bei vollgekoteten Innenhöfen hört der Spaß auf.

Immerhin haben die Reichen und Schönen und Hippen so laut getrommelt, dass die Politik nun etwas unternehmen muss. Das tut sie in enger Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Regionalverband, der im Bahnhofsviertel seit Jahrzehnten mit dem Sozialzentrum „Weser5“ und der Weißfrauen Diakoniekirche soziale Hilfen gewährleistet.

Im März stellten Diakoniepfarrer Markus Eisele und Sozialdezernentin Elke Voitl im Hof von „Weser5“ ein neues Hygiene-Center aus Containern vor. Dort können Menschen sich duschen oder ihre Wunden versorgen lassen, finden aber vor allem kostenlose öffentliche Toiletten. Sieben Stellen sind für die Betreuung des Centers geschaffen worden, außerdem werden die Öffnungszeiten des Tagestreffs im Diakoniezentrum erweitert.

Das alles war, ebenso wie weitere bereits geplante Maßnahmen, lange überfällig. Die Frankfurter Drogenpolitik wurde früher zu Recht gefeiert und ist von vielen kopiert worden. Aber sich auf vergangenem Ruhm auszuruhen, ist brandgefährlich. Das haben jetzt hoffentlich alle begriffen.

Mehr lesen: Neues Hygienecenter im Bahnhofsviertel startet


Autorin

Angela Wolf 117 Artikel

Angela Wolf ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Sie wurde 1978 in Aschaffenburg geboren. Heute lebt sie in Frankfurt am Main, wo sie Soziologie, Politikwissenschaften und Psychoanalyse studierte.

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