Frankfurt lokal

Korvapuusti und andere Köstlichkeiten

Seit fünfzig Jahren gibt es in Frankfurt eine Finnische evangelische Gemeinde. Anziehungspunkt für die gut 1300 Gemeindemitglieder sind vor allem die Feste im Jahreskreislauf. Ein Höhepunkt ist immer der Basar am Ersten Advent.

Vorbereitungen für den Adventsbasar der finnischen Gemeinde. | Foto: Sophie Schüler
Vorbereitungen für den Adventsbasar der finnischen Gemeinde. | Foto: Sophie Schüler

Der Bau des Gemeindehauses der evangelischen Gemeinde im Dornbusch ist ein Architekturklassiker aus den frühen 1960er Jahren. Die Finnische Gemeinde in Frankfurt hat hier seit 2007 ihr Domizil. Über den Innenhof geht es in die Räumlichkeiten im ersten Stock. Dort sind heute Backutensilien wie Nudelhölzer und Mehl arrangiert. Ulla Aartelo, eigentlich Gemeindesekretärin, ist an diesem Morgen Küchenchefin. Nach und nach treffen weitere Frauen ein, die sich Schürzen umbinden und auch mal ein Dreieckstuch anlegen, um die Haare zu bändigen. Die Atmosphäre erinnert ein bisschen an Bullerbü, auch wenn das in Schweden liegt. Dann geht es los: Ein spezieller Hefeteig wird geknetet, ausgerollt und mit einer Zimt-Zucker-Mischung bestreut. Schnell duftet es fantastisch. Dann wird gerollt und von den Rollen kleine Happen abgeteilt. Das Ganze nimmt eine Form an, die bekannte Leckereien versprechen: Korvapuusti heißen die Finnischen Zimtschnecken, was so viel bedeutet wie „Ohrfeige“.

Markus Miettinen erklärt, dass die Zimtschnecken aussehen wie Ohrmuscheln und dass daher der Name stammt. Er ist Vorsitzender des Gemeindevorstands und froh darüber, dass es nach den entbehrlichen Coronajahren wieder einigermaßen normal läuft. Dass die Gemeinde so wichtige Feste wie den Weihnachtsbasar feiern kann – denn dafür werden die Zimtschnecken in Unmengen gebacken. „In diesem Jahr haben wir erstmals auch Karelische Piroggen selbst gebacken. 600 Stück liegen schon in den Gefrierschränken und werden zum Basar am 1. Advent als Spezialität verkauft.“

Der finnische Weihnachtsbasar ist beliebt. Vermutlich auch wegen des Flammlachs auf Roggenbrot. Eine weitere Spezialität. „Das Brot wird eigens aus Finnland eingeflogen, damit es frisch ist.“ Miettinen schwärmt weiter von Rentiersuppe, finnischen Konfitüren und Beeren und von finnischem Bier, das ebenfalls auf dem Basar angeboten wird.

Die Finnische Gemeinde in Frankfurt gibt es seit 1972. Miettinen erzählt, dass Ende der 1960er Jahre vor allem finnische Frauen zum Arbeiten nach Deutschland kamen, die allermeisten als Krankenschwestern. Es kamen aber auch junge Menschen, die hier studieren wollten. Mit der Zeit kam das Bedürfnis nach Austausch auf und der Wunsch, Gottesdienste auch in der Muttersprache zu feiern. Begonnen hat die Gemeindegründung in der Rittergasse in Sachsenhausen, doch die dortigen Räume waren klein und bald nicht mehr ausreichend. 1979 zog die Gemeinde in die Innenstadt. In der Alten Gasse hatten man mehr Platz und sogar eine Sauna. 1992 gab es dann die erste Kooperation mit der evangelischen Kirche in Frankfurt: Die Paul-Gerhardt-Gemeinde in Niederrad bot der Finnischen Gemeinde Platz in ihren Räumlichkeiten.

Derzeit hat die Finnische Gemeinde etwa 1340 Mitglieder. Deutschlandweit gibt es 16 Finnische Gemeinden die von vier Pfarrer:innen betreut werden. Die Frankfurter Gemeinde ist die größte und umfasst das gesamte Rhein-Main-Gebiet. Der Gottesdienst findet einmal im Monat statt. Es werden viele Taufen gefeiert. Markus Miettinen berichtet aber von ähnlichen Problemen, wie es sie in Deutschland gibt: den Trend, dass die Menschen der Kirche den Rücken kehren. „Unsere Gemeinde ist zwar seit etwa zehn Jahren sehr stabil. Insgesamt ist die Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands aber von einem Mitgliederschwund betroffen.“ Die Situation der Kirche in Finnland ist zwar vergleichbar mit der hiesigen christlich-konfessionellen Situation, aber nicht ganz: Ende 2019 waren nur knapp 30 Prozent der Finninnen und Finnen konfessionslos, in Deutschland sind es über 40 Prozent.

Ob Mittsommerfest im Juni, der finnische Unabhängigkeitstag im Dezember, die jährliche Wanderaktion zu Gunsten eines guten Zwecks oder der beliebte Weihnachtsbasar am 1. Advent – die Feste werden gefeiert, wie sie fallen. Inzwischen duftet es verführerisch aus der Küche im Gemeindehaus. Auch wenn es erst Oktober ist, kommt schon richtige Weihnachtsstimmung auf. Die „Ohrfeigen“ schmecken hervorragend. Sie machen Lust auf die vielen anderen Köstlichkeiten, die es bald auf dem finnischen Weihnachtsbasar in der Dornbuschgemeinde geben wird.


Autorin

Angela Wolf 117 Artikel

Angela Wolf ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Sie wurde 1978 in Aschaffenburg geboren. Heute lebt sie in Frankfurt am Main, wo sie Soziologie, Politikwissenschaften und Psychoanalyse studierte.

0 Kommentare

Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.

Artikel kommentieren

Wir freuen uns, wenn unsere Beiträge zu Diskussion und Austausch beitragen. Dabei bitten wir, auf angemessene Umgangsformen zu achten und die Meinung anderer zu respektieren. Bei Verstößen gegen unsere Netiquette-Regeln behalten wir uns vor, Kommentare nicht zu veröffentlichen.

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.

Errechnen Sie die Summe der dargestellten Zahlen
Captcha =