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Juwele der Kirchengeschichte, Teil 15: die Segenskirche in Griesheim

In der Apsis der Segenskirche Griesheim schimmert seit der jüngsten Sanierung 2019 eine rechteckige goldene Fläche: ein „Auferstehungsfenster“, wie der gestaltende Künstler Bernhard Huber aus Esslingen sagt. Wir stellen die Kirche im Rahmen unserer Serie über historische Kirchen in Frankfurt und Offenbach vor.

Goldenes Auferstehungsfenster in der Apsis, das Taufbecken mitten im Kirchenraum: Die Segenskirche in Griesheim nach der Renovierung. | Foto: Rui Camilo
Goldenes Auferstehungsfenster in der Apsis, das Taufbecken mitten im Kirchenraum: Die Segenskirche in Griesheim nach der Renovierung. | Foto: Rui Camilo

Der große Chorabschluss in der Segenskirche war schon immer der zentrale Blickfang. Im Vorgängerbau, der im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde, leuchtete in der Apsis ein nachtblauer Himmel mit goldenen Sternen.

Die Grundfläche der 1865 eingeweihten Kirche beträgt etwa 26 auf 12 Meter. Die Außenwände bestehen überwiegend aus rotem Sandstein. Die Gestaltung mit Rundbogenfenstern ist typisch für neoromanische Architektur. Über dem Eingangsportal ist bis heute ein fein gemeißeltes Sandsteinrelief zu sehen. Es zeigt Jesus und die Jünger in Emmaus, gefertigt hat es 1881 der Frankfurter Bildhauer Heinrich Petry.

Bei den Luftangriffen auf Frankfurt 1944 wurde die Kirche stark beschädigt, der Turm bei Kriegsende von amerikanischen Streitkräften durchschossen. Zunächst wurde der Bau überwiegend in Eigenhilfe wieder instandgesetzt; erst zehn Jahre später, von 1955 bis 1956 konnte eine grundlegende Sanierung unter Leitung des Architekten Arnold Rakete finanziert werden. Er beauftragte den Frankfurter Bildhauer, Maler und Objektkünstler Hermann Goepfert, die Notverglasung durch farbige Glasfenster zu ersetzen; der Entwurf wurde von Hans Bernd Gossel in den Glaswerkstätten der Städelschule umgesetzt.

Diese Fenster bestimmen bis heute den Kirchenraum: Der Themenkreis beginnt links von Altar mit der Schöpfungsgeschichte und endet auf der rechten Seitenwand mit dem neuen Jerusalem, der neuen Schöpfung, mit der auch Johannes das Buch der Offenbarung enden lässt. Die Gestaltung der 13 großen Rundbogenfenster ist weitgehend abstrakt, auffällig sind die schwungvollen Linien, die die farbigen geometrischen Formen durchziehen.

Diese Linienschwünge hat Bernhard Huber bei seiner jetzigen Neugestaltung der Apsis formal aufgegriffen. In Absprache mit dem Darmstädter Architekten Joachim Gottstein wurde zunächst die holzverkleidete Empore auf der linken Kirchenseite entfernt, die die Fenster dort halb verdeckte. Außerdem wurden sie gesäubert, sodass ihre Leuchtkraft jetzt wieder voll zur Geltung kommt. Unter die Fenster ließ Huber auf jeder Seite versetzt drei quadratische sandsteinfarbene Platten mit eingeritzten schwingenden Linien anbringen. Es wirkt so, als liefen sie auf die Apsis zu. Auch dort laufen Linien, sie sind in hellem Grau gehalten und damit etwas deutlicher.

„Da von den Fenstern bereits eine große Farbwirkung ausgeht, habe ich mich zugunsten der Gesamtraumsituation in der Farbgebung bewusst zurückgehalten“, erklärt Huber. Der Kirchraum ist jetzt weiß gestrichen, die schweren Holzbänke wurden durch sandfarben bezogene Stühle ersetzt, auch der Boden ist hell.

Umso stärker tritt die monumentale blattvergoldete Fläche in der Apsis hervor. Sie fängt das Licht des Raumes ein und spiegelt es wider. Dadurch entsteht der Eindruck, als sei sie plastisch und der Raum hinter ihr gehe noch weiter. „Ich sehe darin ein Fenster in eine andere Welt“, sagt Huber. Theologisch könne man es auch als Auferstehungsfenster oder eine Öffnung ins himmlische Jerusalem verstehen.

Altar, Ambo und Taufbecken aus dunkler Räuchereiche setzen sich bewusst von der neuen hellen Umgebung ab. Die Prinzipalien bilden dadurch das entsprechende Gegengewicht zu den Fenstern und schaffen Klarheit bezüglich der liturgischen Raumachse. Besonders ist auch, dass der Taufstein nicht vorne seitlich platziert wurde, sondern im Mittelgang zwischen den Stühlen. „So ergibt sich eine Linie von der Geburt bis hin zum Tod, bzw. der Auferstehung vorne in der Apsis“, erklärt Huber. „Außerdem findet die Taufe so mitten in der Gemeinde statt.“

An der Decke nehmen die in dezentem Grau gestrichenen alten Holzkonstruktionen das neoromanische Motiv der Rundbögen wieder auf. Die Empore an der rückwärtigen Wand ist geblieben, ihre senkrechten Holzleisten sind ebenfalls grau gestrichen. Dahinter steht die alte Orgel, die jetzt fast wuchtig wirkt. Das historische Instrument wurde 1887 als Opus 475 von dem berühmten Orgelbauer Wilhelm Sauer hergestellt und 1995 von der hessischen Landeskirche erworben. Es hat 28 Register.

Die Orgelempore ist mit einer Glastür zum angrenzenden, ebenfalls neuen Gemeindehaus verbunden. „Wir freuen uns nicht nur, dass die Kirche höher und viel heller wirkt, sondern auch, dass alle Gemeindeaktivitäten jetzt in der Alten Falterstraße zentralisiert sind“, sagt der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende Klaus Kupka. Das alte Gemeindehaus „Am Gemeindegarten 7“ wurde geräumt und kann jetzt vermietet oder verkauft werden.

Im Rahmen des Gebäudekonzepts von 2011 hat die Gemeinde außerdem weitere Grundstücke abgegeben. Die Erlöse bilden die Rücklagen, mit denen die Kirche erhalten werden soll, sagt Bernd Trautmann vom Projektausschuss Neubau im Kirchenvorstand. Im Zuge der Neugestaltung wurde auch der Kindergarten erweitert und umgebaut. Der Bau des Gemeindehauses hat rund zwei Millionen gekostet, die Sanierung der Kirche rund eine Million, so Trautmann.

Bevor die Segenskirche im 19. Jahrhundert mitten im Ortskern entstand, hatte Griesheim keine eigene evangelische Kirche, der Stadtteil gehörte kirchlich lange zu Nied. Erst als die Besitzer des Hofgutes Goldstein, Graf Karl August von Bose und seine Frau Louise, eine Spende in Höhe von 12000 Gulden zur Verfügung stellten, erteilte die Nassauische Regierung den Griesheimern 1861 die Erlaubnis, eine eigene evangelische Kirchengemeinde zu gründen. Im Gegenzug erhielt das Grafenpaar Patronatsrecht und bestimmte als ersten Pfarrer Eugen Heydenreich. Die Wappen derer von Bose/Reichenbach-Lessonitz (letzteres ist Louises Geburtsname) sind bis heute vorne links in die Kirchenwand eingelassen. Davor stand früher der „Gräfliche Stuhl“, auf dem erst Graf oder Gräfin sitzen durften, dann Kirchenvorstände, bis er 1955 schließlich entfernt wurde.

Nachdem weitere finanzielle Mittel bei Gustav-Adolf-Vereinen gesammelt und der Architekt Heinrich Burnitz mit der Planung beauftragt worden war, konnte mit dem Bau der neoromanischen Hallenkirche begonnen werden. Zehn Jahre später, 1891, wurde der Glockenturm nach Plänen des Architekten Ludwig Hoffmann errichtet. Er hat vier Glocken, die die Firma Rincker nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegossen hat. Heute ziert ihn ein goldener Wetterhahn.


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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

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