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Juwele der Kirchengeschichte, Teil 21: die Martinuskirche in Schwanheim

In diesem Jahr wird ihr 111. Geburtstag gefeiert: Mit der Martinuskirche, benannt nach dem deutschen Reformator Martin Luther, wurde in dem überwiegend katholischen Schwanheim erst relativ spät eine evangelische Kirche errichtet.

Die Martinuskirche entstand nach Plänen des Architekten Otto Bäpple. Sie ist ein Ensemble aus Kirchenschiff, Glockenturm und Pfarrhaus. | Foto: Rui Camilo
Die Martinuskirche entstand nach Plänen des Architekten Otto Bäpple. Sie ist ein Ensemble aus Kirchenschiff, Glockenturm und Pfarrhaus. | Foto: Rui Camilo

Schwanheim gehörte zur Zeit der Reformation zum Kurfürstentum Mainz und blieb somit lange Zeit katholisch. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kamen mit der Gründung der chemischen Industrie in den Nachbarorten auch erste evangelische Christ:innen in den Ort. Sie versammelten sich seit Ende des 19. Jahrhunderts in einer kleinen Kapelle, 1910 war die Gemeinde auf über 1.000 Mitglieder angewachsen.

Finanzielle Hilfe für den Bau einer eigenen Kirche gewährte der Gustav-Adolf-Verein, der die Aufgabe hat, evangelische Gemeinden in der „Diaspora“, also dort, wo sie in der Minderheit sind, zu unterstützen. Auch die zur Gemeinde gehörende Familie von Weinberg unterstützte den Kirchbau finanziell. Die Pläne für das im Stil des Historismus gehaltene Gebäude stammen von dem Architekten Otto Bäppler.

Die nach Norden ausgerichtete Saalkirche liegt am nordöstlichen Rand des historischen Ortskerns und wurde am 19. November 1911 eingeweiht. Sie ist etwa 27 Meter lang und 14 Meter breit und steht heute unter Denkmalschutz. Das Gebäudeensemble besteht aus einem rechteckigen Kirchenschiff, dem Glockenturm im Nordwesten und dem über einen Verbindungsgang westlich anschließenden Pfarrhaus. Zwischen Kirche und Pfarrhaus liegt der 2020 neu gestaltete barrierefreie Kirchplatz, der auch für Gottesdienste genutzt wird.

Kurz nach ihrer Fertigstellung wurde vor der Kirche eine Eiche gepflanzt, sie entwickelte sich zu einem stattlichen Baum, der 2017 einhundert Jahre alt wurde. Der Glockenturm auf quadratischem Grundriss ist ein Teil des Kirchengebäudes. Auf dem Dach steht ein vergoldetes Kreuz. Die Kirche weist typische Merkmale der Neoromanik auf. Die hell verputzten Außenwände sind mit Rundbogenfenstern und Strebepfeilern gegliedert. Der Chorraum im Norden ist als Apsis ausgebildet. Das Hauptportal im Süden ist durch drei Rundbögen mit Würfelkapitellen gestaltet und von zwei Rundbauten eingefasst. In die Giebelwand unter dem mit Schiefer gedeckten Satteldach ist ein Relief eingeritzt: Es zeigt Jesus, der Menschen tröstet, die mühselig und beladen sind.

Ein Explosionsunglück im Griesheimer Chemiewerk 1917 sowie Bombenangriffe 1943 zerstörten die Kirchenfenster, aber nicht die ganze Kirche. Am 6. Juni 1954 wurden die instandgesetzte Kirche und die wiederbeschafften vier Glocken neu eingeweiht. Die Kirche wurde 1976 sowie 2004 renoviert.

Die Apsis mit blauem Sternenhimmeln und Fenstern der Künstlerin Lina von Schauroth. | Foto: Rui Camilo
Die Apsis mit blauem Sternenhimmeln und Fenstern der Künstlerin Lina von Schauroth. | Foto: Rui Camilo

Geht man zwischen den beiden Portallöwen rechts und links der Treppe über eine Vorhalle in das Kirchenschiff, fällt der der blau-goldene Sternenhimmel in der großen Apsis ins Auge, nach unten abgeschlossen von einem ornamentalen Fries. Dieser Himmel ist in den 1950er Jahren überstrichen worden. Erst die Renovierung im Jahr 2004 brachte den Originalzustand von 1911 wieder zum Vorschein. Die Enkelin des Malers und Renovierers fand noch Blattgold in einer Zigarrenkiste ihres Großvaters, mit dem die Restaurateurin dann den etwas größeren Morgenstern gestaltete. Jetzt präsentiert sich die Kirche wieder in ihrer ursprünglichen Form.

In die Apsis sind fünf Buntglasfenster eingelassen, die 1949 nach Entwürfen der Künstlerin Lina von Schauroth hergestellt wurden. Sie zeigen die vier Evangelisten mit ihren Symbolen (Löwe, Stier, Adler und Engel), die auf den auferstandenen Christus in der Mitte blicken.

Der Christus am Kreuz, der als große hölzerne Figur hinter dem Altar aufragt, korrespondiert mit dem Auferstandenen auf dem Fenster über ihm. Die Kanzel links ist aus Eichenholz, der steinerne Altar ist horizontal in drei Ebenen gegliedert und mit Motiven des Weinbergs versehen. Der Taufstein stammt aus Ravenna. Am Übergang zur flachen Kassettendecke sind über den Raum verteilt zehn musizierende Engel aus Stuck zu sehen. Alle diese Werke wie auch die Portalllöwen und das Relief wurden von Schwanheimer Kunsthandwerkern geschaffen.

Vorne auf der Ostseite zeigen zwei kleine Rundbogenfenster die Reformatoren Luther und Melanchthon, hinter der Orgel auf der rückwärtigen Empore leuchtet eine große Fensterrose. An der westlichen Wand gedenkt eine Tafel den Opfern des ersten Weltkriegs.

Die Orgel auf der rückwärtigen Empore stammt von Orgelbauer Karl Schuke und wurde 1990 gefertigt. Sie hat 21 Register mit mechanischer Spiel- und Registertraktur. Die Orgelempore ruht auf Säulen mit geschmückten Kapitellen. Kapitell kommt aus dem Lateinischen „capitellum“ und bedeutet Köpfchen. Das Kapitell ist der obere Abschluss einer Säule.

Weiterlesen: Ein Interview mit Pfarrerin Cäcilie Blume zum „Schnapszahl-Jubiläum“ der Martinuskirche.

Gottesdienste finden in der Martinuskirche, Martinskirchstraße 52 in Frankfurt-Schwanheim, sonntags um 11 Uhr statt, am ersten Sonntag im Monat in der Regel mit Abendmahl. Eine Besichtigung ist nach Absprache möglich, bitte Kontakt aufnehmen mit Pfarrerin Cäcilie Blume, Telefon 069/97690019, E-Mail caecilie.blume(at) ekhn.de


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.