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„Hilfe im Nordend“: Langzeitarbeitslose haben auch bei Hochkonjunktur schlechte Chancen

Arbeitslosigkeit gibt es in Deutschland zurzeit kaum. Doch in den Statistiken unsichtbar bleibt die schwierige Lage von langzeitarbeitslosen Menschen. Sie haben nämlich auch bei Hochkonjunktur kaum Chancen. Der Frankfurter Verein „Hilfe im Nordend“ macht auf ihre Lage aufmerksam.

Helmut van Recum und Inge Valentin vom Verein "Hilfe im Nordend" unterstützen Menschen, die lange Zeit arbeitslos sind. | Foto: Doris Stickler
Helmut van Recum und Inge Valentin vom Verein "Hilfe im Nordend" unterstützen Menschen, die lange Zeit arbeitslos sind. | Foto: Doris Stickler

Viele Menschen ohne Job müssen jeden Cent zweimal umdrehen, um über die Runden zu kommen. Aber Geldmangel ist oft nicht die einzige Bürde. Vor allem Langzeitarbeitslosen macht auch der Verlust des Selbstwertgefühls zu schaffen. „Die Leute fühlen sich von der Gesellschaft so herabgewürdigt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, sich selbst und andere wertzuschätzen“ sagt Ilse Valentin vom sozialdiakonischen Verein „Hilfe im Nordend“ (HIN). Das sei oft ein schleichender Prozess, der manchmal in Hilflosigkeit oder Vereinsamung münde.

Aber ist Arbeitslosigkeit denn überhaupt noch ein Thema in Deutschland? Melden nicht alle Statistiken, dass wir wieder nahezu bei der Vollbeschäftigung sind? Solche Nachrichten ärgern Valentin sehr. Denn der offiziell verkündete Rückgang der Arbeitslosigkeit treffe nur auf Kurzzeitarbeitslose zu. „Dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen und der prekär Beschäftigten dagegen steigt, wird verschwiegen“, kritisiert sie.

In Frankfurt ist der Verein „Hilfe im Nordend“ die einzige Anlaufstelle, wo Menschen, die Arbeitslosengeld II bekommen, durch Fortbildungen und Kurse neue Aufgaben und Perspektiven finden können. Hier bekommen sie auch Beistand bei beruflichen, sozialen und finanziellen Problemen und Hilfe bei Bewerbungen und Stellensuche. Über einen Hilfsdienst können sie sich zudem monatlich 200 abzugsfreie Euro hinzuverdienen.

Die Dienstleistungen wie Einkaufen, Begleitung zum Arzt, Saubermachen oder auch die Unterstützung von Gemeinden bei größeren Veranstaltungen und Festen koordiniert Helmut van Recum. „Dabei lerne ich Leute kennen, denen ich sonst nie begegnet wäre und bin fasziniert von ihren Biografien“, sagt der Pädagoge. Die größte Herausforderung sei es, den mehrheitlich durchaus ausgebildeten und berufserfahrenen Frauen und Männern zu zeigen, „dass sie etwas können und ihnen wieder ein Stück Autonomie zurückzugeben“.

Der Verein wird zu 55 Prozent von der Stadt Frankfurt finanziert, der Rest durch kirchlich-diakonische Mittel und Spenden aufgebracht. Die Zielgruppe von HIN sind Langzeitarbeitslose, „die durch alle anderen Maßnahmen gefallen sind“, sagt Recum. Neben Beratungs- und Coaching-Angeboten gibt es einen Offenen Treff, Koch-, Literatur- und Gymnastikgruppen, Workshops und Ausflüge.

Damit das Projekt langfristig von der Stadt gefördert wird, muss es Erfolg haben: 10 Prozent der Teilnehmenden müssen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, 30 Prozent sich in Projekten oder im Hilfsdienst erproben, und 80 Prozent sich persönlich stabilisieren. Das sei bislang immer gelungen, sagt Inge Valentin.

Standen früher vor allem ältere Langzeitarbeitslose im Fokus, so legt HIN seit einiger Zeit verstärktes Augenmerk auch auf die unter 55-Jährigen. Die drei unter 50-Jährigen, die zur HIN gekommen sind, hätten alle wieder eine Stelle gefunden, so Valentin. Einer habe hier erst den „Mut geschöpft, es noch einmal zu versuchen“.

Dass der Verein verstärkt jüngere Arbeitslose anspricht hat auch ganz praktische Gründe. Denn viele der Arbeiten, die durch den Hilfsdienst vermittelt werden, erfordern eine gewisse körperliche Fitness. „Immer mehr Seniorinnen und Senioren fragen bei uns Unterstützung an“, sagt Helmut van Recum. Im bereits seit 32 Jahren bestehenden Hilfsdienst seien jedoch etliche der regelmäßigen Mitglieder inzwischen gealtert und besäßen nicht mehr die Kraft, etwa schwere Sachen zu schleppen. Auch Putzen könne sehr anstrengend sein. Unter dem Motto „U 55 – wir starten nochmal durch!“ habe man deshalb mit dem HIN-Vorstand und der FRAP Agentur, die im Auftrag der Stadt das Frankfurter Arbeitsmarktprogramm organisiert, die Suche nach Jüngeren abgestimmt.

Ilse Valentin hält es aber ohnehin für wichtig, auch jüngere Langzeitarbeitslose in den Blick zu nehmen, damit sie nicht in einen Teufelskreis geraten. „Die Menschen ziehen sich oft zunehmend zurück und werden dadurch immer unfähiger, aktiv etwas gegen ihre Situation zu unternehmen.“ Hier sollte möglichst früh gegengesteuert werden.

Informationen über die Gruppen-, Beratungs- und Beschäftigungsangebote der HILFE IM NORDEND e.V. unter Telefon: 069/49 05 74, E-Mail: hin@luthergemeinde-ffm.de oder www.luthergemeinde-ffm.de


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Doris Stickler 76 Artikel

Doris Stickler ist freie Journalistin in Frankfurt.

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