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Gemeinsam Gärtnern

Neue Landwirtschaft, neue Gemeinschaft, neuer Lebensstil: der Tortuga-Gemeinschaftsgarten in Eschersheim ist zur Begegnungsstätte im Stadtteil geworden.

Kuwe Fritz hat den Gemeinschaftsgarten am Eschersheimer Wasserturm initiiert - mit Unterstützung der Andreasgemeinde und des Netzwerks Transition Town. | Foto: Rolf Oeser
Kuwe Fritz hat den Gemeinschaftsgarten am Eschersheimer Wasserturm initiiert - mit Unterstützung der Andreasgemeinde und des Netzwerks Transition Town. | Foto: Rolf Oeser

Am Transformatorenhäuschen neben dem Eschersheimer Wasserturm lehnt ein Rankgestell, zur Straße hin umfassen Bohnen ein Eingangstor. Dazwischen Hochbeete mit allerlei Gemüse, Blumen und Kräutern, ein Pflanztisch, Tisch und Bänke aus Paletten, am Rand zwei Schuppen – das ist der Gemeinschaftsgarten Tortuga.

Seit etwa zwei Jahren bewirtschaften Menschen aus dem Stadtteil die kleine Gartenfläche, angelegt in einer Nische zwischen Spielplatz, Wasserturm und Straße. Das Projekt ist eine Kooperation der Andreasgemeinde mit dem Netzwerk „Transition Town“ („Stadt im Wandel“), einer weltweiten Bewegung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen, die sich dafür einsetzt, fossile Energien zu reduzieren und die regionale Wirtschaft zu stärken. Die Mainova und das Grünflächenamt der Stadt wurden als Kooperationspartner gewonnen, außerdem der solidarische Landwirtschaftsbetrieb („Solawi“) Birkenhof in Egelsbach.

Der Impuls für das Projekt kam von Kuwe Fritz, der seit seiner Kindheit in Eschersheim und der Andreasgemeinde verwurzelt ist und sich seit einigen Jahren aktiv bei Transition Town engagiert. 2016 folgte er einem Förderaufruf des Bundesumweltministeriums, das Gelder aus dem Handel mit CO2-Zertifikaten an geeignete Nachbarschaftsprojekte verteilt – und bekam eine Finanzierung von gut 70.000 Euro. Die Stadt Frankfurt unterstützte den Antrag, die Andreasgemeinde und das Netzwerk „Transition Town“ standen Pate. Die Andreasgemeinde bietet der Initiative auch Raum für Zusammenkünfte im Winter und für Feste zum Auftakt wie zum Ende der Gärtnersaison.

Tortuga ist ein Ort, an dem man verweilen kann und andere Leute trifft. Gärtnern können muss man nicht, die Grundlagen werden von Hand zu Hand oder in Workshops vermittelt. Wer ganz niedrigschwellig einsteigen will, kann sich erstmal in einen Gießkalender eintragen. Aber auch ganz ohne Ambitionen für Gemüseanbau werde der Ort gerne als Treffpunkt genutzt, erzählt Kuwe Fritz, zum Beispiel von einer Studierendengruppe, die regelmäßig zum Lernen herkommt. Anwohnerinnen nutzen den Garten für die morgendliche Zeitungslektüre, Passanten für eine Verschnaufpause – so wie die ältere Frau, die auf der Bank in der Morgensonne sitzt, als ich vorbeikomme. Sie putzt in privaten Haushalten in der Gegend, aber bevor sie mit der Arbeit beginnt, nimmt sie sich hier ein wenig Zeit. Dafür fährt sie extra ein wenig früher los, erzählt sie mir, und zupft dabei Unkraut aus den Tomaten.

Über das Gärtnern, sagt Kuwe Fritz, können auch Menschen in die Gemeinschaft integriert werden, die vielleicht nicht viel reden möchten oder nicht gut Beziehungen knüpfen können. Sie können zum Beispiel eine Patenschaft für eines der Hochbeete übernehmen. Tortuga verbindet aber nicht nur Menschen und Institutionen, sondern auch Stadt und Umland. Die beiden abschließbaren Metallschuppen am Rand des Geländes beinhalten neben Hacke, Schaufel und Gießkanne auch Platz für die Zwischenlagerung von Gemüsekisten, die der Birkenhof einmal in der Woche den Mitgliedern der Initiative Solidarische Landwirtschaft liefert. Etwa 60 bis 80 Menschen werden über dieses Depot mit frischem Gemüse versorgt. Das ist kostengünstiger als im Bioladen und stärkt das Solidarprinzip: Wer mehr Geld hat, zahlt mehr. So kommt das Essen über kurze Lieferketten und ohne zusätzliche Verpackung ins Haus und ist mithin ein Ertrag, der die Erde nicht mehr ausbeutet als notwendig.

Kuwe Fritz hat noch mehr Pläne. Während des wöchentlich stattfindenden Treffens wird der Wassertank neben den Schuppen neu befüllt, doch das wird auf Dauer angesichts der heißen, dürren Sommer nicht reichen. Deshalb will er den Tank des alten Wasserturmes wieder nutzen, mit einer solarstrombetriebenen Pumpe könnte das gehen, wie er bereits recherchiert hat. Attraktiv für die wachsende „Solawi“ wären auch die Nebengebäude des historischen Turmes, denn weitere Depots für die Gemüsekisten der Genossenschaft werden dringend gesucht – übrigens nicht nur in Eschersheim.

Allerdings muss dafür erst noch die Frage nach einer weiteren Förderung geklärt sein. Das Grünflächenamt der Stadt stellt Wasser und Erde zur Verfügung, Fritz hofft, dass das so bleibt. Um den Betrieb des Gartens auch in Zukunft zu gewährleisten, haben einige Aktive den Verein „Tortuga Eschersheim e.V.“ gegründet. Ihr Argument: Projekte wie Tortuga machen ernst mit der Frage, wie wir zukünftig miteinander leben wollen.

Weitere Informationen und Kontakt: https://tortuga-eschersheim.de/


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Silke Kirch 55 Artikel

Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.

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