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Paul-Gerhardt in Niederrad: Gemeinde mit sozialdiakonischem Profil

Die ökumenische Teestube und das „Wohnprojekt Hoffnung“ in Niederrad feiern Jubiläum. Beides sind wichtige Bausteine des sozialdiakonischen Profils der Paul-Gerhardt-Gemeinde.

Pfarrerin Claudia Vetter-Jung und Helmut Helbich I Foto: Rolf Oeser
Pfarrerin Claudia Vetter-Jung und Helmut Helbich I Foto: Rolf Oeser

Auf dem Schoß von Helmut Helbich liegt ein wuchtiger Ordner: Unterlagen zu „30 Jahren Wohnprojekt Hoffnung“ und „36 Jahre ,Ökumenische Teestube Niederrad'“ hat er darin abgeheftet. Von den Anfangstagen an hat der Pensionär beide kirchlichen Angebote in Niederrad entscheidend vorangetrieben.

Eigentlich sollte in der Teestube im vergangenen Jahr das 35. Jubiläum gefeiert werden, wegen Corona fiel es aus. Nun wird am 23. August 2021 in der Paul-Gerhardt-Gemeinde, Gerauer Straße 52, um 18 Uhr ein großes Fest gefeiert. „Wir haben beide Ereignisse zusammengelegt und das passt ja auch durchaus“, sagt Pfarrerin Claudia Vetter-Jung. Seit anderthalb Jahren ist die Theologin eine der beiden Pfarrerinnen in Paul-Gerhardt, Projekte wie die Teestube und das Wohnprojekt, aber auch die Diakonische Bürgerstiftung der Evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde haben sie bei ihrer Bewerbung angezogen. „Das sozialdiakonische Profil ist mir wichtig.“

Marlies Diener-Stang, sitzt neben Helbich und Vetter-Jung im Kirchgarten bei der Vorbereitungsrunde für die Festivitäten im August. Seit 2011 kümmert sich die pensionierte Kindergartenleiterin, die vor einigen Jahren von Nordrhein-Westfalen an den Main kam, um die Teestube, seit 2018 hat sie die Leitung inne. Mitgebracht hat sie an dem Nachmittag ein Senfpflänzchen und ein paar Senfsamenkörner. Im vergangenen Jahr hatte sie für ein Jubiläumsfest zum ersten Mal einen ganzen Schwung gezogen, in Anlehnung an den Senfkornpreis, die Auszeichnung für Ehrenamtliche, mit der die Frankfurter Caritas alljährlich besonderes Engagement würdigt. 1995 ging die Auszeichnung an die Teestube, 2008 wurde dem „Wohnprojekt Hoffnung“ die Ehrung zugesprochen.

Marlies Diener-Stang lässt sich nicht entmutigen I Foto Bettina Behler
Marlies Diener-Stang lässt sich nicht entmutigen I Foto Bettina Behler

2020 blieben die Pflänzchen auf Diener-Stangs Balkon, das Fest fiel coronabedingt aus. Dieses Mal sollen sie weitergereicht werden – an die Gäste. Nicht aufgeben, wieder neu anfangen, das passt als Sinnbild für den Geist, von dem die Teestube und das Wohnprojekt Hoffnung getragen werden.

Zwanzig, dreißig Leute kommen alle 14 Tage in die Teestube, die einst in Räumen der Evangelischen Zachäusgemeinde, die inzwischen mit Paul-Gerhardt fusioniert ist, ihren Anfang nahm. Nach dem Zusammenschluss siedelte irgendwann auch das offene Angebot um. Kaffee, Kuchen, zum Schluss ein warmes Essen mit Nachtisch stehen auf dem Menüplan der Teestube. Mindestens so wichtig sind Gespräche und gelegentlich auch Kultur, etwa mit jungen Musizierenden von Live Music Now, der einst von dem Geiger Yehudi Menuhin gegründeten Nachwuchsförderung. In den vergangenen Monaten fiel jedoch fast alles aus. Die Pandemie sorgte für Absagen. Zu Feiertagen, zuletzt an Ostern und Pfingsten, wurde „Teestube to go“ offeriert, abgepackt in Tüten.

Zu den Stammgästen zählte im Laufe der Zeit ein Mann, der im Wald übernachtete, der den Termin in der Teestube aber verinnerlicht hatte. Eine Frau, nicht selten auf Krawall gebügelt, tauchte regelmäßig mit ihrem in Tüten verpackten Hab und Gut auf. Genossen hat sie es, hier mal zur Ruhe zu kommen. Beide haben inzwischen eine feste Bleibe.

Dem ehrenamtlichen Team dort geht es nicht darum, Menschen zu einer Lebensweise zu überreden. Wohnsitzlose bekommen Hilfen, wenn sie eine Bleibe suchen wollen, sie werden aber nicht gedrängt. Menschen ohne festes Obdach machen nur einen kleinen Teil der Besucherinnen und Besucher aus. Helmut Helbich erzählt, die meisten Gäste hätten durchaus ein Zuhause, aber kaum Geld, um über die Runden zu kommen – und große Sehnsucht nach Gemeinschaft. Ein Cafébesuch, bei dem 20 Euro fällig sind, ist für sie nicht drin.

Helbich erinnert sich noch genau, wie es dazu kam, dass die Teestube 1991 um das Wohnprojekt Hoffnung ergänzt wurde: Am 15. März 1991 debattierten Vertreter:innen der Kirchen, des Diakonischen Werks und des Caritasverbandes bei einer Veranstaltung, zu der die Mitarbeitenden der ökumenischen Teestube eingeladen hatten, wie Wohnungslosen über das Bisherige hinaus geholfen werden kann. Am Ende des Abends gaben die drei Niederräder Kirchengemeinden – evangelisch und katholisch – 11.650 Mark in einen Hilfetopf.

Entnommen werden sollten daraus Mittel, mit denen ehemals Wohnsitzlose bei der Anschaffung von „Extras“ für die neue Bleibe unterstützt werden sollen – Geld für eine Gardine, ein Bild oder auch einen Fernseher. Diakonie und Caritas vermitteln diese Gelder. 372 Auszahlungen gab es bis Ende 2020, rund 103.000 Euro konnten insgesamt vergeben werden. Einzelspender:innen und Stiftungen haben die Mittel bereitgestellt.

Helbich, Diener-Stang und Vetter-Jung freuen sich über zusätzliche Spenden, sie freuen sich aber auch über weitere Mithelfende in der Teestube. Der Bedarf ist da – die Gäste auch.

Am 23. August werden Honoratioren wie der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz und der evangelische Prodekan Holger Kamlah erwartet, auch der evangelische Pfarrer Rüdiger Stockenberg und sein katholisches Pendant Heinz Duchscherer, die zur Gründungszeit im Amt waren und das Projekt maßgeblich mit vorantrieben, haben ihr Kommen angekündigt. „Aber im Mittelpunkt sollen unsere Gäste stehen“, versichert das Festkomitee.


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Bettina Behler 297 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach