Frankfurt lokal

Mike Josef: „Mein Glaube ist mir sehr wichtig“

Seit 11. Mai ist Mike Josef (SPD) Oberbürgermeister von Frankfurt. Ein Interview über Sozialpolitik, den Dialog der Religionen und seine Identität als evangelischer Christ.

Mike Josef (SPD) ist neuer Oberbürgermeister von Frankfurt. | Foto: Peter Jülich
Mike Josef (SPD) ist neuer Oberbürgermeister von Frankfurt. | Foto: Peter Jülich

Herzlichen Glückwunsch zum Amtsantritt als neuer Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Herr Josef! Was wollen Sie als Erstes anpacken?
Frankfurt ist meine Heimatstadt, deshalb ist es für mich eine Ehre und viel mehr als ein Job, hier Oberbürgermeister zu sein. Ich möchte die ganze Stadt im Blick haben und verstehe mich als Oberbürgermeister aller Frankfurterinnen und Frankfurter.

Unsere Stadt soll in Zeiten steigender Lebenshaltungs- und Mietkosten bezahlbar für alle bleiben, ich werde zu Beginn meiner Amtszeit daher den Energiefonds für Haushalte aufsetzen, die sich die hohen Energiekosten nicht leisten können. Auch die Kinderbetreuung will ich stärken. Über den Frankfurt-Zuschlag für Erzieherinnen und Erzieher werde ich bald Gespräche in Wiesbaden führen, denn wir brauchen die Zustimmung des Landes. Ich will Bildung und soziale Sicherheit nach vorne bringen, indem ich dafür die notwendigen, auch finanziellen Mittel einsetze. Mein Ziel ist, dass unsere Stadt sauberer und sicherer ist, nicht nur im Bahnhofsviertel.

Frankfurt ist eine multireligiöse Stadt. Haben Sie Ideen, wie der interreligiöse Dialog vorangebracht werden kann?
In Frankfurt ist eine internationale Stadt, hier leben viele Menschen unterschiedlicher religiöser Überzeugung friedlich zusammen. Gegenseitiger Respekt ist die Grundlage dafür. Als Oberbürgermeister ist es mit wichtig, den Dialog zwischen den Kulturen und den Religionen mit Gesprächsangeboten und offenen Türen weiter zu fördern. Mein Ziel ist es, die für unsere Stadt so wertvolle Jugendarbeit und Stadtteilarbeit weiter zu unterstützen. Miteinander ins Gespräch zu kommen und sich noch besser kennenzulernen ist essentiell. Nur wenn wir miteinander sprechen, können wir unser gesellschaftliches Leben gemeinsam gestalten und für Toleranz und Akzeptanz im gegenseitigen Umgang sorgen.

Geht es in Frankfurt Ihrer Meinung nach entspannter zu beim Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen als anderswo?
Frankfurt ist die wohl vielfältigste Stadt Deutschlands, hier treffen sich Menschen aller Nationen. Kinder wachsen zusammen auf, gehen gemeinsam zur Schule. Frankfurt steht für ein gutes Zusammenleben und eine gelungene Integration. Das bedeutet auch: In Frankfurt ist vieles möglich. Egal woher man kommt oder welchen Hintergrund man hat. Ich möchte mich als Oberbürgermeister weiter für die Chancengleichheit aller stark machen und den Menschen auf Augenhöhe begegnen. Ich glaube fest daran, dass ich meine Geschichte nur hier in Frankfurt schreiben konnte. Damit kann ich jungen Menschen Mut machen, ihren Weg zu gehen.

Sie sind evangelischer Christ - wie wichtig ist Ihnen Ihr Glaube? Wie wird er in Ihrer Familie gelebt?
Mein Glaube ist mir sehr wichtig. Egal wie stürmisch die Zeiten sind, mein Glaube gibt mir Kraft und Orientierung. Als ich mit meiner Familie aus Syrien nach Deutschland kam, hat uns ein evangelischer Pfarrer sehr geholfen, das werde ich nie vergessen. In unserer Familie ist der christliche Glaube fest verankert. Wir feiern die kirchlichen Feste, Weihnachten mag ich persönlich ganz besonders. Auch meine Kinder kennen die biblischen Geschichten und sind getauft.

Sie sind als OB auch zuständig für die acht Dotationskirchen im Innenstadtbereich. Welche Pläne haben Sie in diesem Bereich?
Unsere Kirchen sind wahre Schmuckstücke und fester Bestandteil unserer Stadt. Viele öffnen ihre Türen und sind in der Hektik der Großstadt Orte der Ruhe. Hier können Menschen zu sich kommen und zu sich finden. In Frankfurt ist vor allem unser Kämmerer zuständig für die Dotationskirchen. Das bedeutet: Der Unterhalt der acht Innenstadtkirchen, die im Eigentum der Stadt stehen, obliegt ihm. Die Dotationskirchen weiter zu pflegen, ist für mich als Oberbürgermeister selbstverständlich. Gerade läuft die Dach- und Fassadensanierung an der St. Katharinenkirche. Die Schieferabdeckung dort ist rund 70 Jahre alt und muss erneuert werden, die Außenfassade wird auch renoviert. An der St. Leonhardskirche wird seit Jahren gearbeitet. Die alte Pilgerkirche ist die älteste, noch vorhandene Kirche in Frankfurt. Mein Ziel ist es, die Kirchen weiter als feste Bestandteile unserer Stadt zu sehen und als offene Häuser unserer Stadt zu begreifen. Das ist mir wichtig und ein großes Anliegen.

Wie muss eine moderne Sozialpolitik in einer Stadt wie Frankfurt aussehen?
Eine moderne Sozialpolitik hat immer das Schicksal des einzelnen Menschen im Blick. Zum Beispiel ist Kinderarmut Familienarmut. Weil etwa Eltern arbeitslos werden oder einen Schicksalsschlag erleiden. Darum ist eine gute Lohn- und eine aktive Arbeitsmarktpolitik wichtig. Mir geht es darum, dass Kinder und Jugendliche unabhängig vom Geldbeutel der Eltern am kulturellen und sportlichen Leben unserer Stadt teilhaben. Darum stehe ich zum kostenlosen Eintritt in unsere Museen, den Palmengarten und den Zoo. Und weiß, dass es für viele Familien eine Entlastung ist, dass ihre Kinder kostenlos in unsere Schwimmbäder gehen können. Ab Juni wird auch das letzte Krippenjahr engeltfrei sein. Das hat der Magistrat beschlossen. Die sozialpolitische Offensive, in der auch unsere Kirchen sehr aktiv sind, ist ein wichtiges Netzwerk unserer Stadt, viele der dort formulierten Forderungen unterstütze ich ausdrücklich.

Wie können die Kirchen dazu beitragen?
Die Kirchen engagieren sich ja bereits in der sozialpolitischen Initiative, unsere gesamte soziale Infrastruktur ist ohne ihr Engagement gar nicht denkbar. Sie betreiben Kitas, Seniorenheime und Krankenhäuser. Kürzlich habe ich den neuen Nachbarschaftstreff im Ben-Gurion-Ring besucht, hier kümmert sich die ökumenische Bewegung unterschiedlicher Konfessionen „Kirche in Aktion“ mit Hilfe vieler Ehrenamtlicher. Im wöchentlichen Nachbarschaftstreff können Menschen bei Kaffee, Kuchen und Gesellschaftsspielen miteinander ins Gespräch kommen und Kontakte knüpfen. Die Kirchen schaffen - ganz im Sinne der Nächstenliebe - ein Bewusstsein dafür, füreinander da zu sein. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander, für soziale Teilhabe und gegen Einsamkeit, die Menschen nicht nur im Alter betrifft.

Eine persönliche Frage: Gehen Sie privat mit Ihrer Familie in die Kirche?
Ja. wenn es zeitlich möglich ist, gehen wir sonntags als Familie in die Kirche und waren es jetzt auch an Ostern wieder.


Schlagwörter

Autorinnen

Anne Lemhöfer 139 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de

Angela Wolf 117 Artikel

Angela Wolf ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Sie wurde 1978 in Aschaffenburg geboren. Heute lebt sie in Frankfurt am Main, wo sie Soziologie, Politikwissenschaften und Psychoanalyse studierte.

0 Kommentare

Zu diesem Artikel wurden noch keine Kommentare verfasst. Schreiben Sie doch den ersten.

Artikel kommentieren

Wir freuen uns, wenn unsere Beiträge zu Diskussion und Austausch beitragen. Dabei bitten wir, auf angemessene Umgangsformen zu achten und die Meinung anderer zu respektieren. Bei Verstößen gegen unsere Netiquette-Regeln behalten wir uns vor, Kommentare nicht zu veröffentlichen.

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.

Errechnen Sie die Summe der dargestellten Zahlen
Captcha =